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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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der Monarch, durch Geburt zum Throne bestimmt sein, und zwar weil
in seinem Begriffe als eines "unmittelbar Einzelnen" die Bestimmung
der Natürlichkeit liege; d. h. weil der Fürst als Einzelner kein Ab-
stractum, sondern eben eine einzelne wirkliche Person sei, so sei es
wesentlich, daß er geborener Monarch sei. Was aber in Wahr¬
heit aus solchem Obersätze nur bewiesen werden kann, ist dies,
daß ein Monarch nicht vom Himmel fallen könne, sondern wie ein
anderer gewöhnlicher Mensch geboren werden müsse: daß er eben
ein Mensch und darum an alle Bedingungen des Daseins geknüpft
sei, von denen ein solcher nun einmal nicht abstrahiren kann: kurz,
die Speculation beweis't, was Keiner bezweifelt, nur nicht das,
was sie beweisen will. Darüber, daß der Monarch ein natürlich
Erzeugter sein muß, kommt sie nimmer hinweg -- und sie will doch
glauben machen, es müsse der Idee gemäß die natürliche Erzeugung
an und für sich schon den Monarchen zeugen. -- Im Begriffe des
Fürsten liege es, geboren zu sein, und darum lasse die Vernunft nur
geborene Fürsten zu. Ob es ein abenteuerlicheres Gebahren, ein
willkürlicheres Spiel geben kann, und das mit Interessen, welche un¬
ter die höchsten des Lebens zählen, und einer Zeit gegenüber, die
auf's Tiefste durch dieselben erregt war? Wahrlich! die Theorie konnte
nicht unsittlicher, nicht herzloser verfahren! -- Der eigentliche Sinn
des Bewiesenen ist freilich der, daß eS für den Monarchen nur dies
bedürfe, daß er überhaupt nur ein Individuum sei, d, h. alle die
naturhistorischen Merkmale in sich vereine, die ein solches ausmachen,
aber dann ist es doch eben nur gleichgiltig, ob er den Thron als
Erbe empfangen oder nicht, und es ist diese Indifferenz doch sicher
etwas ganz Anderes, als die Nothwendigkeit, die behauptet wird. --
Uebrigens ist es wunderlich genug, wie sehr die Speculation in der
Bestimmung der königlichen Würde auf- und niederschwankt. Das
eine Mal ist sie zur reinen Phrase herabgesetzt, und ihre ganze Wich¬
tigkeit ruht in der "Namensunterschrift", der freilich eine ganz außer¬
ordentliche Bedeutung beigelegt wird S), sie ist auf das bloße "Ja¬
sagen" reducirt und "den Punkt auf das I zu setzen -- das
andere Mal wird der "grundlosen Entscheidung des Monarchen das
Begnadigungsrecht anheimgegeben"^) und die Auswahl unter den





^) ebendas. §. 280.--
*) ebend-is. H. 279. Aus.--
ebendas. §-

der Monarch, durch Geburt zum Throne bestimmt sein, und zwar weil
in seinem Begriffe als eines „unmittelbar Einzelnen" die Bestimmung
der Natürlichkeit liege; d. h. weil der Fürst als Einzelner kein Ab-
stractum, sondern eben eine einzelne wirkliche Person sei, so sei es
wesentlich, daß er geborener Monarch sei. Was aber in Wahr¬
heit aus solchem Obersätze nur bewiesen werden kann, ist dies,
daß ein Monarch nicht vom Himmel fallen könne, sondern wie ein
anderer gewöhnlicher Mensch geboren werden müsse: daß er eben
ein Mensch und darum an alle Bedingungen des Daseins geknüpft
sei, von denen ein solcher nun einmal nicht abstrahiren kann: kurz,
die Speculation beweis't, was Keiner bezweifelt, nur nicht das,
was sie beweisen will. Darüber, daß der Monarch ein natürlich
Erzeugter sein muß, kommt sie nimmer hinweg — und sie will doch
glauben machen, es müsse der Idee gemäß die natürliche Erzeugung
an und für sich schon den Monarchen zeugen. — Im Begriffe des
Fürsten liege es, geboren zu sein, und darum lasse die Vernunft nur
geborene Fürsten zu. Ob es ein abenteuerlicheres Gebahren, ein
willkürlicheres Spiel geben kann, und das mit Interessen, welche un¬
ter die höchsten des Lebens zählen, und einer Zeit gegenüber, die
auf's Tiefste durch dieselben erregt war? Wahrlich! die Theorie konnte
nicht unsittlicher, nicht herzloser verfahren! — Der eigentliche Sinn
des Bewiesenen ist freilich der, daß eS für den Monarchen nur dies
bedürfe, daß er überhaupt nur ein Individuum sei, d, h. alle die
naturhistorischen Merkmale in sich vereine, die ein solches ausmachen,
aber dann ist es doch eben nur gleichgiltig, ob er den Thron als
Erbe empfangen oder nicht, und es ist diese Indifferenz doch sicher
etwas ganz Anderes, als die Nothwendigkeit, die behauptet wird. —
Uebrigens ist es wunderlich genug, wie sehr die Speculation in der
Bestimmung der königlichen Würde auf- und niederschwankt. Das
eine Mal ist sie zur reinen Phrase herabgesetzt, und ihre ganze Wich¬
tigkeit ruht in der „Namensunterschrift", der freilich eine ganz außer¬
ordentliche Bedeutung beigelegt wird S), sie ist auf das bloße „Ja¬
sagen" reducirt und „den Punkt auf das I zu setzen — das
andere Mal wird der „grundlosen Entscheidung des Monarchen das
Begnadigungsrecht anheimgegeben»^) und die Auswahl unter den





^) ebendas. §. 280.—
*) ebend-is. H. 279. Aus.—
ebendas. §-
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[0308] der Monarch, durch Geburt zum Throne bestimmt sein, und zwar weil in seinem Begriffe als eines „unmittelbar Einzelnen" die Bestimmung der Natürlichkeit liege; d. h. weil der Fürst als Einzelner kein Ab- stractum, sondern eben eine einzelne wirkliche Person sei, so sei es wesentlich, daß er geborener Monarch sei. Was aber in Wahr¬ heit aus solchem Obersätze nur bewiesen werden kann, ist dies, daß ein Monarch nicht vom Himmel fallen könne, sondern wie ein anderer gewöhnlicher Mensch geboren werden müsse: daß er eben ein Mensch und darum an alle Bedingungen des Daseins geknüpft sei, von denen ein solcher nun einmal nicht abstrahiren kann: kurz, die Speculation beweis't, was Keiner bezweifelt, nur nicht das, was sie beweisen will. Darüber, daß der Monarch ein natürlich Erzeugter sein muß, kommt sie nimmer hinweg — und sie will doch glauben machen, es müsse der Idee gemäß die natürliche Erzeugung an und für sich schon den Monarchen zeugen. — Im Begriffe des Fürsten liege es, geboren zu sein, und darum lasse die Vernunft nur geborene Fürsten zu. Ob es ein abenteuerlicheres Gebahren, ein willkürlicheres Spiel geben kann, und das mit Interessen, welche un¬ ter die höchsten des Lebens zählen, und einer Zeit gegenüber, die auf's Tiefste durch dieselben erregt war? Wahrlich! die Theorie konnte nicht unsittlicher, nicht herzloser verfahren! — Der eigentliche Sinn des Bewiesenen ist freilich der, daß eS für den Monarchen nur dies bedürfe, daß er überhaupt nur ein Individuum sei, d, h. alle die naturhistorischen Merkmale in sich vereine, die ein solches ausmachen, aber dann ist es doch eben nur gleichgiltig, ob er den Thron als Erbe empfangen oder nicht, und es ist diese Indifferenz doch sicher etwas ganz Anderes, als die Nothwendigkeit, die behauptet wird. — Uebrigens ist es wunderlich genug, wie sehr die Speculation in der Bestimmung der königlichen Würde auf- und niederschwankt. Das eine Mal ist sie zur reinen Phrase herabgesetzt, und ihre ganze Wich¬ tigkeit ruht in der „Namensunterschrift", der freilich eine ganz außer¬ ordentliche Bedeutung beigelegt wird S), sie ist auf das bloße „Ja¬ sagen" reducirt und „den Punkt auf das I zu setzen — das andere Mal wird der „grundlosen Entscheidung des Monarchen das Begnadigungsrecht anheimgegeben»^) und die Auswahl unter den ^) ebendas. §. 280.— *) ebend-is. H. 279. Aus.— ebendas. §-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/308>, abgerufen am 27.07.2024.