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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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befangen, als daß er sie jener aufzuopfern vermocht hätte. Ja es
überwog bei ihm "der Begriff", das maßlose Subject und sein ma߬
loser Gedanke anerkennen in ihm zwar schon eine objective Welt;
aber indem sie dieselbe idealisiren d. h. ihr alles Gewicht und Me
Kraft nehmen, kann sie ihnen keinen Widerstand mehr leisten. Mag
der Gedanke auch immerhin die Dinge setzen, so sind es doch nur
Gedankendinge oder die wirklichen gelten nur als solche. Man wird
dann also in der That nicht irren, wenn man im Namen der spe¬
kulativen Idee die ganze reizvolle Scenerie der Geschichte, diesen
mannichfaltigen Wechsel von Gestalten, diesen Reichthum von Per¬
sonen und Interessen für Scheingeburt erklärt. Nur ihre Idealität
hat Werth, und das heißt denn doch wohl nichts Anderes, als daß
nur, was sie nicht sind, in philosophischen Betracht kommt. --

Die Principien der Volksgeister sind um ihrer Besonderheit wil¬
len, in welcher sie als eristirende Individuen ihre objective Wirklich¬
keit und ihr Selbstbewußtsein haben, überhaupt beschränkte, und ihre
Schicksale und Thaten in ihrem Verhältnisse zu einander sind die er¬
scheinende Dialektik der Endlichkeit dieser Geister, aus welcher der
allgemeine Geist, der Geist der Welt, als unbeschränkt ebenso sich
hervorbringt, als er es ist, der sefn Recht an ihnen in der Weltge.
schichte, als dem Weltgerichte, Wsübt."") So ist denn also dieser
allgemeine Geist nur die Negativität seiner beschränkten Existenzen,
in welcher sie freilich als Momente, aber doch nur als aufgehobene,
noch enthalten sind. Ihre Beschränktheit von sich abstreifend, cvnsti-
ruiren sie den Prozeß der Idee in sich selber, die sie auf unbegreif¬
liche Weise in die Zeit hinaus geschickt hat, um sie eben nur wieder
in sich zurückzunehmen. Wenn denn nun aber nirgends in der Ge¬
schichte dieser unbeschränkte Weltgeist real wird oder, der Anschauung
erfaßbar, in die Erscheinung tritt, vielmehr aus dem Untergange einer
Endlichkeit nur eine andere Endlichkeit wieder resultirt u. s. f., so
hat denn doch wohl dieser Geist der Welt keine andere Statt, denn
im Haupte des speculativen Philosophen. Mit einem Worte ! der
Weltgeist ist nichts Anderes, denn der Gedanke eines solchen. Als
Prototyp desselben kann die logische Kategorie der Unendlichkeit be¬
zeichnet werden. Ueberhaupt enthält die Logik schon Alles, nur in



*) ebendaselbst §. 340.
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befangen, als daß er sie jener aufzuopfern vermocht hätte. Ja es
überwog bei ihm „der Begriff", das maßlose Subject und sein ma߬
loser Gedanke anerkennen in ihm zwar schon eine objective Welt;
aber indem sie dieselbe idealisiren d. h. ihr alles Gewicht und Me
Kraft nehmen, kann sie ihnen keinen Widerstand mehr leisten. Mag
der Gedanke auch immerhin die Dinge setzen, so sind es doch nur
Gedankendinge oder die wirklichen gelten nur als solche. Man wird
dann also in der That nicht irren, wenn man im Namen der spe¬
kulativen Idee die ganze reizvolle Scenerie der Geschichte, diesen
mannichfaltigen Wechsel von Gestalten, diesen Reichthum von Per¬
sonen und Interessen für Scheingeburt erklärt. Nur ihre Idealität
hat Werth, und das heißt denn doch wohl nichts Anderes, als daß
nur, was sie nicht sind, in philosophischen Betracht kommt. —

Die Principien der Volksgeister sind um ihrer Besonderheit wil¬
len, in welcher sie als eristirende Individuen ihre objective Wirklich¬
keit und ihr Selbstbewußtsein haben, überhaupt beschränkte, und ihre
Schicksale und Thaten in ihrem Verhältnisse zu einander sind die er¬
scheinende Dialektik der Endlichkeit dieser Geister, aus welcher der
allgemeine Geist, der Geist der Welt, als unbeschränkt ebenso sich
hervorbringt, als er es ist, der sefn Recht an ihnen in der Weltge.
schichte, als dem Weltgerichte, Wsübt."») So ist denn also dieser
allgemeine Geist nur die Negativität seiner beschränkten Existenzen,
in welcher sie freilich als Momente, aber doch nur als aufgehobene,
noch enthalten sind. Ihre Beschränktheit von sich abstreifend, cvnsti-
ruiren sie den Prozeß der Idee in sich selber, die sie auf unbegreif¬
liche Weise in die Zeit hinaus geschickt hat, um sie eben nur wieder
in sich zurückzunehmen. Wenn denn nun aber nirgends in der Ge¬
schichte dieser unbeschränkte Weltgeist real wird oder, der Anschauung
erfaßbar, in die Erscheinung tritt, vielmehr aus dem Untergange einer
Endlichkeit nur eine andere Endlichkeit wieder resultirt u. s. f., so
hat denn doch wohl dieser Geist der Welt keine andere Statt, denn
im Haupte des speculativen Philosophen. Mit einem Worte ! der
Weltgeist ist nichts Anderes, denn der Gedanke eines solchen. Als
Prototyp desselben kann die logische Kategorie der Unendlichkeit be¬
zeichnet werden. Ueberhaupt enthält die Logik schon Alles, nur in



*) ebendaselbst §. 340.
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[0303] befangen, als daß er sie jener aufzuopfern vermocht hätte. Ja es überwog bei ihm „der Begriff", das maßlose Subject und sein ma߬ loser Gedanke anerkennen in ihm zwar schon eine objective Welt; aber indem sie dieselbe idealisiren d. h. ihr alles Gewicht und Me Kraft nehmen, kann sie ihnen keinen Widerstand mehr leisten. Mag der Gedanke auch immerhin die Dinge setzen, so sind es doch nur Gedankendinge oder die wirklichen gelten nur als solche. Man wird dann also in der That nicht irren, wenn man im Namen der spe¬ kulativen Idee die ganze reizvolle Scenerie der Geschichte, diesen mannichfaltigen Wechsel von Gestalten, diesen Reichthum von Per¬ sonen und Interessen für Scheingeburt erklärt. Nur ihre Idealität hat Werth, und das heißt denn doch wohl nichts Anderes, als daß nur, was sie nicht sind, in philosophischen Betracht kommt. — Die Principien der Volksgeister sind um ihrer Besonderheit wil¬ len, in welcher sie als eristirende Individuen ihre objective Wirklich¬ keit und ihr Selbstbewußtsein haben, überhaupt beschränkte, und ihre Schicksale und Thaten in ihrem Verhältnisse zu einander sind die er¬ scheinende Dialektik der Endlichkeit dieser Geister, aus welcher der allgemeine Geist, der Geist der Welt, als unbeschränkt ebenso sich hervorbringt, als er es ist, der sefn Recht an ihnen in der Weltge. schichte, als dem Weltgerichte, Wsübt."») So ist denn also dieser allgemeine Geist nur die Negativität seiner beschränkten Existenzen, in welcher sie freilich als Momente, aber doch nur als aufgehobene, noch enthalten sind. Ihre Beschränktheit von sich abstreifend, cvnsti- ruiren sie den Prozeß der Idee in sich selber, die sie auf unbegreif¬ liche Weise in die Zeit hinaus geschickt hat, um sie eben nur wieder in sich zurückzunehmen. Wenn denn nun aber nirgends in der Ge¬ schichte dieser unbeschränkte Weltgeist real wird oder, der Anschauung erfaßbar, in die Erscheinung tritt, vielmehr aus dem Untergange einer Endlichkeit nur eine andere Endlichkeit wieder resultirt u. s. f., so hat denn doch wohl dieser Geist der Welt keine andere Statt, denn im Haupte des speculativen Philosophen. Mit einem Worte ! der Weltgeist ist nichts Anderes, denn der Gedanke eines solchen. Als Prototyp desselben kann die logische Kategorie der Unendlichkeit be¬ zeichnet werden. Ueberhaupt enthält die Logik schon Alles, nur in *) ebendaselbst §. 340. 38 »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/303>, abgerufen am 27.07.2024.