Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Bemerkungen über die Hegel'sehe
Philosophie.
Von einem Apostaten.



III. ")
Pic Geschichte.

Dem Positiven gegenüber ist die Stellung der Spekulation eine
besonders schwierige. Ein zwiefach Gesetz steht kämpfend gegen
einander, und keines darf dem andern unterliegen, wenn mit dem
Scheine der Wahrheit die Theorie aufrecht erhalten werden soll. Die
Dialektik darf an der Geschichte so wenig aufhören Dialektik zu sein,
als die Geschichte an der Dialektik Geschichte. Wäre zugegeben, daß
diese außerhalb jener oder, was dasselbe besagen will, außerhalb der
Spekulation hier eristire, so wäre damit entweder bekannt, die Ge¬
schichte sei ein geistverlassenes und gedankenloses Dasein, -- und wer
hätte das geglaubt! oder die Idee sei nicht fähig, in dieses Dasein
hinabzureichen, und wer wäre da Hegelianer geblieben! Es galt also,
so scheinbar als möglich, Beides, Geschichte und Dialektik, mit einan¬
der in Einklang zu bringen, und ermöglicht wurde es, indem nur
gewisse allgemeine Grundzüge der Geschichte hervorgehoben wur¬
den, die, eben um ihrer Allgemeinheit willen, sich leicht in Katego¬
rien umstempeln ließen. Das Einzelne dem Gedanken einzuführen,
mochte nämlich nimmer gelingen und dafür ward dann dasselbe als
an und für sich Richtiges verurtheilt. Obschon aber nimmer be¬
greiflich gemacht werden konnte, wie solches trotzdem hier möglich,--
eine Frage, die jener theologischen über die Zulassung des bösen in
der Welt nahe genug liegt, um daran zu erinnern, so war doch das
Unvermögen, die Besonderheit in den Begriff einzuschwärzen, Grund



*> Siehe Nro. 1. und Rro. 3. im U. Semester dieses Jahrganges.
Bemerkungen über die Hegel'sehe
Philosophie.
Von einem Apostaten.



III. »)
Pic Geschichte.

Dem Positiven gegenüber ist die Stellung der Spekulation eine
besonders schwierige. Ein zwiefach Gesetz steht kämpfend gegen
einander, und keines darf dem andern unterliegen, wenn mit dem
Scheine der Wahrheit die Theorie aufrecht erhalten werden soll. Die
Dialektik darf an der Geschichte so wenig aufhören Dialektik zu sein,
als die Geschichte an der Dialektik Geschichte. Wäre zugegeben, daß
diese außerhalb jener oder, was dasselbe besagen will, außerhalb der
Spekulation hier eristire, so wäre damit entweder bekannt, die Ge¬
schichte sei ein geistverlassenes und gedankenloses Dasein, — und wer
hätte das geglaubt! oder die Idee sei nicht fähig, in dieses Dasein
hinabzureichen, und wer wäre da Hegelianer geblieben! Es galt also,
so scheinbar als möglich, Beides, Geschichte und Dialektik, mit einan¬
der in Einklang zu bringen, und ermöglicht wurde es, indem nur
gewisse allgemeine Grundzüge der Geschichte hervorgehoben wur¬
den, die, eben um ihrer Allgemeinheit willen, sich leicht in Katego¬
rien umstempeln ließen. Das Einzelne dem Gedanken einzuführen,
mochte nämlich nimmer gelingen und dafür ward dann dasselbe als
an und für sich Richtiges verurtheilt. Obschon aber nimmer be¬
greiflich gemacht werden konnte, wie solches trotzdem hier möglich,—
eine Frage, die jener theologischen über die Zulassung des bösen in
der Welt nahe genug liegt, um daran zu erinnern, so war doch das
Unvermögen, die Besonderheit in den Begriff einzuschwärzen, Grund



*> Siehe Nro. 1. und Rro. 3. im U. Semester dieses Jahrganges.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0300" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181484"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Bemerkungen über die Hegel'sehe<lb/>
Philosophie.<lb/><note type="byline"> Von einem Apostaten.</note></head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> III. »)<lb/>
Pic Geschichte.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_829" next="#ID_830"> Dem Positiven gegenüber ist die Stellung der Spekulation eine<lb/>
besonders schwierige. Ein zwiefach Gesetz steht kämpfend gegen<lb/>
einander, und keines darf dem andern unterliegen, wenn mit dem<lb/>
Scheine der Wahrheit die Theorie aufrecht erhalten werden soll. Die<lb/>
Dialektik darf an der Geschichte so wenig aufhören Dialektik zu sein,<lb/>
als die Geschichte an der Dialektik Geschichte. Wäre zugegeben, daß<lb/>
diese außerhalb jener oder, was dasselbe besagen will, außerhalb der<lb/>
Spekulation hier eristire, so wäre damit entweder bekannt, die Ge¬<lb/>
schichte sei ein geistverlassenes und gedankenloses Dasein, &#x2014; und wer<lb/>
hätte das geglaubt! oder die Idee sei nicht fähig, in dieses Dasein<lb/>
hinabzureichen, und wer wäre da Hegelianer geblieben! Es galt also,<lb/>
so scheinbar als möglich, Beides, Geschichte und Dialektik, mit einan¬<lb/>
der in Einklang zu bringen, und ermöglicht wurde es, indem nur<lb/>
gewisse allgemeine Grundzüge der Geschichte hervorgehoben wur¬<lb/>
den, die, eben um ihrer Allgemeinheit willen, sich leicht in Katego¬<lb/>
rien umstempeln ließen. Das Einzelne dem Gedanken einzuführen,<lb/>
mochte nämlich nimmer gelingen und dafür ward dann dasselbe als<lb/>
an und für sich Richtiges verurtheilt. Obschon aber nimmer be¬<lb/>
greiflich gemacht werden konnte, wie solches trotzdem hier möglich,&#x2014;<lb/>
eine Frage, die jener theologischen über die Zulassung des bösen in<lb/>
der Welt nahe genug liegt, um daran zu erinnern, so war doch das<lb/>
Unvermögen, die Besonderheit in den Begriff einzuschwärzen, Grund</p><lb/>
            <note xml:id="FID_20" place="foot"> *&gt; Siehe Nro. 1. und Rro. 3. im U. Semester dieses Jahrganges.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0300] Bemerkungen über die Hegel'sehe Philosophie. Von einem Apostaten. III. ») Pic Geschichte. Dem Positiven gegenüber ist die Stellung der Spekulation eine besonders schwierige. Ein zwiefach Gesetz steht kämpfend gegen einander, und keines darf dem andern unterliegen, wenn mit dem Scheine der Wahrheit die Theorie aufrecht erhalten werden soll. Die Dialektik darf an der Geschichte so wenig aufhören Dialektik zu sein, als die Geschichte an der Dialektik Geschichte. Wäre zugegeben, daß diese außerhalb jener oder, was dasselbe besagen will, außerhalb der Spekulation hier eristire, so wäre damit entweder bekannt, die Ge¬ schichte sei ein geistverlassenes und gedankenloses Dasein, — und wer hätte das geglaubt! oder die Idee sei nicht fähig, in dieses Dasein hinabzureichen, und wer wäre da Hegelianer geblieben! Es galt also, so scheinbar als möglich, Beides, Geschichte und Dialektik, mit einan¬ der in Einklang zu bringen, und ermöglicht wurde es, indem nur gewisse allgemeine Grundzüge der Geschichte hervorgehoben wur¬ den, die, eben um ihrer Allgemeinheit willen, sich leicht in Katego¬ rien umstempeln ließen. Das Einzelne dem Gedanken einzuführen, mochte nämlich nimmer gelingen und dafür ward dann dasselbe als an und für sich Richtiges verurtheilt. Obschon aber nimmer be¬ greiflich gemacht werden konnte, wie solches trotzdem hier möglich,— eine Frage, die jener theologischen über die Zulassung des bösen in der Welt nahe genug liegt, um daran zu erinnern, so war doch das Unvermögen, die Besonderheit in den Begriff einzuschwärzen, Grund *> Siehe Nro. 1. und Rro. 3. im U. Semester dieses Jahrganges.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/300
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/300>, abgerufen am 05.12.2024.