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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Am Abend sollten von den Musikvereinen an der beleuchteten
Statue einige von Göthe gedichtete Lieder gesungen werden. Die
Veranstaltungen waren aber so getroffen, daß der mit bunten Later¬
nen herbeiziehende Sängerzug keinen Platz fand in der kleinen, um
das Monument herum frei gehaltenen Umzäunung; dabei war der
durch keine Vorkehrungen zurückgehaltene Zudrang des Volkes so
groß, daß die Hälfte des genannten Zuges in Gefahr gerieth, er¬
drückt zu werden, auf keine Weise aber zu seiner eigentlichen Be¬
stimmung gelangen konnte.

Die Wenigen, die sich am Fuße des Denkmals zusammenfanden,
konnten natürlich den Eindruck nicht hervorbringen, durch die vier¬
stimmigen Männergesänge, den der Verein der dreihundert ursprüng¬
lich Versammelten unstreitig hervorgerufen hätte.

Auch war das eigentliche Festcomits bei dieser letzten Feier nicht
anwesend; die Mitglieder desselben hatten sich mit noch ein Paar
hundert Unterzeichnern zu einem Banker in der Börsenhalle versam¬
melt, welches mit unzähligen Toasten bis spät in die Nacht sich
verlängerte.

Es steht uns nicht zu, über die Veranstaltungen einiger Privat¬
männer tadelnd abzuurtheilen; wir glauben sogar, daß dem Eifer und
der Ausdauer des Comites für die Errichtung des Denkmals alles
Lob zu spenden und reichlicher Dank zuzuerkennen ist wegen der
glücklichen Erreichung des vorgesetzten Zweckes; aber Göthe ist als
Dichter Eigenthum der deutschen Nation, und die Errichtung seines
Ehrendenkmals in seiner Geburtsstadt mußte zu etwas Anderem Ver¬
anlassung geben, als zu einer Privatfeierlichkeit.

Es muß mit Lob anerkannt werden, wenn sich einige begeisterte
Männer zusammenthun, um die Anregung zu einem Unternehmen zu
geben, welches ohne dieselbe vielleicht nie zu Stande gekommen wäre;
aber das gibt denselben kein Recht, ohne Bestätigung von Seiten der
Theilnehmer herrschend an der Spitze zu bleiben und alle Anordnun¬
gen zu treffen nach eigener Willkür. Das deutsche Volk ist, seiner
geduldigen Apathie wegen, lange genug bevormundet worden von
Einzelnen; es ist einmal Zeit, daß wenigstens Unternehmungen, wie
die Verherrlichung eines Nationaldichters, eines Göthe, ausgehen von
der Gesammtheit.


Am Abend sollten von den Musikvereinen an der beleuchteten
Statue einige von Göthe gedichtete Lieder gesungen werden. Die
Veranstaltungen waren aber so getroffen, daß der mit bunten Later¬
nen herbeiziehende Sängerzug keinen Platz fand in der kleinen, um
das Monument herum frei gehaltenen Umzäunung; dabei war der
durch keine Vorkehrungen zurückgehaltene Zudrang des Volkes so
groß, daß die Hälfte des genannten Zuges in Gefahr gerieth, er¬
drückt zu werden, auf keine Weise aber zu seiner eigentlichen Be¬
stimmung gelangen konnte.

Die Wenigen, die sich am Fuße des Denkmals zusammenfanden,
konnten natürlich den Eindruck nicht hervorbringen, durch die vier¬
stimmigen Männergesänge, den der Verein der dreihundert ursprüng¬
lich Versammelten unstreitig hervorgerufen hätte.

Auch war das eigentliche Festcomits bei dieser letzten Feier nicht
anwesend; die Mitglieder desselben hatten sich mit noch ein Paar
hundert Unterzeichnern zu einem Banker in der Börsenhalle versam¬
melt, welches mit unzähligen Toasten bis spät in die Nacht sich
verlängerte.

Es steht uns nicht zu, über die Veranstaltungen einiger Privat¬
männer tadelnd abzuurtheilen; wir glauben sogar, daß dem Eifer und
der Ausdauer des Comites für die Errichtung des Denkmals alles
Lob zu spenden und reichlicher Dank zuzuerkennen ist wegen der
glücklichen Erreichung des vorgesetzten Zweckes; aber Göthe ist als
Dichter Eigenthum der deutschen Nation, und die Errichtung seines
Ehrendenkmals in seiner Geburtsstadt mußte zu etwas Anderem Ver¬
anlassung geben, als zu einer Privatfeierlichkeit.

Es muß mit Lob anerkannt werden, wenn sich einige begeisterte
Männer zusammenthun, um die Anregung zu einem Unternehmen zu
geben, welches ohne dieselbe vielleicht nie zu Stande gekommen wäre;
aber das gibt denselben kein Recht, ohne Bestätigung von Seiten der
Theilnehmer herrschend an der Spitze zu bleiben und alle Anordnun¬
gen zu treffen nach eigener Willkür. Das deutsche Volk ist, seiner
geduldigen Apathie wegen, lange genug bevormundet worden von
Einzelnen; es ist einmal Zeit, daß wenigstens Unternehmungen, wie
die Verherrlichung eines Nationaldichters, eines Göthe, ausgehen von
der Gesammtheit.


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[0298] Am Abend sollten von den Musikvereinen an der beleuchteten Statue einige von Göthe gedichtete Lieder gesungen werden. Die Veranstaltungen waren aber so getroffen, daß der mit bunten Later¬ nen herbeiziehende Sängerzug keinen Platz fand in der kleinen, um das Monument herum frei gehaltenen Umzäunung; dabei war der durch keine Vorkehrungen zurückgehaltene Zudrang des Volkes so groß, daß die Hälfte des genannten Zuges in Gefahr gerieth, er¬ drückt zu werden, auf keine Weise aber zu seiner eigentlichen Be¬ stimmung gelangen konnte. Die Wenigen, die sich am Fuße des Denkmals zusammenfanden, konnten natürlich den Eindruck nicht hervorbringen, durch die vier¬ stimmigen Männergesänge, den der Verein der dreihundert ursprüng¬ lich Versammelten unstreitig hervorgerufen hätte. Auch war das eigentliche Festcomits bei dieser letzten Feier nicht anwesend; die Mitglieder desselben hatten sich mit noch ein Paar hundert Unterzeichnern zu einem Banker in der Börsenhalle versam¬ melt, welches mit unzähligen Toasten bis spät in die Nacht sich verlängerte. Es steht uns nicht zu, über die Veranstaltungen einiger Privat¬ männer tadelnd abzuurtheilen; wir glauben sogar, daß dem Eifer und der Ausdauer des Comites für die Errichtung des Denkmals alles Lob zu spenden und reichlicher Dank zuzuerkennen ist wegen der glücklichen Erreichung des vorgesetzten Zweckes; aber Göthe ist als Dichter Eigenthum der deutschen Nation, und die Errichtung seines Ehrendenkmals in seiner Geburtsstadt mußte zu etwas Anderem Ver¬ anlassung geben, als zu einer Privatfeierlichkeit. Es muß mit Lob anerkannt werden, wenn sich einige begeisterte Männer zusammenthun, um die Anregung zu einem Unternehmen zu geben, welches ohne dieselbe vielleicht nie zu Stande gekommen wäre; aber das gibt denselben kein Recht, ohne Bestätigung von Seiten der Theilnehmer herrschend an der Spitze zu bleiben und alle Anordnun¬ gen zu treffen nach eigener Willkür. Das deutsche Volk ist, seiner geduldigen Apathie wegen, lange genug bevormundet worden von Einzelnen; es ist einmal Zeit, daß wenigstens Unternehmungen, wie die Verherrlichung eines Nationaldichters, eines Göthe, ausgehen von der Gesammtheit.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/298>, abgerufen am 01.09.2024.