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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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man sich selbst gibt, denn als ein Bedürfniß zur Fortpflanzung eines
großen Namens auf die Nachwelt betrachten.

In dieser Beziehung scheint es uns ein sehr glücklicher Gedanke
daß der Künstler die vorzüglichsten Schöpfungen des großen Dichters
auf den vier Reliefs des Postamentes plastisch dargestellt; wir er¬
blicken hier Faust, den Höllenzwang öffnend und von dem mit einem
Fuße im Feuer stehenden Mephisto inspirirt; daneben die sich eini¬
gende Gruppe von Iphigenie, Thoas und Orest; eine andere Seite
stellt uns neben dem tränig liebenden Paare von Hermann und
Dorothea die vielleicht etwas zu mädchenhaft gehaltene Mignon dar,
neben dem ernsten Harfner, Beide von einem kunstschwärmenden Wil¬
helm behütet; die Hinterseite bringt in mannichfaltiger Gruppirung
Egmont, Götz und Tasso, Erlkönig, Braut von Corinth, Prometheus
u. s. w., welchen Schöpfungen von der Göttin des Sieges Kränze
zugetheilt werden, während die Vorderseite, das Ganze der Bestre¬
bungen des großen Mannes symbolisch andeutend, die Wissenschaft,
von der dramatischen und lyrischen Poesie umgeben, uns vorführt.
Auf diesem, im Verhältnisse vielleicht nur etwas zu kleinen Posta¬
mente ragt die colossale Statue des Meisters selbst empor, einen
Kranz in der Linken, eine Rolle in der Rechten haltend, leicht ge¬
stützt auf einen von Neben umrankten Baumstamm, den Blick voll
Zuversicht und Festigkeit in die Ferne gerichtet, als wollte er Schö¬
nes weissagen für die Zukunft.

Wir begnügen uns mit diesen einfachen Angaben; die Ausstel¬
lungen, die sich vielleicht machen ließen, Andern in einer anderen
Zeit überlassend; ganz Frankfurt ist zu sehr begeistert von dem Ge¬
schenk, das mehrere reichere Mitbürger der Stadt gemacht haben, als
daß dieselben hier am Orte zu sein schienen.

Zu bedauern ist es aber doch, daß ein solches Werk der Stadt
geschenkt werden mußte, und daß nicht vielmehr der Staat selbst,
wie er einst dem früheren Bürger das verscherzte Bürgerrecht durch
ein Ehrendiplom wiedergab, auch diese letzte Huldigung ausführte.

So mußte man denn auch die Anordnungen, die das Comitv
für die Feier der Enthüllung getroffen, geduldig und ohne Wider¬
spruch hinnehmen; eine Erzählung mag jedoch nicht ohne Interesse


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man sich selbst gibt, denn als ein Bedürfniß zur Fortpflanzung eines
großen Namens auf die Nachwelt betrachten.

In dieser Beziehung scheint es uns ein sehr glücklicher Gedanke
daß der Künstler die vorzüglichsten Schöpfungen des großen Dichters
auf den vier Reliefs des Postamentes plastisch dargestellt; wir er¬
blicken hier Faust, den Höllenzwang öffnend und von dem mit einem
Fuße im Feuer stehenden Mephisto inspirirt; daneben die sich eini¬
gende Gruppe von Iphigenie, Thoas und Orest; eine andere Seite
stellt uns neben dem tränig liebenden Paare von Hermann und
Dorothea die vielleicht etwas zu mädchenhaft gehaltene Mignon dar,
neben dem ernsten Harfner, Beide von einem kunstschwärmenden Wil¬
helm behütet; die Hinterseite bringt in mannichfaltiger Gruppirung
Egmont, Götz und Tasso, Erlkönig, Braut von Corinth, Prometheus
u. s. w., welchen Schöpfungen von der Göttin des Sieges Kränze
zugetheilt werden, während die Vorderseite, das Ganze der Bestre¬
bungen des großen Mannes symbolisch andeutend, die Wissenschaft,
von der dramatischen und lyrischen Poesie umgeben, uns vorführt.
Auf diesem, im Verhältnisse vielleicht nur etwas zu kleinen Posta¬
mente ragt die colossale Statue des Meisters selbst empor, einen
Kranz in der Linken, eine Rolle in der Rechten haltend, leicht ge¬
stützt auf einen von Neben umrankten Baumstamm, den Blick voll
Zuversicht und Festigkeit in die Ferne gerichtet, als wollte er Schö¬
nes weissagen für die Zukunft.

Wir begnügen uns mit diesen einfachen Angaben; die Ausstel¬
lungen, die sich vielleicht machen ließen, Andern in einer anderen
Zeit überlassend; ganz Frankfurt ist zu sehr begeistert von dem Ge¬
schenk, das mehrere reichere Mitbürger der Stadt gemacht haben, als
daß dieselben hier am Orte zu sein schienen.

Zu bedauern ist es aber doch, daß ein solches Werk der Stadt
geschenkt werden mußte, und daß nicht vielmehr der Staat selbst,
wie er einst dem früheren Bürger das verscherzte Bürgerrecht durch
ein Ehrendiplom wiedergab, auch diese letzte Huldigung ausführte.

So mußte man denn auch die Anordnungen, die das Comitv
für die Feier der Enthüllung getroffen, geduldig und ohne Wider¬
spruch hinnehmen; eine Erzählung mag jedoch nicht ohne Interesse


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[0295] man sich selbst gibt, denn als ein Bedürfniß zur Fortpflanzung eines großen Namens auf die Nachwelt betrachten. In dieser Beziehung scheint es uns ein sehr glücklicher Gedanke daß der Künstler die vorzüglichsten Schöpfungen des großen Dichters auf den vier Reliefs des Postamentes plastisch dargestellt; wir er¬ blicken hier Faust, den Höllenzwang öffnend und von dem mit einem Fuße im Feuer stehenden Mephisto inspirirt; daneben die sich eini¬ gende Gruppe von Iphigenie, Thoas und Orest; eine andere Seite stellt uns neben dem tränig liebenden Paare von Hermann und Dorothea die vielleicht etwas zu mädchenhaft gehaltene Mignon dar, neben dem ernsten Harfner, Beide von einem kunstschwärmenden Wil¬ helm behütet; die Hinterseite bringt in mannichfaltiger Gruppirung Egmont, Götz und Tasso, Erlkönig, Braut von Corinth, Prometheus u. s. w., welchen Schöpfungen von der Göttin des Sieges Kränze zugetheilt werden, während die Vorderseite, das Ganze der Bestre¬ bungen des großen Mannes symbolisch andeutend, die Wissenschaft, von der dramatischen und lyrischen Poesie umgeben, uns vorführt. Auf diesem, im Verhältnisse vielleicht nur etwas zu kleinen Posta¬ mente ragt die colossale Statue des Meisters selbst empor, einen Kranz in der Linken, eine Rolle in der Rechten haltend, leicht ge¬ stützt auf einen von Neben umrankten Baumstamm, den Blick voll Zuversicht und Festigkeit in die Ferne gerichtet, als wollte er Schö¬ nes weissagen für die Zukunft. Wir begnügen uns mit diesen einfachen Angaben; die Ausstel¬ lungen, die sich vielleicht machen ließen, Andern in einer anderen Zeit überlassend; ganz Frankfurt ist zu sehr begeistert von dem Ge¬ schenk, das mehrere reichere Mitbürger der Stadt gemacht haben, als daß dieselben hier am Orte zu sein schienen. Zu bedauern ist es aber doch, daß ein solches Werk der Stadt geschenkt werden mußte, und daß nicht vielmehr der Staat selbst, wie er einst dem früheren Bürger das verscherzte Bürgerrecht durch ein Ehrendiplom wiedergab, auch diese letzte Huldigung ausführte. So mußte man denn auch die Anordnungen, die das Comitv für die Feier der Enthüllung getroffen, geduldig und ohne Wider¬ spruch hinnehmen; eine Erzählung mag jedoch nicht ohne Interesse 37 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/295>, abgerufen am 01.09.2024.