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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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vor des Obersten Thüre, sich erkundigend nach dem Hause Göthe's.
Der wenig literarische Soldat antwortet barsch: Weiß nicht, hier
wohnt Herr von Schiller.

Man kann sich das Staunen des Engländers denken, der die
Wohnung des anderen Dichterfürsten der Deutschen zu finden glaubt,
indem er nach dem Geburtshause des einen forscht; denn es fällt
ihm nicht gleich ein, daß Schiller längst todt ist und daß neben dem
Dichter noch ein Oberst von Schiller eristiren kann.

Dergleichen Verwechselungen sind jetzt nicht mehr möglich; Oberst
von Schiller ist todt, das Geburtshaus Göthe's ist seit gestern mit
einer deutlichen Inschrift bezeichnet und die meisten Verehrer Göthe's
werden sich begnügen, das ebenfalls seit gestern enthüllte Standbild
des Dichters auf dem Alleeplatze in der Nähe des Theaters zum
Ziele ihrer Huldigung zu machen.

Dieses von Schwanthaler meisterhaft entworfene und herrlich
ausgeführte Denkmal entspricht in der That allen Erwartungen, die
man vernünftiger Weise an ein solches Werk machen konnte, und
zeichnet sich vornehmlich durch die Lebendigkeit der Auffassung, die
Leichtigkeit der Ausführung, die Grazie der Haltung und die Kraft
des Ausdruckes aus. Schade, daß der Künstler den großen Mann
in mehr vorgerücktem Alter dargestellt hat, in einem Zeitpunkte, wo
die Verehrung bei weiten" nicht mehr so allgemein war, als damals,
wo man nur den Dichter des Faust kannte und liebte und die Par-
teiungen noch nicht dazwischen getreten waren, um den für die Er¬
niedrigung des Vaterlandes gleichgiltigen Gelehrten, den aristokrati¬
schen Minister in weniger günstigem Lichte erscheinen zu lassen.

Das eben sowohl, als die Statue, in blendend strahlender
Bronze ausgeführte Postament ist mit vier Reliefs geschmückt oder
vielmehr aus ihnen gebildet, die wir in Beziehung auf Conception
sowohl, als auf Ausführung, vielleicht noch über die Bildsäule selbst
setzen möchten. Es war von jeher unsere Meinung und die vieler
Anderen, daß ein Dichter, wie Göthe, sich selbst mehr verewigt hat
durch seine Werke, als dies durch, welches Denkmal es auch sei,
jemals geschehen kann. Auch möchten wir die Errichtung eines sol¬
chen Monumentes mehr als einen Act der offen ausgesprochenen
Dankbarkeit, der Anerkennung des Verdienstes, der Genugthuung, die


vor des Obersten Thüre, sich erkundigend nach dem Hause Göthe's.
Der wenig literarische Soldat antwortet barsch: Weiß nicht, hier
wohnt Herr von Schiller.

Man kann sich das Staunen des Engländers denken, der die
Wohnung des anderen Dichterfürsten der Deutschen zu finden glaubt,
indem er nach dem Geburtshause des einen forscht; denn es fällt
ihm nicht gleich ein, daß Schiller längst todt ist und daß neben dem
Dichter noch ein Oberst von Schiller eristiren kann.

Dergleichen Verwechselungen sind jetzt nicht mehr möglich; Oberst
von Schiller ist todt, das Geburtshaus Göthe's ist seit gestern mit
einer deutlichen Inschrift bezeichnet und die meisten Verehrer Göthe's
werden sich begnügen, das ebenfalls seit gestern enthüllte Standbild
des Dichters auf dem Alleeplatze in der Nähe des Theaters zum
Ziele ihrer Huldigung zu machen.

Dieses von Schwanthaler meisterhaft entworfene und herrlich
ausgeführte Denkmal entspricht in der That allen Erwartungen, die
man vernünftiger Weise an ein solches Werk machen konnte, und
zeichnet sich vornehmlich durch die Lebendigkeit der Auffassung, die
Leichtigkeit der Ausführung, die Grazie der Haltung und die Kraft
des Ausdruckes aus. Schade, daß der Künstler den großen Mann
in mehr vorgerücktem Alter dargestellt hat, in einem Zeitpunkte, wo
die Verehrung bei weiten« nicht mehr so allgemein war, als damals,
wo man nur den Dichter des Faust kannte und liebte und die Par-
teiungen noch nicht dazwischen getreten waren, um den für die Er¬
niedrigung des Vaterlandes gleichgiltigen Gelehrten, den aristokrati¬
schen Minister in weniger günstigem Lichte erscheinen zu lassen.

Das eben sowohl, als die Statue, in blendend strahlender
Bronze ausgeführte Postament ist mit vier Reliefs geschmückt oder
vielmehr aus ihnen gebildet, die wir in Beziehung auf Conception
sowohl, als auf Ausführung, vielleicht noch über die Bildsäule selbst
setzen möchten. Es war von jeher unsere Meinung und die vieler
Anderen, daß ein Dichter, wie Göthe, sich selbst mehr verewigt hat
durch seine Werke, als dies durch, welches Denkmal es auch sei,
jemals geschehen kann. Auch möchten wir die Errichtung eines sol¬
chen Monumentes mehr als einen Act der offen ausgesprochenen
Dankbarkeit, der Anerkennung des Verdienstes, der Genugthuung, die


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[0294] vor des Obersten Thüre, sich erkundigend nach dem Hause Göthe's. Der wenig literarische Soldat antwortet barsch: Weiß nicht, hier wohnt Herr von Schiller. Man kann sich das Staunen des Engländers denken, der die Wohnung des anderen Dichterfürsten der Deutschen zu finden glaubt, indem er nach dem Geburtshause des einen forscht; denn es fällt ihm nicht gleich ein, daß Schiller längst todt ist und daß neben dem Dichter noch ein Oberst von Schiller eristiren kann. Dergleichen Verwechselungen sind jetzt nicht mehr möglich; Oberst von Schiller ist todt, das Geburtshaus Göthe's ist seit gestern mit einer deutlichen Inschrift bezeichnet und die meisten Verehrer Göthe's werden sich begnügen, das ebenfalls seit gestern enthüllte Standbild des Dichters auf dem Alleeplatze in der Nähe des Theaters zum Ziele ihrer Huldigung zu machen. Dieses von Schwanthaler meisterhaft entworfene und herrlich ausgeführte Denkmal entspricht in der That allen Erwartungen, die man vernünftiger Weise an ein solches Werk machen konnte, und zeichnet sich vornehmlich durch die Lebendigkeit der Auffassung, die Leichtigkeit der Ausführung, die Grazie der Haltung und die Kraft des Ausdruckes aus. Schade, daß der Künstler den großen Mann in mehr vorgerücktem Alter dargestellt hat, in einem Zeitpunkte, wo die Verehrung bei weiten« nicht mehr so allgemein war, als damals, wo man nur den Dichter des Faust kannte und liebte und die Par- teiungen noch nicht dazwischen getreten waren, um den für die Er¬ niedrigung des Vaterlandes gleichgiltigen Gelehrten, den aristokrati¬ schen Minister in weniger günstigem Lichte erscheinen zu lassen. Das eben sowohl, als die Statue, in blendend strahlender Bronze ausgeführte Postament ist mit vier Reliefs geschmückt oder vielmehr aus ihnen gebildet, die wir in Beziehung auf Conception sowohl, als auf Ausführung, vielleicht noch über die Bildsäule selbst setzen möchten. Es war von jeher unsere Meinung und die vieler Anderen, daß ein Dichter, wie Göthe, sich selbst mehr verewigt hat durch seine Werke, als dies durch, welches Denkmal es auch sei, jemals geschehen kann. Auch möchten wir die Errichtung eines sol¬ chen Monumentes mehr als einen Act der offen ausgesprochenen Dankbarkeit, der Anerkennung des Verdienstes, der Genugthuung, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/294>, abgerufen am 01.09.2024.