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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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der Wissenschaft gleichgellende Begriffe zu fein. O, über die vor¬
nehme Sucht unserer Schriftsteller, während unsere ältere classische
Literatur so ziemlich in Dach- und Hungerstübchen groß geworden
ist! Darf die Thierwelt des Bürgerthums nicht stolz sein und den
Nacken trotzig zurückwerfen? Waren unsere Heroen: Luther, Leibnitz,
, Kant, Fichte, Hegel, Göthe, Schiller, Lessing, Klopstock, Herder, Wie¬
land nicht sämmtlich von bürgerlicher Abstammung? Oder die Re¬
präsentanten der älteren und neueren deutschen Kunst: Dürer, Hol--
dein, Overbeck, Cornelius, Schmorr, Schadow, Heinrich Heß, Kaul¬
bach u. s. w.? Oder der Nvrdlandsrecke Thorwaldsen, oder Rauch
und Schwanthaler? Oder die Komponisten Händel, Gluck, Mozart,
Beethoven? Welche Gleichberechtigte hat denn in diesen Zweigen der
Kunst das Adelsthum den genannten bürgerlichen Niesen gegenüber^
zustellen, deren innerer Werth nicht dadurch erhöht weiden konnte,
daß zwischen den bürgerlichen Vor- und Zunamen Einiger das un¬
scheinbare Wörtchen von geschoben wurde? Es ist schlimm, daß un¬
wissenschaftliche Seitenbemerkungen, wie die oben citirte, in der Wi¬
derlegung zu einer, mir sonst verhaßten Einseitigkeit führen, außer¬
dem würde ich Euere ruhmwürdigen Alexander und Wilhelm von
Humboldt, Eueren Leopold von Buch und Graf von Platen, den
hochfreisinnigen Dichter und dahingeschiedenen edeln Freund des re¬
gierenden Königs von Baiern genannt haben; so aber wage ich die
Behauptung, daß, wenn uns die Arena so frei gegeben wäre, wie
Euch, aus. dem Schooße des deutschen Bürgerthums auch die grö߬
ten und dabei redlichsten Staatsmänner und Feldherren hervorgehen
würden; beispielsweise sei hier der frühere Schneidergeselle und spä¬
tere kurbrandenburgische Generalfeldmarschall Derfflinger ^) genannt.
Dies ist freilich wahr, daß Ihr die Früchte deS saueren bürgerlichen
Fleißes gut zuzubereiten und einzumachen wißt und daß, während
Euere feinere Bildung sich in duftreichen Gewürznägelein und Mus-
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War eines Landmanns Sohn, wandernder Schneidergeselle, dann ge¬
meiner Reiter, Oberster bei den Schweden, 165"" Sieger bei Warf-Hau,
in Aolge davon brandenburqischer Generallieutenant, 1670 Generalfeldmarschau,
1K75 Mitsteger bei Fehrbellin u. s. w. Bekannt ist die treffende Antwort,
welche er an den Herzog von Holstein-Beck richtete, als dieser von Derssim-
ger's Abkunft in unzarter Weise sprach: "Es ist wahr," sagte Derfflinger,
>nisi meine Eltern mich für die Elle bestimmten; doch die Vorsehung yarre
mich für den Degen bestimmt, und mit diesem verstehe ich alle dieiemgen ""
messen, die mich etwa beleidigen möchten."

der Wissenschaft gleichgellende Begriffe zu fein. O, über die vor¬
nehme Sucht unserer Schriftsteller, während unsere ältere classische
Literatur so ziemlich in Dach- und Hungerstübchen groß geworden
ist! Darf die Thierwelt des Bürgerthums nicht stolz sein und den
Nacken trotzig zurückwerfen? Waren unsere Heroen: Luther, Leibnitz,
, Kant, Fichte, Hegel, Göthe, Schiller, Lessing, Klopstock, Herder, Wie¬
land nicht sämmtlich von bürgerlicher Abstammung? Oder die Re¬
präsentanten der älteren und neueren deutschen Kunst: Dürer, Hol--
dein, Overbeck, Cornelius, Schmorr, Schadow, Heinrich Heß, Kaul¬
bach u. s. w.? Oder der Nvrdlandsrecke Thorwaldsen, oder Rauch
und Schwanthaler? Oder die Komponisten Händel, Gluck, Mozart,
Beethoven? Welche Gleichberechtigte hat denn in diesen Zweigen der
Kunst das Adelsthum den genannten bürgerlichen Niesen gegenüber^
zustellen, deren innerer Werth nicht dadurch erhöht weiden konnte,
daß zwischen den bürgerlichen Vor- und Zunamen Einiger das un¬
scheinbare Wörtchen von geschoben wurde? Es ist schlimm, daß un¬
wissenschaftliche Seitenbemerkungen, wie die oben citirte, in der Wi¬
derlegung zu einer, mir sonst verhaßten Einseitigkeit führen, außer¬
dem würde ich Euere ruhmwürdigen Alexander und Wilhelm von
Humboldt, Eueren Leopold von Buch und Graf von Platen, den
hochfreisinnigen Dichter und dahingeschiedenen edeln Freund des re¬
gierenden Königs von Baiern genannt haben; so aber wage ich die
Behauptung, daß, wenn uns die Arena so frei gegeben wäre, wie
Euch, aus. dem Schooße des deutschen Bürgerthums auch die grö߬
ten und dabei redlichsten Staatsmänner und Feldherren hervorgehen
würden; beispielsweise sei hier der frühere Schneidergeselle und spä¬
tere kurbrandenburgische Generalfeldmarschall Derfflinger ^) genannt.
Dies ist freilich wahr, daß Ihr die Früchte deS saueren bürgerlichen
Fleißes gut zuzubereiten und einzumachen wißt und daß, während
Euere feinere Bildung sich in duftreichen Gewürznägelein und Mus-
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War eines Landmanns Sohn, wandernder Schneidergeselle, dann ge¬
meiner Reiter, Oberster bei den Schweden, 165»« Sieger bei Warf-Hau,
in Aolge davon brandenburqischer Generallieutenant, 1670 Generalfeldmarschau,
1K75 Mitsteger bei Fehrbellin u. s. w. Bekannt ist die treffende Antwort,
welche er an den Herzog von Holstein-Beck richtete, als dieser von Derssim-
ger's Abkunft in unzarter Weise sprach: „Es ist wahr," sagte Derfflinger,
>nisi meine Eltern mich für die Elle bestimmten; doch die Vorsehung yarre
mich für den Degen bestimmt, und mit diesem verstehe ich alle dieiemgen «"
messen, die mich etwa beleidigen möchten."
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[0264] der Wissenschaft gleichgellende Begriffe zu fein. O, über die vor¬ nehme Sucht unserer Schriftsteller, während unsere ältere classische Literatur so ziemlich in Dach- und Hungerstübchen groß geworden ist! Darf die Thierwelt des Bürgerthums nicht stolz sein und den Nacken trotzig zurückwerfen? Waren unsere Heroen: Luther, Leibnitz, , Kant, Fichte, Hegel, Göthe, Schiller, Lessing, Klopstock, Herder, Wie¬ land nicht sämmtlich von bürgerlicher Abstammung? Oder die Re¬ präsentanten der älteren und neueren deutschen Kunst: Dürer, Hol-- dein, Overbeck, Cornelius, Schmorr, Schadow, Heinrich Heß, Kaul¬ bach u. s. w.? Oder der Nvrdlandsrecke Thorwaldsen, oder Rauch und Schwanthaler? Oder die Komponisten Händel, Gluck, Mozart, Beethoven? Welche Gleichberechtigte hat denn in diesen Zweigen der Kunst das Adelsthum den genannten bürgerlichen Niesen gegenüber^ zustellen, deren innerer Werth nicht dadurch erhöht weiden konnte, daß zwischen den bürgerlichen Vor- und Zunamen Einiger das un¬ scheinbare Wörtchen von geschoben wurde? Es ist schlimm, daß un¬ wissenschaftliche Seitenbemerkungen, wie die oben citirte, in der Wi¬ derlegung zu einer, mir sonst verhaßten Einseitigkeit führen, außer¬ dem würde ich Euere ruhmwürdigen Alexander und Wilhelm von Humboldt, Eueren Leopold von Buch und Graf von Platen, den hochfreisinnigen Dichter und dahingeschiedenen edeln Freund des re¬ gierenden Königs von Baiern genannt haben; so aber wage ich die Behauptung, daß, wenn uns die Arena so frei gegeben wäre, wie Euch, aus. dem Schooße des deutschen Bürgerthums auch die grö߬ ten und dabei redlichsten Staatsmänner und Feldherren hervorgehen würden; beispielsweise sei hier der frühere Schneidergeselle und spä¬ tere kurbrandenburgische Generalfeldmarschall Derfflinger ^) genannt. Dies ist freilich wahr, daß Ihr die Früchte deS saueren bürgerlichen Fleißes gut zuzubereiten und einzumachen wißt und daß, während Euere feinere Bildung sich in duftreichen Gewürznägelein und Mus- -- ..'..,»-zc-- War eines Landmanns Sohn, wandernder Schneidergeselle, dann ge¬ meiner Reiter, Oberster bei den Schweden, 165»« Sieger bei Warf-Hau, in Aolge davon brandenburqischer Generallieutenant, 1670 Generalfeldmarschau, 1K75 Mitsteger bei Fehrbellin u. s. w. Bekannt ist die treffende Antwort, welche er an den Herzog von Holstein-Beck richtete, als dieser von Derssim- ger's Abkunft in unzarter Weise sprach: „Es ist wahr," sagte Derfflinger, >nisi meine Eltern mich für die Elle bestimmten; doch die Vorsehung yarre mich für den Degen bestimmt, und mit diesem verstehe ich alle dieiemgen «" messen, die mich etwa beleidigen möchten."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/264>, abgerufen am 27.07.2024.