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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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spann sich ein kurzer heißer Kampf. Gegen zehn Dänen vertheidigte
sich der König voll Tapferkeit, allein sie überwältigten ihn, und Mag-
nus ließ ihm ohne Zögern den Kopf abschlagen. Auf der Stelle,
wo sein Blut floß, sprang augenblicklich ein klarer Brunnen aus der
Erde, und das ist eben die Sanct Erik's Quelle. -- Kann man aus
dieser Historie überhaupt eine Moral ziehen, so lautet sie: Könige
müssen nicht zu viel in der Kirche sein!

Unser Weg führte jetzt nach dem botanischen Garten, wo Linnv,
der Treffliche, gewebt und gewaltet hat. Am Fuße des Schloßhügelö
dehnt er sich aus, und hohe Tarushecken umziehen seine Gänge mit
grünen Mauern. Aber ach! wie ist der Glanz dieses Gartens ge¬
sunken, seit Linnv'ö Blick ihn mit Stolz betrachtete, seit er dessen
Beschreibung unter dem Titel: "Uortus llpsiül"^,"" herausgab.
Ich weiß nicht, hat man wirklich die schönen seltenen Tropenblüthen
verkümmern lassen, oder ist auch damals der Garten nicht reicher ge¬
wesen? Im letzteren Falle wäre es also nur der Stillstand, der ihn
so ärmlich macht. Ja, ja! Hundert Jahre fegten seitdem im rau¬
schenden Fluge über den Erdkreis, und was sich dem Sturm der
Zeit verschloß, mußte versumpfen, vermodern. Geht doch selbst ein
einzelner Mensch bei lebendigem Leibe in Fäulniß über, der voll
dummer Genügsamkeit oder voll dummen Hochmuths stille steht und
nicht unablässig mitschreitet mit den rollenden Stunden und Jahren.
Schrecklich ist der Anblick einer solchen Leiche, die noch ißt und trinkt
und spazieren geht, aber es gibt deren nur zu viele in der Welt.

Nun, Linnv gehörte sicher nicht zu den stagnirenden Geschöpfen.
Er sah jeden Tag die Natur mit Hellem, klugem Auge an, und wer
das thut, bleibt ewig jung und frisch. Sie haben hierin, botanischen
Hörsaal seine Statue aufgestellt. Bvström hat dieselbe gearbeitet, und
das Antlitz des Forschers ist eben so gelungen als seine Stellung.
Sinnend liest er in einem Buch voll Blüthen -- d. h. im blühen¬
den Buche der Natur. Schweden ist stolz auf seinen Linnv, und es
hat ein Recht dazu, denn wunderbar genug mußte gerade hier im
Norden, wo keine üppige Blumenpracht vom blauen, feurigen Him¬
mel auf die Erde niederfällt, der Mann aufstehen, der berufen war,
alle Bäume, Sträucher, Pflanzen und Moose zu einem systematischen
Staat zu ordnen.

Als wir aus dem Pflanzengarten kamen, war die Sonne be-


spann sich ein kurzer heißer Kampf. Gegen zehn Dänen vertheidigte
sich der König voll Tapferkeit, allein sie überwältigten ihn, und Mag-
nus ließ ihm ohne Zögern den Kopf abschlagen. Auf der Stelle,
wo sein Blut floß, sprang augenblicklich ein klarer Brunnen aus der
Erde, und das ist eben die Sanct Erik's Quelle. — Kann man aus
dieser Historie überhaupt eine Moral ziehen, so lautet sie: Könige
müssen nicht zu viel in der Kirche sein!

Unser Weg führte jetzt nach dem botanischen Garten, wo Linnv,
der Treffliche, gewebt und gewaltet hat. Am Fuße des Schloßhügelö
dehnt er sich aus, und hohe Tarushecken umziehen seine Gänge mit
grünen Mauern. Aber ach! wie ist der Glanz dieses Gartens ge¬
sunken, seit Linnv'ö Blick ihn mit Stolz betrachtete, seit er dessen
Beschreibung unter dem Titel: „Uortus llpsiül«^,«" herausgab.
Ich weiß nicht, hat man wirklich die schönen seltenen Tropenblüthen
verkümmern lassen, oder ist auch damals der Garten nicht reicher ge¬
wesen? Im letzteren Falle wäre es also nur der Stillstand, der ihn
so ärmlich macht. Ja, ja! Hundert Jahre fegten seitdem im rau¬
schenden Fluge über den Erdkreis, und was sich dem Sturm der
Zeit verschloß, mußte versumpfen, vermodern. Geht doch selbst ein
einzelner Mensch bei lebendigem Leibe in Fäulniß über, der voll
dummer Genügsamkeit oder voll dummen Hochmuths stille steht und
nicht unablässig mitschreitet mit den rollenden Stunden und Jahren.
Schrecklich ist der Anblick einer solchen Leiche, die noch ißt und trinkt
und spazieren geht, aber es gibt deren nur zu viele in der Welt.

Nun, Linnv gehörte sicher nicht zu den stagnirenden Geschöpfen.
Er sah jeden Tag die Natur mit Hellem, klugem Auge an, und wer
das thut, bleibt ewig jung und frisch. Sie haben hierin, botanischen
Hörsaal seine Statue aufgestellt. Bvström hat dieselbe gearbeitet, und
das Antlitz des Forschers ist eben so gelungen als seine Stellung.
Sinnend liest er in einem Buch voll Blüthen — d. h. im blühen¬
den Buche der Natur. Schweden ist stolz auf seinen Linnv, und es
hat ein Recht dazu, denn wunderbar genug mußte gerade hier im
Norden, wo keine üppige Blumenpracht vom blauen, feurigen Him¬
mel auf die Erde niederfällt, der Mann aufstehen, der berufen war,
alle Bäume, Sträucher, Pflanzen und Moose zu einem systematischen
Staat zu ordnen.

Als wir aus dem Pflanzengarten kamen, war die Sonne be-


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[0254] spann sich ein kurzer heißer Kampf. Gegen zehn Dänen vertheidigte sich der König voll Tapferkeit, allein sie überwältigten ihn, und Mag- nus ließ ihm ohne Zögern den Kopf abschlagen. Auf der Stelle, wo sein Blut floß, sprang augenblicklich ein klarer Brunnen aus der Erde, und das ist eben die Sanct Erik's Quelle. — Kann man aus dieser Historie überhaupt eine Moral ziehen, so lautet sie: Könige müssen nicht zu viel in der Kirche sein! Unser Weg führte jetzt nach dem botanischen Garten, wo Linnv, der Treffliche, gewebt und gewaltet hat. Am Fuße des Schloßhügelö dehnt er sich aus, und hohe Tarushecken umziehen seine Gänge mit grünen Mauern. Aber ach! wie ist der Glanz dieses Gartens ge¬ sunken, seit Linnv'ö Blick ihn mit Stolz betrachtete, seit er dessen Beschreibung unter dem Titel: „Uortus llpsiül«^,«" herausgab. Ich weiß nicht, hat man wirklich die schönen seltenen Tropenblüthen verkümmern lassen, oder ist auch damals der Garten nicht reicher ge¬ wesen? Im letzteren Falle wäre es also nur der Stillstand, der ihn so ärmlich macht. Ja, ja! Hundert Jahre fegten seitdem im rau¬ schenden Fluge über den Erdkreis, und was sich dem Sturm der Zeit verschloß, mußte versumpfen, vermodern. Geht doch selbst ein einzelner Mensch bei lebendigem Leibe in Fäulniß über, der voll dummer Genügsamkeit oder voll dummen Hochmuths stille steht und nicht unablässig mitschreitet mit den rollenden Stunden und Jahren. Schrecklich ist der Anblick einer solchen Leiche, die noch ißt und trinkt und spazieren geht, aber es gibt deren nur zu viele in der Welt. Nun, Linnv gehörte sicher nicht zu den stagnirenden Geschöpfen. Er sah jeden Tag die Natur mit Hellem, klugem Auge an, und wer das thut, bleibt ewig jung und frisch. Sie haben hierin, botanischen Hörsaal seine Statue aufgestellt. Bvström hat dieselbe gearbeitet, und das Antlitz des Forschers ist eben so gelungen als seine Stellung. Sinnend liest er in einem Buch voll Blüthen — d. h. im blühen¬ den Buche der Natur. Schweden ist stolz auf seinen Linnv, und es hat ein Recht dazu, denn wunderbar genug mußte gerade hier im Norden, wo keine üppige Blumenpracht vom blauen, feurigen Him¬ mel auf die Erde niederfällt, der Mann aufstehen, der berufen war, alle Bäume, Sträucher, Pflanzen und Moose zu einem systematischen Staat zu ordnen. Als wir aus dem Pflanzengarten kamen, war die Sonne be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/254>, abgerufen am 27.07.2024.