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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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schen Lila und Violett schimmert, mit Silber geschrieben, doch gehen
zuweilen auch goldene Zeilen hindurch.

Deutschlands schönste Manuscripte sind entfernt: der vvijox ar-
Aentüms liegt in Upsala, die Mcmesse in Paris. Unverantwortlich
bleibt es, daß man die letztere nicht zur gehörigen Zeit wiedergefor¬
dert hat, und auch Schweden würde den Coder willig ausgeliefert
haben -- man hätte ihm ja nur sein Finnland dafür zurückgeben
dürfen.

Von der Bibliothek gingen wir nach dem Dom, der berühmte¬
sten und ausgezeichnetsten Kirche Schwedens. Derselbe ist im reinen
gothischen Styl von Backsteinen erbaut, doch hat er, sowohl außen
als innen, sehr viel vom Feuer leiden müssen. Die Thürme sind
wohl um die Hälfte erniedrigt, und man hat tempelförmige Glocken¬
stühle von Holz, mit Blech beschlagen, darauf gestülpt, wodurch dem
edeln Gebäude, ganz ungeziemend, etwas Steifes, Gedrechseltes bei¬
gebracht wurde. Im Innern steigt das Schiff hoch und schlank
empor; Gemälde, Marmor und Bronze fehlen aber, und bunt ange¬
strichenes Holz ist ein unerfreuliches Surrogat. Neu und sauber er¬
scheint dagegen die Wasa-Kapelle hinter dem Hochaltar, und Land-
bergsche Fresken, Lebensbilder des großen Königs darstellend, schmük-
ken ihre Wände; nur muß man bedauern, daß auch in ihnen der
eisige Ton schwedischer Malereien herrscht.

Des Domes Merkwürdigkeiten sind kalt und schaal. Ein altes
Stück Holz, an dem man allenfalls eilt plumpes, bärtiges Gesicht
erkennt, soll das Ueberbleibsel einer Bildsäule deö Gottes Thor sein.
Im großen, doppelten Silberkasten liegen die Gebeine Erik's des Hei¬
ligen, und noch vor einigen Jahrzehenden trug man dieselben alle
Frühlinge über die Felder, um sie fruchtbar zu machen. Draußen
beim Dome sieht man die Se. Erik's Quelle; Helles Wasser rieselt
aus dem Brunnenhäuschen Hervor, und die Sage erzählt davon: ES
war im Jahre II6", als der fromme Fürst in der Kirche saß. Da
kamen seine Diener athemlos und brachten ihm die Nachricht, der
Dänenprinz Magnus Henrikson, der sich die Krone Schwedens er¬
ringen wollte, sei mit starker Macht durch den Mälar gesegelt und
nahe jetzt der Stadt. Aber Erik antwortete: Laßt mich erst die
Messe zu Ende hören! und er blieb im Dom. Als er denselben
endlich verließ, war Magnus bereits herangedrungen, und es ent-


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schen Lila und Violett schimmert, mit Silber geschrieben, doch gehen
zuweilen auch goldene Zeilen hindurch.

Deutschlands schönste Manuscripte sind entfernt: der vvijox ar-
Aentüms liegt in Upsala, die Mcmesse in Paris. Unverantwortlich
bleibt es, daß man die letztere nicht zur gehörigen Zeit wiedergefor¬
dert hat, und auch Schweden würde den Coder willig ausgeliefert
haben — man hätte ihm ja nur sein Finnland dafür zurückgeben
dürfen.

Von der Bibliothek gingen wir nach dem Dom, der berühmte¬
sten und ausgezeichnetsten Kirche Schwedens. Derselbe ist im reinen
gothischen Styl von Backsteinen erbaut, doch hat er, sowohl außen
als innen, sehr viel vom Feuer leiden müssen. Die Thürme sind
wohl um die Hälfte erniedrigt, und man hat tempelförmige Glocken¬
stühle von Holz, mit Blech beschlagen, darauf gestülpt, wodurch dem
edeln Gebäude, ganz ungeziemend, etwas Steifes, Gedrechseltes bei¬
gebracht wurde. Im Innern steigt das Schiff hoch und schlank
empor; Gemälde, Marmor und Bronze fehlen aber, und bunt ange¬
strichenes Holz ist ein unerfreuliches Surrogat. Neu und sauber er¬
scheint dagegen die Wasa-Kapelle hinter dem Hochaltar, und Land-
bergsche Fresken, Lebensbilder des großen Königs darstellend, schmük-
ken ihre Wände; nur muß man bedauern, daß auch in ihnen der
eisige Ton schwedischer Malereien herrscht.

Des Domes Merkwürdigkeiten sind kalt und schaal. Ein altes
Stück Holz, an dem man allenfalls eilt plumpes, bärtiges Gesicht
erkennt, soll das Ueberbleibsel einer Bildsäule deö Gottes Thor sein.
Im großen, doppelten Silberkasten liegen die Gebeine Erik's des Hei¬
ligen, und noch vor einigen Jahrzehenden trug man dieselben alle
Frühlinge über die Felder, um sie fruchtbar zu machen. Draußen
beim Dome sieht man die Se. Erik's Quelle; Helles Wasser rieselt
aus dem Brunnenhäuschen Hervor, und die Sage erzählt davon: ES
war im Jahre II6», als der fromme Fürst in der Kirche saß. Da
kamen seine Diener athemlos und brachten ihm die Nachricht, der
Dänenprinz Magnus Henrikson, der sich die Krone Schwedens er¬
ringen wollte, sei mit starker Macht durch den Mälar gesegelt und
nahe jetzt der Stadt. Aber Erik antwortete: Laßt mich erst die
Messe zu Ende hören! und er blieb im Dom. Als er denselben
endlich verließ, war Magnus bereits herangedrungen, und es ent-


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[0253] schen Lila und Violett schimmert, mit Silber geschrieben, doch gehen zuweilen auch goldene Zeilen hindurch. Deutschlands schönste Manuscripte sind entfernt: der vvijox ar- Aentüms liegt in Upsala, die Mcmesse in Paris. Unverantwortlich bleibt es, daß man die letztere nicht zur gehörigen Zeit wiedergefor¬ dert hat, und auch Schweden würde den Coder willig ausgeliefert haben — man hätte ihm ja nur sein Finnland dafür zurückgeben dürfen. Von der Bibliothek gingen wir nach dem Dom, der berühmte¬ sten und ausgezeichnetsten Kirche Schwedens. Derselbe ist im reinen gothischen Styl von Backsteinen erbaut, doch hat er, sowohl außen als innen, sehr viel vom Feuer leiden müssen. Die Thürme sind wohl um die Hälfte erniedrigt, und man hat tempelförmige Glocken¬ stühle von Holz, mit Blech beschlagen, darauf gestülpt, wodurch dem edeln Gebäude, ganz ungeziemend, etwas Steifes, Gedrechseltes bei¬ gebracht wurde. Im Innern steigt das Schiff hoch und schlank empor; Gemälde, Marmor und Bronze fehlen aber, und bunt ange¬ strichenes Holz ist ein unerfreuliches Surrogat. Neu und sauber er¬ scheint dagegen die Wasa-Kapelle hinter dem Hochaltar, und Land- bergsche Fresken, Lebensbilder des großen Königs darstellend, schmük- ken ihre Wände; nur muß man bedauern, daß auch in ihnen der eisige Ton schwedischer Malereien herrscht. Des Domes Merkwürdigkeiten sind kalt und schaal. Ein altes Stück Holz, an dem man allenfalls eilt plumpes, bärtiges Gesicht erkennt, soll das Ueberbleibsel einer Bildsäule deö Gottes Thor sein. Im großen, doppelten Silberkasten liegen die Gebeine Erik's des Hei¬ ligen, und noch vor einigen Jahrzehenden trug man dieselben alle Frühlinge über die Felder, um sie fruchtbar zu machen. Draußen beim Dome sieht man die Se. Erik's Quelle; Helles Wasser rieselt aus dem Brunnenhäuschen Hervor, und die Sage erzählt davon: ES war im Jahre II6», als der fromme Fürst in der Kirche saß. Da kamen seine Diener athemlos und brachten ihm die Nachricht, der Dänenprinz Magnus Henrikson, der sich die Krone Schwedens er¬ ringen wollte, sei mit starker Macht durch den Mälar gesegelt und nahe jetzt der Stadt. Aber Erik antwortete: Laßt mich erst die Messe zu Ende hören! und er blieb im Dom. Als er denselben endlich verließ, war Magnus bereits herangedrungen, und es ent- Grcnztwtcn U. «2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/253>, abgerufen am 27.07.2024.