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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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schändliche Frechheit! -- jeder Teich, jeder Bach malte ihre ganze
Unschönheit deutlich in seinen Wellen ab. Da eilten die Leute em¬
pört nach Hause und klagten das dem Spiegelaufseher. Der aber
zuckte die Achseln und sprach: Meine Herren! Künstliche Gläser kann
ich wohl zerbrechen, doch über Bäche und Teiche habe ich keine Macht!--

-- Haben Sie mich verstanden? fragte ich den Norweger, als
ich zum Schlüsse gelangt war.

-- Vollkommen! erwiederte derselbe.

-- Das ist mir lieb!

Am linken Seeufer tauchte jetzt Skokloster empor, mit einer klei¬
nen Kirche einsam im Baumschatten liegend. Die Architectur ist
nicht ausgezeichnet; der gothische Styl nähert sich dem französischen
Puder bereits. Ein colossales Quadrat von lichtweißer Farbe, dazu
viereckige Fenster und ein graues Schieferdach, an jeder Ecke ein
achtkantiger Thurm -- dergleichen ist sonst nicht geeignet, einen be¬
sonderen Eindruck hervorzurufen. Aber hier, in dieser tiefen Fels-
und Welleneinsamkeit, fühlt man sich lebhaft von dem breiten und
klösterlichen Schlosse angezogen. Sko bedeutet Wald, und der Name
paßt gut, denn ringsum sieht man, außer Granit und Wasser, nur
stillen, geheimnißvollen Wald, und die schneeigen Conturen des Ge¬
bäudes schneiden sich sehr bestimmt auf seiner bläulich grünen Unter¬
lage ab. -- Jetzt gehört es der Familie Brahe; Nicodemus Tessin,
der ältere, hat es erbaut, und Wrangel, Gustav Adolph's berühmter
Feldherr, stapelte darin viele Merkwürdigkeiten auf. Die letzteren sah
ich später noch mit Muße. Es sind tausenderlei, bald interessante,
bald gleichgiltige Dinge, die Wrangel auf seinem Zuge durch Deutsch¬
land hier oder da gefunden und -- mitgenommen hat. Er brachte
sie alle hierher und bildete sich ein Museum, eine Curiositätensamm-
lung daraus. -- Skokloster ist als sein Reife-Album zu betrachten.

Bei einer Brücke verließen wir den Mälar und bogen in den
Fyris-Fluß ein. Die Berge treten weiter in's Land zurück; saftig
frische Wiesen mit ärmlichen Bretterhütten, Wälder von Schilf, aus
denen unzählbare Schwärme wilder Enten aufflattern, Hünenhügel,
malerische Hütten unter uralten Eichen, schöne Eichenkampe und Land¬
häuser -- das sind nun die Hauptmomente der Uferlandschaften.
Zur Rechten erschien, sich an eine Höhe lehnend, das Dorf Niort,


schändliche Frechheit! — jeder Teich, jeder Bach malte ihre ganze
Unschönheit deutlich in seinen Wellen ab. Da eilten die Leute em¬
pört nach Hause und klagten das dem Spiegelaufseher. Der aber
zuckte die Achseln und sprach: Meine Herren! Künstliche Gläser kann
ich wohl zerbrechen, doch über Bäche und Teiche habe ich keine Macht!—

— Haben Sie mich verstanden? fragte ich den Norweger, als
ich zum Schlüsse gelangt war.

— Vollkommen! erwiederte derselbe.

— Das ist mir lieb!

Am linken Seeufer tauchte jetzt Skokloster empor, mit einer klei¬
nen Kirche einsam im Baumschatten liegend. Die Architectur ist
nicht ausgezeichnet; der gothische Styl nähert sich dem französischen
Puder bereits. Ein colossales Quadrat von lichtweißer Farbe, dazu
viereckige Fenster und ein graues Schieferdach, an jeder Ecke ein
achtkantiger Thurm — dergleichen ist sonst nicht geeignet, einen be¬
sonderen Eindruck hervorzurufen. Aber hier, in dieser tiefen Fels-
und Welleneinsamkeit, fühlt man sich lebhaft von dem breiten und
klösterlichen Schlosse angezogen. Sko bedeutet Wald, und der Name
paßt gut, denn ringsum sieht man, außer Granit und Wasser, nur
stillen, geheimnißvollen Wald, und die schneeigen Conturen des Ge¬
bäudes schneiden sich sehr bestimmt auf seiner bläulich grünen Unter¬
lage ab. — Jetzt gehört es der Familie Brahe; Nicodemus Tessin,
der ältere, hat es erbaut, und Wrangel, Gustav Adolph's berühmter
Feldherr, stapelte darin viele Merkwürdigkeiten auf. Die letzteren sah
ich später noch mit Muße. Es sind tausenderlei, bald interessante,
bald gleichgiltige Dinge, die Wrangel auf seinem Zuge durch Deutsch¬
land hier oder da gefunden und — mitgenommen hat. Er brachte
sie alle hierher und bildete sich ein Museum, eine Curiositätensamm-
lung daraus. — Skokloster ist als sein Reife-Album zu betrachten.

Bei einer Brücke verließen wir den Mälar und bogen in den
Fyris-Fluß ein. Die Berge treten weiter in's Land zurück; saftig
frische Wiesen mit ärmlichen Bretterhütten, Wälder von Schilf, aus
denen unzählbare Schwärme wilder Enten aufflattern, Hünenhügel,
malerische Hütten unter uralten Eichen, schöne Eichenkampe und Land¬
häuser — das sind nun die Hauptmomente der Uferlandschaften.
Zur Rechten erschien, sich an eine Höhe lehnend, das Dorf Niort,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/250>, abgerufen am 28.07.2024.