Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.Judith zwei Aufführungen erlebt hat, oder drei; mehr sind es gewiß "Was hilft Euch Schönheit, junges Blut! "Das ist wohl Alles schön und gut; "Allein man läßt's auch Alles sein, "Man lobt Euch halb mit Erbarmen. ,,Am Flittergolde hängt, "Nach Flittergolde drängt Ich fühlte mich bald wehmüthig, bald zornig, als sähe ich mein ei¬ Judith zwei Aufführungen erlebt hat, oder drei; mehr sind es gewiß „Was hilft Euch Schönheit, junges Blut! „Das ist wohl Alles schön und gut; „Allein man läßt's auch Alles sein, „Man lobt Euch halb mit Erbarmen. ,,Am Flittergolde hängt, „Nach Flittergolde drängt Ich fühlte mich bald wehmüthig, bald zornig, als sähe ich mein ei¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181207"/> <p xml:id="ID_33" prev="#ID_32"> Judith zwei Aufführungen erlebt hat, oder drei; mehr sind es gewiß<lb/> nicht gewesen. Das Publicum stierte darauf hin, man kann sagen,<lb/> erschrocken, wie Göthe, als er zum ersten Male weibliche Schönheit<lb/> in ihrer nackten Herrlichkeit erblickte, ohne doch, wie dieser, vom Schreck<lb/> zu freudigem Erstaunen überzugehen. Ich erinnere mich, eine Stimme<lb/> im Parquet gehört zu haben, die noch nie so albernes Zeug gesehen<lb/> haben wollte. Diese Stimme stammte nun freilich nicht vom Geiste,<lb/> aber eine gescheidtere ließ sich doch nicht hören. Und die Kritik, die<lb/> da hätte vermitteln, aufklären, berichtigen, gut machen sollen — wenn<lb/> Hebbel deren Stimme vernommen hat, so kann er mit Gretchen<lb/> seufzen:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_2" type="poem"> <l> „Was hilft Euch Schönheit, junges Blut!<lb/><lb/> „Das ist wohl Alles schön und gut;<lb/><lb/> „Allein man läßt's auch Alles sein,<lb/> „Man lobt Euch halb mit Erbarmen.<lb/><lb/> ,,Am Flittergolde hängt,<lb/> „Nach Flittergolde drängt<lb/></l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_34" next="#ID_35"> Ich fühlte mich bald wehmüthig, bald zornig, als sähe ich mein ei¬<lb/> genes Kind ersticken in dieser geistesleeren Atmosphäre. Jetzt hat man<lb/> den Dichter schon mehr erkannt, da er gedruckt ist, und die Buch¬<lb/> kritiker die Sache doch besser verstehen, als die eigentlichen Coulissen¬<lb/> recensenten — von denen wir jetzt absehen, um uns noch einen Au¬<lb/> genblick an die Bühnenvorsteher selbst zu wenden. Ihr Herren, die<lb/> Ihr die Bretter, die die Welt bedeuten, mehr oder minder allmächtig<lb/> beherrscht, nehmt die junge Muse in Eueren Tempel auf, verschließt<lb/> nicht vaterländischen Producten den Markt, den Ihr fremden Waaren<lb/> so bereitwillig öffnet, hegt und pflegt die neuen Sprößlinge mit Ei¬<lb/> fer und Energie und bannt lieber die Gespenster, die Ihr doch nicht<lb/> verkörpern könnt; denn der Bühne heiliger Boden soll kein Tummel¬<lb/> platz für Larven sein. Rafft alle Euere Kräfte zusammen, reißt durch<lb/> eigenen Feuereifer Euer Personal zu gleicher Theilnahme, zu raschem<lb/> Wirken fort, haltet nicht hin, was frisch genossen sein will, wie der<lb/> Schaum des Champagners, lasset den edelsten Duft der Blumen nicht<lb/> verfliegen, die gepflückt sind aus dem Garten der Zeit. Werdet nicht<lb/> matt und scheu, wenn viele Versuche mißglücken, rüstige Kraft macht<lb/> eine Schlappe bald wieder gut durch glänzende Siege, denkt auch<lb/> nicht , daß der Erfolg geknüpft sei an Pomp und Pracht, führt im</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0023]
Judith zwei Aufführungen erlebt hat, oder drei; mehr sind es gewiß
nicht gewesen. Das Publicum stierte darauf hin, man kann sagen,
erschrocken, wie Göthe, als er zum ersten Male weibliche Schönheit
in ihrer nackten Herrlichkeit erblickte, ohne doch, wie dieser, vom Schreck
zu freudigem Erstaunen überzugehen. Ich erinnere mich, eine Stimme
im Parquet gehört zu haben, die noch nie so albernes Zeug gesehen
haben wollte. Diese Stimme stammte nun freilich nicht vom Geiste,
aber eine gescheidtere ließ sich doch nicht hören. Und die Kritik, die
da hätte vermitteln, aufklären, berichtigen, gut machen sollen — wenn
Hebbel deren Stimme vernommen hat, so kann er mit Gretchen
seufzen:
„Was hilft Euch Schönheit, junges Blut!
„Das ist wohl Alles schön und gut;
„Allein man läßt's auch Alles sein,
„Man lobt Euch halb mit Erbarmen.
,,Am Flittergolde hängt,
„Nach Flittergolde drängt
Ich fühlte mich bald wehmüthig, bald zornig, als sähe ich mein ei¬
genes Kind ersticken in dieser geistesleeren Atmosphäre. Jetzt hat man
den Dichter schon mehr erkannt, da er gedruckt ist, und die Buch¬
kritiker die Sache doch besser verstehen, als die eigentlichen Coulissen¬
recensenten — von denen wir jetzt absehen, um uns noch einen Au¬
genblick an die Bühnenvorsteher selbst zu wenden. Ihr Herren, die
Ihr die Bretter, die die Welt bedeuten, mehr oder minder allmächtig
beherrscht, nehmt die junge Muse in Eueren Tempel auf, verschließt
nicht vaterländischen Producten den Markt, den Ihr fremden Waaren
so bereitwillig öffnet, hegt und pflegt die neuen Sprößlinge mit Ei¬
fer und Energie und bannt lieber die Gespenster, die Ihr doch nicht
verkörpern könnt; denn der Bühne heiliger Boden soll kein Tummel¬
platz für Larven sein. Rafft alle Euere Kräfte zusammen, reißt durch
eigenen Feuereifer Euer Personal zu gleicher Theilnahme, zu raschem
Wirken fort, haltet nicht hin, was frisch genossen sein will, wie der
Schaum des Champagners, lasset den edelsten Duft der Blumen nicht
verfliegen, die gepflückt sind aus dem Garten der Zeit. Werdet nicht
matt und scheu, wenn viele Versuche mißglücken, rüstige Kraft macht
eine Schlappe bald wieder gut durch glänzende Siege, denkt auch
nicht , daß der Erfolg geknüpft sei an Pomp und Pracht, führt im
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