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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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kath aber vernichtet jede Concurrenz, und sie ist dann weiter Nichts als
eine elende Galgenfrist vor dem Untergange gewesen.

Dem denkenden Beobachter ist die Industrie - Allsstellung
nur. ein Beweis, wie tief sich das Concurrenzprin-
cip in das deutsche Gewerbeleben hineingefressen
hat und wie rasch dasselbe der Erfüllung seiner
grausamsten Consequenzen entgegeneile. Wie beschei¬
den und demüthig verstecken sich die Arbeiten kleiner Handwerker
in den Winkeln des Zeughauses, während die großer Fabriken die
Bewunderung Aller gewinnen. Die Concurrenz hat den kleinen
Handwerker bereits vernichtet. Die Industrieausstellung ist ein gro¬
ßer Triumph des Fabrikmonopols über das bescheidene, selbständige
Handwerkerthum, sie ist das Schlachtfeld, auf dem die Gewalt des
Capitals als übermüthiger Sieger einherschreitet und das bescheidene
Mittelstandsstreben sich vollkommen besiegt erklärt. Und, demunge-
achtet schwatzen die Zeitungscorrespondenten von der friedlichen Ent¬
wicklung Preußens, und wie Mercur in den Tempel des Mars ein¬
gezogen!

Es ist eine alte Klage, daß die Concurrenz, ganz wie die Feu¬
dalzeit, die Menschen in zwei Theile sondern will, in Reiche und
Arme. Der Mittelstand muß Proletarier werden, er mag sich sträu¬
ben wie er will, über ihm schwebt das Monopol der großen Kapi¬
talisten. Aber eS kann sich Jeder, wo er will, seine Erwerbsquellen
suchen! Er wird durch keine Privilegien, durch keine Casten und
Zünfte in der Verfolgung seiner Interessen gehindert! Gut! Sehr
gut! Der Staat macht jUnmittelbar keine Monopole geltend, aber
er schützt den reichen Fabrikanten mit seinen Millionen der hungern¬
den Armuth gegenüber. Diese Millionen setzen sich in Bewegung,
sie fangen an, alle Gewerbefreiheit zu einer spottwohlfeilen Chimäre
zu machen! Wer keine Maschinen halten kann, wird selbst Maschine!
Wer eine Million besitzt, kann demjenigen fallen, der das Doppelte
aufzuwenden vermag! So steigert sich das Monopol des Capitals
immer höher und beherrscht das industrielle Leben wie der ganzen
Welt, so auch Preußens, trotz seiner Gewerbefreiheit. Habt Ihr kein
Auge für die Tausende ruinirter Handwerker? Habt Ihr kein Ohr
für die Jammerklagen all der kleinen Gewerbsleute, deren Selbstän-


kath aber vernichtet jede Concurrenz, und sie ist dann weiter Nichts als
eine elende Galgenfrist vor dem Untergange gewesen.

Dem denkenden Beobachter ist die Industrie - Allsstellung
nur. ein Beweis, wie tief sich das Concurrenzprin-
cip in das deutsche Gewerbeleben hineingefressen
hat und wie rasch dasselbe der Erfüllung seiner
grausamsten Consequenzen entgegeneile. Wie beschei¬
den und demüthig verstecken sich die Arbeiten kleiner Handwerker
in den Winkeln des Zeughauses, während die großer Fabriken die
Bewunderung Aller gewinnen. Die Concurrenz hat den kleinen
Handwerker bereits vernichtet. Die Industrieausstellung ist ein gro¬
ßer Triumph des Fabrikmonopols über das bescheidene, selbständige
Handwerkerthum, sie ist das Schlachtfeld, auf dem die Gewalt des
Capitals als übermüthiger Sieger einherschreitet und das bescheidene
Mittelstandsstreben sich vollkommen besiegt erklärt. Und, demunge-
achtet schwatzen die Zeitungscorrespondenten von der friedlichen Ent¬
wicklung Preußens, und wie Mercur in den Tempel des Mars ein¬
gezogen!

Es ist eine alte Klage, daß die Concurrenz, ganz wie die Feu¬
dalzeit, die Menschen in zwei Theile sondern will, in Reiche und
Arme. Der Mittelstand muß Proletarier werden, er mag sich sträu¬
ben wie er will, über ihm schwebt das Monopol der großen Kapi¬
talisten. Aber eS kann sich Jeder, wo er will, seine Erwerbsquellen
suchen! Er wird durch keine Privilegien, durch keine Casten und
Zünfte in der Verfolgung seiner Interessen gehindert! Gut! Sehr
gut! Der Staat macht jUnmittelbar keine Monopole geltend, aber
er schützt den reichen Fabrikanten mit seinen Millionen der hungern¬
den Armuth gegenüber. Diese Millionen setzen sich in Bewegung,
sie fangen an, alle Gewerbefreiheit zu einer spottwohlfeilen Chimäre
zu machen! Wer keine Maschinen halten kann, wird selbst Maschine!
Wer eine Million besitzt, kann demjenigen fallen, der das Doppelte
aufzuwenden vermag! So steigert sich das Monopol des Capitals
immer höher und beherrscht das industrielle Leben wie der ganzen
Welt, so auch Preußens, trotz seiner Gewerbefreiheit. Habt Ihr kein
Auge für die Tausende ruinirter Handwerker? Habt Ihr kein Ohr
für die Jammerklagen all der kleinen Gewerbsleute, deren Selbstän-


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[0170] kath aber vernichtet jede Concurrenz, und sie ist dann weiter Nichts als eine elende Galgenfrist vor dem Untergange gewesen. Dem denkenden Beobachter ist die Industrie - Allsstellung nur. ein Beweis, wie tief sich das Concurrenzprin- cip in das deutsche Gewerbeleben hineingefressen hat und wie rasch dasselbe der Erfüllung seiner grausamsten Consequenzen entgegeneile. Wie beschei¬ den und demüthig verstecken sich die Arbeiten kleiner Handwerker in den Winkeln des Zeughauses, während die großer Fabriken die Bewunderung Aller gewinnen. Die Concurrenz hat den kleinen Handwerker bereits vernichtet. Die Industrieausstellung ist ein gro¬ ßer Triumph des Fabrikmonopols über das bescheidene, selbständige Handwerkerthum, sie ist das Schlachtfeld, auf dem die Gewalt des Capitals als übermüthiger Sieger einherschreitet und das bescheidene Mittelstandsstreben sich vollkommen besiegt erklärt. Und, demunge- achtet schwatzen die Zeitungscorrespondenten von der friedlichen Ent¬ wicklung Preußens, und wie Mercur in den Tempel des Mars ein¬ gezogen! Es ist eine alte Klage, daß die Concurrenz, ganz wie die Feu¬ dalzeit, die Menschen in zwei Theile sondern will, in Reiche und Arme. Der Mittelstand muß Proletarier werden, er mag sich sträu¬ ben wie er will, über ihm schwebt das Monopol der großen Kapi¬ talisten. Aber eS kann sich Jeder, wo er will, seine Erwerbsquellen suchen! Er wird durch keine Privilegien, durch keine Casten und Zünfte in der Verfolgung seiner Interessen gehindert! Gut! Sehr gut! Der Staat macht jUnmittelbar keine Monopole geltend, aber er schützt den reichen Fabrikanten mit seinen Millionen der hungern¬ den Armuth gegenüber. Diese Millionen setzen sich in Bewegung, sie fangen an, alle Gewerbefreiheit zu einer spottwohlfeilen Chimäre zu machen! Wer keine Maschinen halten kann, wird selbst Maschine! Wer eine Million besitzt, kann demjenigen fallen, der das Doppelte aufzuwenden vermag! So steigert sich das Monopol des Capitals immer höher und beherrscht das industrielle Leben wie der ganzen Welt, so auch Preußens, trotz seiner Gewerbefreiheit. Habt Ihr kein Auge für die Tausende ruinirter Handwerker? Habt Ihr kein Ohr für die Jammerklagen all der kleinen Gewerbsleute, deren Selbstän-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/170>, abgerufen am 01.09.2024.