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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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heit und das Wohl der Mensche". Und dennoch hat diese Industrie
eine Stellung eingenommen, welche sie dem Volke gehässig zu ma¬
chen droht; dennoch herrscht sie mir einer Blindheit für die Zukunft,
wie sie der Absolutismus vor der französischen Revolution gezeigt
und führt Krisen herbei, in denen das Volk an den Producten des
menschlichen Fortschrittes, den Maschinen, seine Zertrümmerungswuth
ausläßt. Welche Widersprüche! Die Industrie, welche das Princip
der Vernunft und Freiheit in sich hat, steuert geradewegs auf die
Sklaverei los, und das Volk, welches frei werden will, zerschlägt die
Maschinen, die Embleme einer gesteigerten Freiheit!

Die moderne Industrie hat ihre Arbeit zwischen den Ruinen
einer morschen Vergangenheit begonnen. Sie accomodirte sich den¬
selben und nahm als Privilegium und Gnade an, was eine durch¬
greifende Organisation der Arbeit ihr als Recht würde zuertheilt
habe". Das Neue ließ das Alte gelten, weil es imponirte, und das
Alte reichte dem Neuen die Hand, weil es darin eine Stütze für
seine schwachen Tage erwartete. Die neue industrielle Kraft wurde
so in die Kreise der Aristokratie und des Absolutismus hineingezogen
und hatte, ihrem eignen Wesen untreu, in dem Concurrenzprin-
cip das Mittel zu einer Beschränkung gefunden, weit härter, als
je eine politische werden konnte. Sie muß ihr falsches Princip bis
auf die Spitze treiben, um ihr wahres, die Organisation der Arbeit
und die Freiheit, zu finden.

Jede gute Hausfrau wird lächeln, wenn ich sage, daß die
Concurrenz den Ruin des Volkes befördere. Sie weiß das besser.
Gibt es zwei Bäcker in einer Stadt, so wetteifern sie mit einander,
einer sucht den andern an Billigkeit und Prciswürdigkeit zu über¬
treffen, und das nützt der vernünftigen Hausfrau für ihren Haus.-
stand. Die gute Dame spricht ganz gescheidt. An und für sich ist
die Billigkeit einer Sache gewiß kein schlechtes Ding, seit Smith und
Say ist sie ein Hauptprincip der Oekonomiste" gewesen, aber sie
wird ein Unglück durch das System, von dem sie unerbittlich be¬
herrscht wird. Die Billigkeit einer Sache hängt unter den jetzigen
Umständen fest zusammen mit dem Concurrenzprincip, und dieses
wird vom Capital beherrscht. Das Monopol eines größeren Capi--


heit und das Wohl der Mensche». Und dennoch hat diese Industrie
eine Stellung eingenommen, welche sie dem Volke gehässig zu ma¬
chen droht; dennoch herrscht sie mir einer Blindheit für die Zukunft,
wie sie der Absolutismus vor der französischen Revolution gezeigt
und führt Krisen herbei, in denen das Volk an den Producten des
menschlichen Fortschrittes, den Maschinen, seine Zertrümmerungswuth
ausläßt. Welche Widersprüche! Die Industrie, welche das Princip
der Vernunft und Freiheit in sich hat, steuert geradewegs auf die
Sklaverei los, und das Volk, welches frei werden will, zerschlägt die
Maschinen, die Embleme einer gesteigerten Freiheit!

Die moderne Industrie hat ihre Arbeit zwischen den Ruinen
einer morschen Vergangenheit begonnen. Sie accomodirte sich den¬
selben und nahm als Privilegium und Gnade an, was eine durch¬
greifende Organisation der Arbeit ihr als Recht würde zuertheilt
habe». Das Neue ließ das Alte gelten, weil es imponirte, und das
Alte reichte dem Neuen die Hand, weil es darin eine Stütze für
seine schwachen Tage erwartete. Die neue industrielle Kraft wurde
so in die Kreise der Aristokratie und des Absolutismus hineingezogen
und hatte, ihrem eignen Wesen untreu, in dem Concurrenzprin-
cip das Mittel zu einer Beschränkung gefunden, weit härter, als
je eine politische werden konnte. Sie muß ihr falsches Princip bis
auf die Spitze treiben, um ihr wahres, die Organisation der Arbeit
und die Freiheit, zu finden.

Jede gute Hausfrau wird lächeln, wenn ich sage, daß die
Concurrenz den Ruin des Volkes befördere. Sie weiß das besser.
Gibt es zwei Bäcker in einer Stadt, so wetteifern sie mit einander,
einer sucht den andern an Billigkeit und Prciswürdigkeit zu über¬
treffen, und das nützt der vernünftigen Hausfrau für ihren Haus.-
stand. Die gute Dame spricht ganz gescheidt. An und für sich ist
die Billigkeit einer Sache gewiß kein schlechtes Ding, seit Smith und
Say ist sie ein Hauptprincip der Oekonomiste» gewesen, aber sie
wird ein Unglück durch das System, von dem sie unerbittlich be¬
herrscht wird. Die Billigkeit einer Sache hängt unter den jetzigen
Umständen fest zusammen mit dem Concurrenzprincip, und dieses
wird vom Capital beherrscht. Das Monopol eines größeren Capi--


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[0169] heit und das Wohl der Mensche». Und dennoch hat diese Industrie eine Stellung eingenommen, welche sie dem Volke gehässig zu ma¬ chen droht; dennoch herrscht sie mir einer Blindheit für die Zukunft, wie sie der Absolutismus vor der französischen Revolution gezeigt und führt Krisen herbei, in denen das Volk an den Producten des menschlichen Fortschrittes, den Maschinen, seine Zertrümmerungswuth ausläßt. Welche Widersprüche! Die Industrie, welche das Princip der Vernunft und Freiheit in sich hat, steuert geradewegs auf die Sklaverei los, und das Volk, welches frei werden will, zerschlägt die Maschinen, die Embleme einer gesteigerten Freiheit! Die moderne Industrie hat ihre Arbeit zwischen den Ruinen einer morschen Vergangenheit begonnen. Sie accomodirte sich den¬ selben und nahm als Privilegium und Gnade an, was eine durch¬ greifende Organisation der Arbeit ihr als Recht würde zuertheilt habe». Das Neue ließ das Alte gelten, weil es imponirte, und das Alte reichte dem Neuen die Hand, weil es darin eine Stütze für seine schwachen Tage erwartete. Die neue industrielle Kraft wurde so in die Kreise der Aristokratie und des Absolutismus hineingezogen und hatte, ihrem eignen Wesen untreu, in dem Concurrenzprin- cip das Mittel zu einer Beschränkung gefunden, weit härter, als je eine politische werden konnte. Sie muß ihr falsches Princip bis auf die Spitze treiben, um ihr wahres, die Organisation der Arbeit und die Freiheit, zu finden. Jede gute Hausfrau wird lächeln, wenn ich sage, daß die Concurrenz den Ruin des Volkes befördere. Sie weiß das besser. Gibt es zwei Bäcker in einer Stadt, so wetteifern sie mit einander, einer sucht den andern an Billigkeit und Prciswürdigkeit zu über¬ treffen, und das nützt der vernünftigen Hausfrau für ihren Haus.- stand. Die gute Dame spricht ganz gescheidt. An und für sich ist die Billigkeit einer Sache gewiß kein schlechtes Ding, seit Smith und Say ist sie ein Hauptprincip der Oekonomiste» gewesen, aber sie wird ein Unglück durch das System, von dem sie unerbittlich be¬ herrscht wird. Die Billigkeit einer Sache hängt unter den jetzigen Umständen fest zusammen mit dem Concurrenzprincip, und dieses wird vom Capital beherrscht. Das Monopol eines größeren Capi--

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/169>, abgerufen am 01.09.2024.