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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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gelt hatte. Ein Artikel, der den Verein im Namen der Humanität
beschwor, zurückzukehren in den Schooß der hutabnehmenden Gesell¬
schaft, wurde von unserem Censor gestrichen, wanderte darauf zum
Obercensurgerichte, wo er sechs Monate lang verweilte, um so zurück¬
zukehren, wie er hingegangen. Der Verfasser hatte nämlich den Ge¬
richtshof submissest um endlichen Bescheid über sein Product gebeten;
dieser aber schickt den Däumlings-Artikel, fünfzehn oder zwanzig Zei¬
len groß, sofort ohne Bescheid mit dem Lakonismus zurück: Auf Ver¬
langen retour.


III.
Aus Hamburg.

Roch einmal, aber zum letzten Mal "Therese und ihre kritischen Freunde."
-- Theresens Porträt in der "Jllustrirten" oder die eigentliche Malice des
Rntitheresianers. -- "Moritz von Sachsen" auf der Hamburger Bühne. --
Theaterkrieg.

Wenn man gegen Damen schreibt, sollte man sich wenigstens
von aller absichtlichen, unverkennbaren Malice fern zu halten suchen,
wäre es auch nur, um die abgesendeten Pfeile nicht gar zu weit ab
vom Ziele ankommen zu sehen. Hätte sich doch der Einsender des
Artikels "Therese von Bacheracht und ihre kritischen Freunde" minde¬
stens dieser negativen Tugend ergeben gezeigt. Daß er künftig, bei
ähnlichen Waffengängen, etwas ritterliche Galanterie mit in die Arena
bringen möge, verlangen wir durchaus nicht. Unser Zeitalter und
seine literarische Kritik will weder ritterlich noch galant sein. -- Ich
werde mich wohl hüten, die Ansicht des "Einsenders" von Theresens
schriftstellerischen Werthe, von ihrem Dilettantismus und dem Nicht-
vorhandensein eines innerlichen Dranges zur literarischen Production
u. s. w. irgend zu bekämpfen. Ein echtes Talent hat von jeher in
der öffentlichen Schätzung die schroffste Controverse hervorgerufen; nur
hinsichtlich der flauen, farblosen Mittelmäßigkeit laufen alle Meinun¬
gen gleich in einen und denselben Endpunkt aus. Höchstens trägt
das gedruckte Urtheil Schminke oder Maske; die kritischen Gewissen
reden dennoch aus einer Tonart. Gutzkow mag sich in Betreff seiner
von dem "Einsender" so erbittert bestrittenen Werthschätzung There¬
sens selbst vertheidigen; er ist sicher der Mann dazu. Der Verf. des
gleichfalls und mehrfach angegriffenen Artikels in der "Jllustrirten
Zeitung" - - Schreiber dieser Zeilen nämlich -- will seinen Aufsatz
nicht verläugnen, der, ganzlich freier und unabhängiger Ansicht ent¬
sprungen, in mannichfachen gleichlautenden Urtheilen der ersten kriti¬
schen Stimmen Deutschlands dauerhafte Stützpunkte findet. Freilich
ist's mir nicht in den Sinn gekommen, Theresen ihren Platz neben
oder gar über Georges Sand anzuweisen, wie der "Einsender


gelt hatte. Ein Artikel, der den Verein im Namen der Humanität
beschwor, zurückzukehren in den Schooß der hutabnehmenden Gesell¬
schaft, wurde von unserem Censor gestrichen, wanderte darauf zum
Obercensurgerichte, wo er sechs Monate lang verweilte, um so zurück¬
zukehren, wie er hingegangen. Der Verfasser hatte nämlich den Ge¬
richtshof submissest um endlichen Bescheid über sein Product gebeten;
dieser aber schickt den Däumlings-Artikel, fünfzehn oder zwanzig Zei¬
len groß, sofort ohne Bescheid mit dem Lakonismus zurück: Auf Ver¬
langen retour.


III.
Aus Hamburg.

Roch einmal, aber zum letzten Mal „Therese und ihre kritischen Freunde."
— Theresens Porträt in der „Jllustrirten" oder die eigentliche Malice des
Rntitheresianers. — „Moritz von Sachsen" auf der Hamburger Bühne. —
Theaterkrieg.

Wenn man gegen Damen schreibt, sollte man sich wenigstens
von aller absichtlichen, unverkennbaren Malice fern zu halten suchen,
wäre es auch nur, um die abgesendeten Pfeile nicht gar zu weit ab
vom Ziele ankommen zu sehen. Hätte sich doch der Einsender des
Artikels „Therese von Bacheracht und ihre kritischen Freunde" minde¬
stens dieser negativen Tugend ergeben gezeigt. Daß er künftig, bei
ähnlichen Waffengängen, etwas ritterliche Galanterie mit in die Arena
bringen möge, verlangen wir durchaus nicht. Unser Zeitalter und
seine literarische Kritik will weder ritterlich noch galant sein. — Ich
werde mich wohl hüten, die Ansicht des „Einsenders" von Theresens
schriftstellerischen Werthe, von ihrem Dilettantismus und dem Nicht-
vorhandensein eines innerlichen Dranges zur literarischen Production
u. s. w. irgend zu bekämpfen. Ein echtes Talent hat von jeher in
der öffentlichen Schätzung die schroffste Controverse hervorgerufen; nur
hinsichtlich der flauen, farblosen Mittelmäßigkeit laufen alle Meinun¬
gen gleich in einen und denselben Endpunkt aus. Höchstens trägt
das gedruckte Urtheil Schminke oder Maske; die kritischen Gewissen
reden dennoch aus einer Tonart. Gutzkow mag sich in Betreff seiner
von dem „Einsender" so erbittert bestrittenen Werthschätzung There¬
sens selbst vertheidigen; er ist sicher der Mann dazu. Der Verf. des
gleichfalls und mehrfach angegriffenen Artikels in der „Jllustrirten
Zeitung" - - Schreiber dieser Zeilen nämlich — will seinen Aufsatz
nicht verläugnen, der, ganzlich freier und unabhängiger Ansicht ent¬
sprungen, in mannichfachen gleichlautenden Urtheilen der ersten kriti¬
schen Stimmen Deutschlands dauerhafte Stützpunkte findet. Freilich
ist's mir nicht in den Sinn gekommen, Theresen ihren Platz neben
oder gar über Georges Sand anzuweisen, wie der „Einsender


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/138>, abgerufen am 05.12.2024.