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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Errungenschaften, deren sich ihre Brüder im Norden und Westen er¬
freuen, sondern auch das eitle Gefühl, unter den Beherrschten die Er¬
sten zu sein, mag man ihnen nicht mehr gönnen.

Vor einigen Tagen ereignete sich auf dem hiesigen Exerzierplatz
vor der Lerchenfclder Linie ein Auftritt, der leicht zu bedauerlichen
Folgen hätte führen können. Eine Eskadron des hierorts garnisoni-
renden polnischen Uhlancnregiments hielt nämlich ihre Wassenübunqen
auf freiem Felde, als ein junger, adeliger Offizier einen Soldaten für
ein leichtes Dienstvergehen öffentlich prügeln lassen wollte. Der Sol¬
dat, dem die Vorschrift bekannt war, wornach solche Bestrafungen
niemals vor den Augen des Publicums vollzogen werden dürfen,
machte seinem Vorgesetzten in dieser Beziehung dringende Vorstellun¬
gen, auf die indeß der Offizier keine Rücksicht nahm. Das anwe¬
sende Publicum, das bei solchen kriegerischen Spielen stets in Masse
versammelt und erklärlicher Weise nicht sehr gewählt ist, ergriff als¬
bald die Partei des Soldaten, den es durchaus nicht züchtigen lassen
wollte, und die Aufregung erreichte bald einen Grad, der es dem
Commandirenden als klug erscheinen ließ, die Eskadron in die Kaser¬
nen abzuführen und daselbst Rapport zu erstatten. Der Abmarsch
geschah unter dem Zischen, Pfeifen und Lärmen des Pöbels, der den
Offizier bis an das Kasernenthor verfolgte. Patrouillen mußten so¬
dann die Umgegend saubern und Jnfanteriepostcn besetzten die Stra¬
ßenknoten. Die in dieser Sache eingeleitete kriegsrechtliche Untersu¬
chung endigte mit der Bestrafung des widersetzlichen Soldaten und
der Versetzung des Offiziers zu einem anderen Regimente.

Die Ehescheidung des Prinzen Wasa von seiner Gemahlin, ei¬
ner badischen Prinzessin, ist nun wirklich vollzogen worden und beide
Gatten haben das Recht, sich wieder zu vermählen; von der Prin¬
zessin glaubt man, daß sie dieses Recht benutzen wolle. Sie lebt in
stiller Aurückgezogenheit auf einem Gut in Mähren und kommt nur
selten nach Wien; ihre einzigen Reisen sind die zu ihrer Familie. Ein
Eorrespondent der "Eleganten" hat, gelinde gesprochen, eine arge Un¬
schicklichkeit begangen, die Frage der moralischen Schuld zu entschei¬
den; die Sache läßt sich nicht mit drei Worten abthun, und wer den
Schleier von diesen Verhältnissen ziehen wollte, müßte Intriguen
erörtern und in Regionen greifen, deren Enthüllung für das laufende
Decennium in Deutschland wahrscheinlich ganz unmöglich sein
dürfte.


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Errungenschaften, deren sich ihre Brüder im Norden und Westen er¬
freuen, sondern auch das eitle Gefühl, unter den Beherrschten die Er¬
sten zu sein, mag man ihnen nicht mehr gönnen.

Vor einigen Tagen ereignete sich auf dem hiesigen Exerzierplatz
vor der Lerchenfclder Linie ein Auftritt, der leicht zu bedauerlichen
Folgen hätte führen können. Eine Eskadron des hierorts garnisoni-
renden polnischen Uhlancnregiments hielt nämlich ihre Wassenübunqen
auf freiem Felde, als ein junger, adeliger Offizier einen Soldaten für
ein leichtes Dienstvergehen öffentlich prügeln lassen wollte. Der Sol¬
dat, dem die Vorschrift bekannt war, wornach solche Bestrafungen
niemals vor den Augen des Publicums vollzogen werden dürfen,
machte seinem Vorgesetzten in dieser Beziehung dringende Vorstellun¬
gen, auf die indeß der Offizier keine Rücksicht nahm. Das anwe¬
sende Publicum, das bei solchen kriegerischen Spielen stets in Masse
versammelt und erklärlicher Weise nicht sehr gewählt ist, ergriff als¬
bald die Partei des Soldaten, den es durchaus nicht züchtigen lassen
wollte, und die Aufregung erreichte bald einen Grad, der es dem
Commandirenden als klug erscheinen ließ, die Eskadron in die Kaser¬
nen abzuführen und daselbst Rapport zu erstatten. Der Abmarsch
geschah unter dem Zischen, Pfeifen und Lärmen des Pöbels, der den
Offizier bis an das Kasernenthor verfolgte. Patrouillen mußten so¬
dann die Umgegend saubern und Jnfanteriepostcn besetzten die Stra¬
ßenknoten. Die in dieser Sache eingeleitete kriegsrechtliche Untersu¬
chung endigte mit der Bestrafung des widersetzlichen Soldaten und
der Versetzung des Offiziers zu einem anderen Regimente.

Die Ehescheidung des Prinzen Wasa von seiner Gemahlin, ei¬
ner badischen Prinzessin, ist nun wirklich vollzogen worden und beide
Gatten haben das Recht, sich wieder zu vermählen; von der Prin¬
zessin glaubt man, daß sie dieses Recht benutzen wolle. Sie lebt in
stiller Aurückgezogenheit auf einem Gut in Mähren und kommt nur
selten nach Wien; ihre einzigen Reisen sind die zu ihrer Familie. Ein
Eorrespondent der „Eleganten" hat, gelinde gesprochen, eine arge Un¬
schicklichkeit begangen, die Frage der moralischen Schuld zu entschei¬
den; die Sache läßt sich nicht mit drei Worten abthun, und wer den
Schleier von diesen Verhältnissen ziehen wollte, müßte Intriguen
erörtern und in Regionen greifen, deren Enthüllung für das laufende
Decennium in Deutschland wahrscheinlich ganz unmöglich sein
dürfte.


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[0135] Errungenschaften, deren sich ihre Brüder im Norden und Westen er¬ freuen, sondern auch das eitle Gefühl, unter den Beherrschten die Er¬ sten zu sein, mag man ihnen nicht mehr gönnen. Vor einigen Tagen ereignete sich auf dem hiesigen Exerzierplatz vor der Lerchenfclder Linie ein Auftritt, der leicht zu bedauerlichen Folgen hätte führen können. Eine Eskadron des hierorts garnisoni- renden polnischen Uhlancnregiments hielt nämlich ihre Wassenübunqen auf freiem Felde, als ein junger, adeliger Offizier einen Soldaten für ein leichtes Dienstvergehen öffentlich prügeln lassen wollte. Der Sol¬ dat, dem die Vorschrift bekannt war, wornach solche Bestrafungen niemals vor den Augen des Publicums vollzogen werden dürfen, machte seinem Vorgesetzten in dieser Beziehung dringende Vorstellun¬ gen, auf die indeß der Offizier keine Rücksicht nahm. Das anwe¬ sende Publicum, das bei solchen kriegerischen Spielen stets in Masse versammelt und erklärlicher Weise nicht sehr gewählt ist, ergriff als¬ bald die Partei des Soldaten, den es durchaus nicht züchtigen lassen wollte, und die Aufregung erreichte bald einen Grad, der es dem Commandirenden als klug erscheinen ließ, die Eskadron in die Kaser¬ nen abzuführen und daselbst Rapport zu erstatten. Der Abmarsch geschah unter dem Zischen, Pfeifen und Lärmen des Pöbels, der den Offizier bis an das Kasernenthor verfolgte. Patrouillen mußten so¬ dann die Umgegend saubern und Jnfanteriepostcn besetzten die Stra¬ ßenknoten. Die in dieser Sache eingeleitete kriegsrechtliche Untersu¬ chung endigte mit der Bestrafung des widersetzlichen Soldaten und der Versetzung des Offiziers zu einem anderen Regimente. Die Ehescheidung des Prinzen Wasa von seiner Gemahlin, ei¬ ner badischen Prinzessin, ist nun wirklich vollzogen worden und beide Gatten haben das Recht, sich wieder zu vermählen; von der Prin¬ zessin glaubt man, daß sie dieses Recht benutzen wolle. Sie lebt in stiller Aurückgezogenheit auf einem Gut in Mähren und kommt nur selten nach Wien; ihre einzigen Reisen sind die zu ihrer Familie. Ein Eorrespondent der „Eleganten" hat, gelinde gesprochen, eine arge Un¬ schicklichkeit begangen, die Frage der moralischen Schuld zu entschei¬ den; die Sache läßt sich nicht mit drei Worten abthun, und wer den Schleier von diesen Verhältnissen ziehen wollte, müßte Intriguen erörtern und in Regionen greifen, deren Enthüllung für das laufende Decennium in Deutschland wahrscheinlich ganz unmöglich sein dürfte. 17 -i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/135>, abgerufen am 01.09.2024.