Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.Geist des Volkes dort sich zu socialen Theorien hinneige, als viel¬ In den letzten Tagen verbreitete sich hier das Gerücht von dem Der Bürgermeister von Triest, 0i. Tomasini, hat den Kaiser Grenzboten 1844. II. 17
Geist des Volkes dort sich zu socialen Theorien hinneige, als viel¬ In den letzten Tagen verbreitete sich hier das Gerücht von dem Der Bürgermeister von Triest, 0i. Tomasini, hat den Kaiser Grenzboten 1844. II. 17
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Geist des Volkes dort sich zu socialen Theorien hinneige, als viel¬
mehr, weil daselbst andere politische Mißverhältnisse bestehen, und diese
zu Gunsten eines nützlichen Communistenschreckens ausgebeutet wer¬
den können. Die neuesten Vorfalle im Großherzogthum Posen und
die Erneuerung des Cartels zwischen Preußen und Rußland scheinen
zu beweisen, daß der Calcul nicht so schlecht sein muß, wenn wir
auch hoffen wollen, die deutschen Staatsmänner werden die russischen
Phantasmagorien für keine wirklichen Gefahren halten und sie nicht mit
Maßregeln bekämpfen, deren Wirkung für die russische Armee einen
Vortrao bilden würde. Ohne Zweifel, der Communismus ist wie
erfunden für das russische Staatsinteresse, und wäre die Sache nicht
zufälliger Weise in Owen's oder Fourrier's Kopfe entsprungen, so wäre
es die Aufgabe der russischen Politik gewesen, den Communismus zu
erfinden. Glücklicher Weise hat Baboeuf den l>. Gold manu,
der als Verfasser der Pentarchie genannt wird, dieser saueren Arbeit
enthoben, und es bleibt nur noch die glückliche Anwendung übrig.
In den letzten Tagen verbreitete sich hier das Gerücht von dem
Rücktritt des Grafen Kolowrat, der in Folge eines eclatanten Mei¬
nungsstreites gegen die von dem Stantskanzler und dem Baron Kü-
beck vertretenen Ansichten in einem zu Triest abgehaltenen Cabinets-
rath stattgefunden haben sollte, sich aber gewiß nicht bestätigen wird.
Die Rei,e des Kaisers nach Jstrien soll mit einer gemeinschaftlichen
Berathung über die Zustände Italiens in Verbindung stehen, wozu
steh auch die meisten italienischen Fürsten, theils persönlich, theils durch
diplomatische Agenten eingefunden hatten. Wie verlautet, spielt die
Idee eines italienischen Zollvereins dabei eine Hauptrolle, und in der
That gewinnt die Sache durch den Vollzug des Handelsvertrags zwi¬
schen Sardinien und Frankreich in diesem Augenblick einige Wahr¬
scheinlichkeit. Oesterreich gewänne durch die Realisirung des Pro-
jectes einen ungemeinen Vortheil, denn politisch sind ihm die italieni¬
schen Staaten ohnehin so eng verbunden, als sie das politische Band
eines Staatenbundes nur immerhin ihm verbinden könnte; es fehlt
jetzt blos noch das merccmtile und finanzielle Bruderhand, um die
Unabhängigkeit vollständig zu machen. Die Völker der Halbinsel wür¬
den, das ist kein Zweifel, dabei nur gewinnen, allein die Regierungen
sind genöthigt und wollen von dieser Einheit Nichts hören. Neapel
und der Kirchenstaat zumal sind in diesem Punkte schwer zu bekehren,
und es wäre ein seltener Aufwand von Unterhandlungsgabe erforder¬
lich, um die Halsstarrigkeit der Staatsmänner eines Landes zu bre¬
chen, in dem Macchiavelli und Filangieri das Licht der Welt erblickt
haben.
Der Bürgermeister von Triest, 0i. Tomasini, hat den Kaiser
mit einer deutschen Anrede begrüßt. Ja, die oberste bürgerliche
Autorität der getreuen Stadt Triest hat uns die Ehre angethan, deutsch
Grenzboten 1844. II. 17
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