Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band. "Dich hat das Heimweh wohl getödtet, Dran siecht jedwedes Alpenkind; Daheim hat Dich das Glück geröthet, Hier starbst Du hin, vorschnell getödtet, Wo Freiheitslüfte ferne sind. "Ich aber fühl' ein tiefte" Kranken, Daß deutschen Söhnen nicht gegönnt Das kleinste Freihcitsangedcnken, In seinen Duft sich zu versenken Für einen glücklichen Moment; "Daß jeder blühende Gedanke, Den unser Herz geheget hat, Abwelken soll an deutscher Schranke Und fallen muß als wie das kranke, Das duftbcraubte Rosenblatt." Als ich sah mit offnen Blicken, Fand ich mich in fremder Welt; Bater warf mich ad vom Rücken, Mutter sprach: auf Gott gestellt Hab' ich's nun; ich will nicht sehen Hungernd hier mein Kind vergehe". Und sie gingen: Er zur Linken, Sie zur Rechten immer fort, Sah nicht mehr sein Messer blinken, Hörte nicht ihr frommes Wort; Und so stand mit meinem Leide Ich allein auf weiter Haide. Vater, rief ich, Deine Waffe! Gib Dein Messer, gib mir's mit, Daß ich mir zu essen schaffe Durch beherzter Stich und Schnitt, Daß ich nicht vor Hunger sterbe, Ich, Dein cinz'gar Sohn und Erbe. „Dich hat das Heimweh wohl getödtet, Dran siecht jedwedes Alpenkind; Daheim hat Dich das Glück geröthet, Hier starbst Du hin, vorschnell getödtet, Wo Freiheitslüfte ferne sind. „Ich aber fühl' ein tiefte« Kranken, Daß deutschen Söhnen nicht gegönnt Das kleinste Freihcitsangedcnken, In seinen Duft sich zu versenken Für einen glücklichen Moment; „Daß jeder blühende Gedanke, Den unser Herz geheget hat, Abwelken soll an deutscher Schranke Und fallen muß als wie das kranke, Das duftbcraubte Rosenblatt." Als ich sah mit offnen Blicken, Fand ich mich in fremder Welt; Bater warf mich ad vom Rücken, Mutter sprach: auf Gott gestellt Hab' ich's nun; ich will nicht sehen Hungernd hier mein Kind vergehe». Und sie gingen: Er zur Linken, Sie zur Rechten immer fort, Sah nicht mehr sein Messer blinken, Hörte nicht ihr frommes Wort; Und so stand mit meinem Leide Ich allein auf weiter Haide. Vater, rief ich, Deine Waffe! Gib Dein Messer, gib mir's mit, Daß ich mir zu essen schaffe Durch beherzter Stich und Schnitt, Daß ich nicht vor Hunger sterbe, Ich, Dein cinz'gar Sohn und Erbe. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0130" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181314"/> <lg xml:id="POEMID_6" type="poem"> <l> „Dich hat das Heimweh wohl getödtet,<lb/> Dran siecht jedwedes Alpenkind;<lb/> Daheim hat Dich das Glück geröthet,<lb/> Hier starbst Du hin, vorschnell getödtet,<lb/> Wo Freiheitslüfte ferne sind.</l> <l> „Ich aber fühl' ein tiefte« Kranken,<lb/> Daß deutschen Söhnen nicht gegönnt<lb/> Das kleinste Freihcitsangedcnken,<lb/> In seinen Duft sich zu versenken<lb/> Für einen glücklichen Moment;</l> <l> „Daß jeder blühende Gedanke,<lb/> Den unser Herz geheget hat,<lb/> Abwelken soll an deutscher Schranke<lb/> Und fallen muß als wie das kranke,<lb/> Das duftbcraubte Rosenblatt."</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg xml:id="POEMID_7" type="poem"> <l> Als ich sah mit offnen Blicken,<lb/> Fand ich mich in fremder Welt;<lb/> Bater warf mich ad vom Rücken,<lb/> Mutter sprach: auf Gott gestellt<lb/> Hab' ich's nun; ich will nicht sehen<lb/> Hungernd hier mein Kind vergehe».</l> <l> Und sie gingen: Er zur Linken,<lb/> Sie zur Rechten immer fort,<lb/> Sah nicht mehr sein Messer blinken,<lb/> Hörte nicht ihr frommes Wort;<lb/> Und so stand mit meinem Leide<lb/> Ich allein auf weiter Haide.</l> <l> Vater, rief ich, Deine Waffe!<lb/> Gib Dein Messer, gib mir's mit,<lb/> Daß ich mir zu essen schaffe<lb/> Durch beherzter Stich und Schnitt,<lb/> Daß ich nicht vor Hunger sterbe,<lb/> Ich, Dein cinz'gar Sohn und Erbe.</l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0130]
„Dich hat das Heimweh wohl getödtet,
Dran siecht jedwedes Alpenkind;
Daheim hat Dich das Glück geröthet,
Hier starbst Du hin, vorschnell getödtet,
Wo Freiheitslüfte ferne sind. „Ich aber fühl' ein tiefte« Kranken,
Daß deutschen Söhnen nicht gegönnt
Das kleinste Freihcitsangedcnken,
In seinen Duft sich zu versenken
Für einen glücklichen Moment; „Daß jeder blühende Gedanke,
Den unser Herz geheget hat,
Abwelken soll an deutscher Schranke
Und fallen muß als wie das kranke,
Das duftbcraubte Rosenblatt."
Als ich sah mit offnen Blicken,
Fand ich mich in fremder Welt;
Bater warf mich ad vom Rücken,
Mutter sprach: auf Gott gestellt
Hab' ich's nun; ich will nicht sehen
Hungernd hier mein Kind vergehe». Und sie gingen: Er zur Linken,
Sie zur Rechten immer fort,
Sah nicht mehr sein Messer blinken,
Hörte nicht ihr frommes Wort;
Und so stand mit meinem Leide
Ich allein auf weiter Haide. Vater, rief ich, Deine Waffe!
Gib Dein Messer, gib mir's mit,
Daß ich mir zu essen schaffe
Durch beherzter Stich und Schnitt,
Daß ich nicht vor Hunger sterbe,
Ich, Dein cinz'gar Sohn und Erbe.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |