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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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zu können. Bei Gott, wäre mein Onkel an meiner Stelle, fuhr er
fort und gähnte recht vernehmlich, der würde schon ein halbes Don¬
nerwetter herbeigeflucht haben.

-- Es sollte mir leid thun, entgegnete ich höflich, wenn ich
Sie im Schlummer gestört hätte, doch denke ich, Unterhaltung ist das
beste Mittel, einen Weg zu verkürzen.

-- Mag sein, erwiederte jener, doch könnte ich Ihnen, mein
Herr, eine Geschichte erzählen von meinem Onkel -- ich meine nicht
denselben, dessen ich so eben gedachte, sondern einen anderen. . ..

-- War das nicht die Geschichte von Ihrem Onkel Friedrich,
die Sie uns vor wenigen Stunden zum Besten gaben? fragte eine
andere Stimme mit schlecht unterdrücktem Lachen.

-- Sie schmeicheln mir durch Ihr treues Gedächtniß, versetzte
der erste wieder, aber ich versichere Sie, daß ich nicht die Geschichte
meines Onkels Friedrich im Sinne hatte, als ich aus dem Schlafe
gestört wurde.

-- Nun, wie viel Onkels hatten Sie denn eigentlich? Ich denke,
Sie haben uns mit lauter Erzählungen Ihrer Onkels unterhalten?

-- Es war dieses der witzigste und unterhaltendste von den
Brüdern meines Vaters, -- wollte ich sagen -- von den Brüdern
meiner Mutter; dieser Onkel Friedrich, fuhr der unermüdliche Onkel¬
erzähler fort, war zwar geistvoll und witzig, allein er kam bei Wei¬
tem dem wahrhaft Launigen und Origineller nicht gleich, das meinen
Onkel Anton auszeichnete und von dem mir so eben eine höchst ko¬
mische Geschichte einfiel. Es war, wenn ich die Sache recht über¬
lege, zwar nicht mein eigentlicher Onkel, aber wir nannten ihn in
unserer Familie nun einmal den Onkel Anton. . .

-- Bei uns, sagte jetzt die Dame, deren Mops mich in den
Finger gebissen hatte, mit einem sehr gezierten Ausdrucke; bei uns
kommt diese Bezeichnung nur den Brüdern des Vaters zu, hingegen
die der Mutter heißen Tant--

--- Tanten! ganz recht Tanten, rief der zweite, den schon die
Geschichten der Onkels ergötzt hatten, und lachte unmäßig; wissen Sie
uns keine Geschichten von Tanten zu erzählen?

-- Sie entschuldigen, bemerkte der erste ganz ernsthaft, gegen die
Dame gewendet; in unserer Familie nannten wir selbst diejenigen
Onkels, welche gar nicht mit uns verwandt waren.


zu können. Bei Gott, wäre mein Onkel an meiner Stelle, fuhr er
fort und gähnte recht vernehmlich, der würde schon ein halbes Don¬
nerwetter herbeigeflucht haben.

— Es sollte mir leid thun, entgegnete ich höflich, wenn ich
Sie im Schlummer gestört hätte, doch denke ich, Unterhaltung ist das
beste Mittel, einen Weg zu verkürzen.

— Mag sein, erwiederte jener, doch könnte ich Ihnen, mein
Herr, eine Geschichte erzählen von meinem Onkel — ich meine nicht
denselben, dessen ich so eben gedachte, sondern einen anderen. . ..

— War das nicht die Geschichte von Ihrem Onkel Friedrich,
die Sie uns vor wenigen Stunden zum Besten gaben? fragte eine
andere Stimme mit schlecht unterdrücktem Lachen.

— Sie schmeicheln mir durch Ihr treues Gedächtniß, versetzte
der erste wieder, aber ich versichere Sie, daß ich nicht die Geschichte
meines Onkels Friedrich im Sinne hatte, als ich aus dem Schlafe
gestört wurde.

— Nun, wie viel Onkels hatten Sie denn eigentlich? Ich denke,
Sie haben uns mit lauter Erzählungen Ihrer Onkels unterhalten?

— Es war dieses der witzigste und unterhaltendste von den
Brüdern meines Vaters, — wollte ich sagen — von den Brüdern
meiner Mutter; dieser Onkel Friedrich, fuhr der unermüdliche Onkel¬
erzähler fort, war zwar geistvoll und witzig, allein er kam bei Wei¬
tem dem wahrhaft Launigen und Origineller nicht gleich, das meinen
Onkel Anton auszeichnete und von dem mir so eben eine höchst ko¬
mische Geschichte einfiel. Es war, wenn ich die Sache recht über¬
lege, zwar nicht mein eigentlicher Onkel, aber wir nannten ihn in
unserer Familie nun einmal den Onkel Anton. . .

— Bei uns, sagte jetzt die Dame, deren Mops mich in den
Finger gebissen hatte, mit einem sehr gezierten Ausdrucke; bei uns
kommt diese Bezeichnung nur den Brüdern des Vaters zu, hingegen
die der Mutter heißen Tant--

—- Tanten! ganz recht Tanten, rief der zweite, den schon die
Geschichten der Onkels ergötzt hatten, und lachte unmäßig; wissen Sie
uns keine Geschichten von Tanten zu erzählen?

— Sie entschuldigen, bemerkte der erste ganz ernsthaft, gegen die
Dame gewendet; in unserer Familie nannten wir selbst diejenigen
Onkels, welche gar nicht mit uns verwandt waren.


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[0112] zu können. Bei Gott, wäre mein Onkel an meiner Stelle, fuhr er fort und gähnte recht vernehmlich, der würde schon ein halbes Don¬ nerwetter herbeigeflucht haben. — Es sollte mir leid thun, entgegnete ich höflich, wenn ich Sie im Schlummer gestört hätte, doch denke ich, Unterhaltung ist das beste Mittel, einen Weg zu verkürzen. — Mag sein, erwiederte jener, doch könnte ich Ihnen, mein Herr, eine Geschichte erzählen von meinem Onkel — ich meine nicht denselben, dessen ich so eben gedachte, sondern einen anderen. . .. — War das nicht die Geschichte von Ihrem Onkel Friedrich, die Sie uns vor wenigen Stunden zum Besten gaben? fragte eine andere Stimme mit schlecht unterdrücktem Lachen. — Sie schmeicheln mir durch Ihr treues Gedächtniß, versetzte der erste wieder, aber ich versichere Sie, daß ich nicht die Geschichte meines Onkels Friedrich im Sinne hatte, als ich aus dem Schlafe gestört wurde. — Nun, wie viel Onkels hatten Sie denn eigentlich? Ich denke, Sie haben uns mit lauter Erzählungen Ihrer Onkels unterhalten? — Es war dieses der witzigste und unterhaltendste von den Brüdern meines Vaters, — wollte ich sagen — von den Brüdern meiner Mutter; dieser Onkel Friedrich, fuhr der unermüdliche Onkel¬ erzähler fort, war zwar geistvoll und witzig, allein er kam bei Wei¬ tem dem wahrhaft Launigen und Origineller nicht gleich, das meinen Onkel Anton auszeichnete und von dem mir so eben eine höchst ko¬ mische Geschichte einfiel. Es war, wenn ich die Sache recht über¬ lege, zwar nicht mein eigentlicher Onkel, aber wir nannten ihn in unserer Familie nun einmal den Onkel Anton. . . — Bei uns, sagte jetzt die Dame, deren Mops mich in den Finger gebissen hatte, mit einem sehr gezierten Ausdrucke; bei uns kommt diese Bezeichnung nur den Brüdern des Vaters zu, hingegen die der Mutter heißen Tant-- —- Tanten! ganz recht Tanten, rief der zweite, den schon die Geschichten der Onkels ergötzt hatten, und lachte unmäßig; wissen Sie uns keine Geschichten von Tanten zu erzählen? — Sie entschuldigen, bemerkte der erste ganz ernsthaft, gegen die Dame gewendet; in unserer Familie nannten wir selbst diejenigen Onkels, welche gar nicht mit uns verwandt waren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/112>, abgerufen am 27.07.2024.