Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.mir dermaßen die Farben besudelt und mit Staub übertüncht, daß Eines Tages, wo ich in dumpfem Hinbrüten auf meinem Käm¬ mir dermaßen die Farben besudelt und mit Staub übertüncht, daß Eines Tages, wo ich in dumpfem Hinbrüten auf meinem Käm¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0106" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181290"/> <p xml:id="ID_294" prev="#ID_293"> mir dermaßen die Farben besudelt und mit Staub übertüncht, daß<lb/> ich wie ein Kind hätte weinen mögen und im Grimme daS Bild<lb/> gegen die Wand warf. Meine Frau, die mich hätte trösten sollen,<lb/> oder auch meine Bekannten, schalten mich einen Narren, und so hatte<lb/> ich denn Niemanden, dem ich meinen Schmerz erzählen konnte, oder<lb/> der meine Klage verstanden hätte. Nach einigen Jahren, wo sich<lb/> täglich und stündlich meine Plage erneute, war ich abgemagert wie<lb/> ein Schatten und gedachte mit Wehmuth der glänzenden Plane und<lb/> Hoffnungen, wozu mich der Ueberfluß an zeitlichen Gütern und meine<lb/> Unabhängigkeit berechtigte. Wie oft war ich beneidet worden von<lb/> anderen Kunstgenossen, welche minder reich, wie ich, um'ö tägliche<lb/> Brod arbeiten mußten und in Werken ermüdeten, die weder ihrer<lb/> Laune zusagten, noch ihren Fähigkeiten angemessen waren. Ach und<lb/> wie köstlich war ihr Zustand im Vergleich mit meiner Lage! Denn<lb/> mit einer an Wahnsinn gränzenden Verzweiflung sah ich meinen Tod<lb/> immer mehr herannahen, sah mit Entsetzen die höllische Freude mei¬<lb/> nes Peinigers, mich nun bald gänzlich zu Staub zu mahlen, denn<lb/> gedörrt und geröstet war ich schon bei lebendigem Leibe.</p><lb/> <p xml:id="ID_295" next="#ID_296"> Eines Tages, wo ich in dumpfem Hinbrüten auf meinem Käm¬<lb/> merlein saß, hörte ich an der Thüre ein klägliches Weinen und ein<lb/> leises Klopfen. Schon war ich auf einen neuen Spuk gefaßt und<lb/> einzelne Staubtheilchen tanzten vor meinen Augen nach dem Tacte<lb/> dieser elenden Melodie, daß mir die Sinne fast vergingen, da glaubte<lb/> ich in dem Weinenden meines Friedrichs Stimme zu erkennen und<lb/> mich ermannend, fragte ich, was er vorhabe? —Ach, lieber Herr Professor,<lb/> rief er unter Schluchzen, Sie sind es, um den ich weine; ich kann Ihr<lb/> Elend, Ihren Jammer nicht länger mit ansehen! — Dieses Mitge¬<lb/> fühl überraschte mich, ich sprang auf und ließ ihn herein, um mit<lb/> ihm zu weinen. Hatte ich doch nun eine Seele, vor der ich meinen<lb/> Kummer ausschütten konnte, wenn es auch die meines Dieners war.<lb/> — Wie lange wir zusammengesessen und wie ich ihn mit dem Ge¬<lb/> heimniß, das so zerstörend an meinem Leben nagte, bekannt gemacht,<lb/> weiß ich nicht. Es war schon dunkel geworden und noch immer<lb/> hörte mir Friedrich mit Aufmerksamkeit zu, endlich entfuhren ihm die<lb/> Worte: Wer weiß, ob nicht blos dieser Ort und dieses Haus von<lb/> Beelzebub, des Staubgottes, Macht besessen ist und daß Sie ihm<lb/> durch Entfernung von hier entfliehen könnten?—Dieser schlichte Ge-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0106]
mir dermaßen die Farben besudelt und mit Staub übertüncht, daß
ich wie ein Kind hätte weinen mögen und im Grimme daS Bild
gegen die Wand warf. Meine Frau, die mich hätte trösten sollen,
oder auch meine Bekannten, schalten mich einen Narren, und so hatte
ich denn Niemanden, dem ich meinen Schmerz erzählen konnte, oder
der meine Klage verstanden hätte. Nach einigen Jahren, wo sich
täglich und stündlich meine Plage erneute, war ich abgemagert wie
ein Schatten und gedachte mit Wehmuth der glänzenden Plane und
Hoffnungen, wozu mich der Ueberfluß an zeitlichen Gütern und meine
Unabhängigkeit berechtigte. Wie oft war ich beneidet worden von
anderen Kunstgenossen, welche minder reich, wie ich, um'ö tägliche
Brod arbeiten mußten und in Werken ermüdeten, die weder ihrer
Laune zusagten, noch ihren Fähigkeiten angemessen waren. Ach und
wie köstlich war ihr Zustand im Vergleich mit meiner Lage! Denn
mit einer an Wahnsinn gränzenden Verzweiflung sah ich meinen Tod
immer mehr herannahen, sah mit Entsetzen die höllische Freude mei¬
nes Peinigers, mich nun bald gänzlich zu Staub zu mahlen, denn
gedörrt und geröstet war ich schon bei lebendigem Leibe.
Eines Tages, wo ich in dumpfem Hinbrüten auf meinem Käm¬
merlein saß, hörte ich an der Thüre ein klägliches Weinen und ein
leises Klopfen. Schon war ich auf einen neuen Spuk gefaßt und
einzelne Staubtheilchen tanzten vor meinen Augen nach dem Tacte
dieser elenden Melodie, daß mir die Sinne fast vergingen, da glaubte
ich in dem Weinenden meines Friedrichs Stimme zu erkennen und
mich ermannend, fragte ich, was er vorhabe? —Ach, lieber Herr Professor,
rief er unter Schluchzen, Sie sind es, um den ich weine; ich kann Ihr
Elend, Ihren Jammer nicht länger mit ansehen! — Dieses Mitge¬
fühl überraschte mich, ich sprang auf und ließ ihn herein, um mit
ihm zu weinen. Hatte ich doch nun eine Seele, vor der ich meinen
Kummer ausschütten konnte, wenn es auch die meines Dieners war.
— Wie lange wir zusammengesessen und wie ich ihn mit dem Ge¬
heimniß, das so zerstörend an meinem Leben nagte, bekannt gemacht,
weiß ich nicht. Es war schon dunkel geworden und noch immer
hörte mir Friedrich mit Aufmerksamkeit zu, endlich entfuhren ihm die
Worte: Wer weiß, ob nicht blos dieser Ort und dieses Haus von
Beelzebub, des Staubgottes, Macht besessen ist und daß Sie ihm
durch Entfernung von hier entfliehen könnten?—Dieser schlichte Ge-
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