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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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II.
Aus Berlin-

Freimaurer. -- Rauferei. -- Süd- und norddeutsche Interessen. -- Bauten
und Arbeiten. -- Ungetaufte Bilder.

Zwei Dinge haben in der letzten Woche die Unterhaltung viel
beschäftigt: erstlich die Reden, die der Prinz von Preußen als Gro߬
meister der preußischen Freimaurer-Logen am Johannistage in der
großen Loge "zu den drei Weltkugeln" gehalten, und zweitens ein im
Kroll'schen Garten angefangenes und im "Odeum" fortgesetztes De¬
ines zwischen zwei Herren, die, da sie zu den sogenannten höheren
Standen gehören, durch das rücksichtslose Verfahren, das dabei gegen
einige Frauen beobachtet wurde, den Unwillen des Publicums um so
mehr auf sich gezogen haben. -- Was zunächst das Freimaurerfeft
betrifft, so sollte man sich allerdings darüber wundern, daß die Ge¬
heimnisse der "Brüder" jetzt so unter die Leute kommen, aber wir
haben daran nur zu erkennen, daß der Drang nach Oeffentlichkeit
auch in dieser Sphäre den Sieg über die Geheimnißkrämerei davon¬
trägt. Bald wird es keines Eugen Sue mehr bedürfen, um uns
Mysterien zu enthüllen, denn wo das Wohl der Menschheit betheiligt
ist, da kann und darf es keine Mysterien geben. Also auch ohne in
die Geheimnisse des Maurerthums eingeweiht zu sein, weiß hier alle
Welt, daß der Prinz von Preußen in einer eindringlichen Rede unsere
Gesetzgebung in Schutz genommen und dabei den Toast auf das Wohl
seines königlichen Bruders ausgebracht habe. Der Prinz Friedrich der
Niederlande als Großmeister der holländischen Freimaurer und viele
Deputirte anderer großen Logen waren dabei als Gäste anwesend. --
Jene beiden Herren, die wegen Beleidigung von Frauen an zweien
öffentlichen Orten einen Lärm veranlaßten, dem sich ein Dritter anschloß,
welcher dabei den Säbel zog, wollen ihre Sache durch ein Duell aus¬
fechten, das jedoch -- es mag nun ausfallen, wie es wolle -- Nichts
dazu beitragen kann, die Beleidigung wieder gut zu machen, die durch
jenen Vorfall der öffentlichen Sitte zu Theil geworden. -- Die Be¬
wegungen an unserer Börse haben sich nach 'Ablauf des verhängniß-
vollen letzten Juni -- an welchem allerdings mehrere, jedoch nur sehr
unbedeutende Lichter verlöscht sind -- gelegt, und auch der Schrecken
über die Actienordonnanz vom 24. Mai hat sich allmälig verloren, so
daß nun bald wieder Alles in das alte Geleise zurückgekehrt sein und
eine neue Schnellfahrt beginnen wird -- freilich mit verminder¬
tem Muth und mit größerer Vorsicht. Große Freude hat es erregt,
daß der würtenbergische Geheime Rath den Antrag einiger hiesigen
Capitalien, die Eisenbahnen daselbst auf eigene Rechnung und nur
unter ähnlicher Betheiligung des Staates, wie bei der Hamburger


Grenzboten II. 12
II.
Aus Berlin-

Freimaurer. — Rauferei. — Süd- und norddeutsche Interessen. — Bauten
und Arbeiten. — Ungetaufte Bilder.

Zwei Dinge haben in der letzten Woche die Unterhaltung viel
beschäftigt: erstlich die Reden, die der Prinz von Preußen als Gro߬
meister der preußischen Freimaurer-Logen am Johannistage in der
großen Loge „zu den drei Weltkugeln" gehalten, und zweitens ein im
Kroll'schen Garten angefangenes und im „Odeum" fortgesetztes De¬
ines zwischen zwei Herren, die, da sie zu den sogenannten höheren
Standen gehören, durch das rücksichtslose Verfahren, das dabei gegen
einige Frauen beobachtet wurde, den Unwillen des Publicums um so
mehr auf sich gezogen haben. — Was zunächst das Freimaurerfeft
betrifft, so sollte man sich allerdings darüber wundern, daß die Ge¬
heimnisse der „Brüder" jetzt so unter die Leute kommen, aber wir
haben daran nur zu erkennen, daß der Drang nach Oeffentlichkeit
auch in dieser Sphäre den Sieg über die Geheimnißkrämerei davon¬
trägt. Bald wird es keines Eugen Sue mehr bedürfen, um uns
Mysterien zu enthüllen, denn wo das Wohl der Menschheit betheiligt
ist, da kann und darf es keine Mysterien geben. Also auch ohne in
die Geheimnisse des Maurerthums eingeweiht zu sein, weiß hier alle
Welt, daß der Prinz von Preußen in einer eindringlichen Rede unsere
Gesetzgebung in Schutz genommen und dabei den Toast auf das Wohl
seines königlichen Bruders ausgebracht habe. Der Prinz Friedrich der
Niederlande als Großmeister der holländischen Freimaurer und viele
Deputirte anderer großen Logen waren dabei als Gäste anwesend. —
Jene beiden Herren, die wegen Beleidigung von Frauen an zweien
öffentlichen Orten einen Lärm veranlaßten, dem sich ein Dritter anschloß,
welcher dabei den Säbel zog, wollen ihre Sache durch ein Duell aus¬
fechten, das jedoch — es mag nun ausfallen, wie es wolle — Nichts
dazu beitragen kann, die Beleidigung wieder gut zu machen, die durch
jenen Vorfall der öffentlichen Sitte zu Theil geworden. — Die Be¬
wegungen an unserer Börse haben sich nach 'Ablauf des verhängniß-
vollen letzten Juni — an welchem allerdings mehrere, jedoch nur sehr
unbedeutende Lichter verlöscht sind — gelegt, und auch der Schrecken
über die Actienordonnanz vom 24. Mai hat sich allmälig verloren, so
daß nun bald wieder Alles in das alte Geleise zurückgekehrt sein und
eine neue Schnellfahrt beginnen wird — freilich mit verminder¬
tem Muth und mit größerer Vorsicht. Große Freude hat es erregt,
daß der würtenbergische Geheime Rath den Antrag einiger hiesigen
Capitalien, die Eisenbahnen daselbst auf eigene Rechnung und nur
unter ähnlicher Betheiligung des Staates, wie bei der Hamburger


Grenzboten II. 12
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/97>, abgerufen am 22.12.2024.