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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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und laut eines uns vorliegenden Briefes die Ruhe nach sechs Tagen
noch nicht ganz hergestellt ist. So schmerzlich und verlustempsindlich
diese Vorfalle sind, so dürfte ein noch Empfindlicheres für die Fabri¬
kanten der Monarchie dadurch abgewendet sein, nämlich die vom Fi¬
nanzminister, Freiherrn von Kübel, projectirte Aufhebung des Prohi-
bitiv-Systems, welche bereits im verflossenen Jahre beschlossen und
durch bildliche Vorstellung der Fabrikanten verschoben wurde. -- Fa¬
briken und Straßen sind mit Militär und Kanonen besetzt, die Weiber
der eingezogenen Arbeiter durchjammern mit ihren Kindern die Straßen
und erzwecken die Freilassung ihrer Männer.

Die Reibungen zwischen der hiesigen Bürgerschaft und ihrem
Bürgermeister setzen sich fort und es ist davon die Rede, daß er nach
Prag als Hofrath befördert werde, eine Auszeichnung, die er unter so
zweifelhafter Beleuchtung ausgeschlagen haben soll. Als er sich bei
unserem eben so liberalen als liebenswürdigen Censurhofrathe von Malz
darüber beklagte, daß man die Nummern jener Blätter, namentlich der
Oberpostamtszeitung, die sein Verfahren besprochen, nicht unterdrückt,
erhielt er die gradsinnige Antwort, daß er selbst dasselbe nicht anders
melden würde. -- Oehlenschläger befindet sich seit einigen Tagen in Wien
und wurde im Salon des Fürsten Metternich von diesem der Fürstin
mit den Worten vorgestellt: "Dies ist der Dichter, der sich nicht be¬
gnügt, die Herzen in Einer Sprache zu erobern, er schreibt dänisch und
deutsch." -- Die Verleihung des Ordens i"mir lo mvritv an den
italienisch-österreichischen Dichter Manzoni brachte den seltsamen Um¬
stand wieder zur Sprache, daß ihn von österreichischen Unterthanen
bis jetzt ein Ungar (Liszt), ein Slave (Copitar), ein Italiener (Man¬
zoni) und noch kein Deutscher erhalten hat. Wahrscheinlich um der
Nothwendigkeit auszuweichen, ihn Grillparzer und Hammer ver¬
leihen zu müssen. Ich bemerke nebenbei, daß ein Dichter oder
Gelehrter in Oesterreich, wenn er ausschließlich ein solcher ist, nicht
ordensfähig ist. Der Ausspruch eines bereits verstorbenen hohen Staats¬
mannes: ,-,Ein Büchelmacher verdient kan Orden" ist sprichwörtlich
geworden. Doch ist es zweifelhaft, ob Manzoni den Orden annimmt,
da er das Kreuz der Ehrenlegion vor einigen Jahren mit Dank zu¬
rückgewiesen. Dasselbe erhielt so eben der gelehrte Scriptor unserer
Hofbibliothek, Herr Ferdinand Wolf.

So eben erfahren wir, daß ein in Ihrem Blatte bereits ange¬
kündigtes Werk: "Eine Criminalstatistik Oesterreichs" von der Cen¬
sur verboten worden sei, trotzdem daß der Versasser, Freiherr von Sa-
maruga (Sohn des staatsreferentlichen Hofraths) von Sr. Excellenz
dem Grafen Thaafe aus amtlichen Quellen zu schöpfen die Erlaubniß-
erhielt und dieser die Dedication des Werkes angenommen hatte.


und laut eines uns vorliegenden Briefes die Ruhe nach sechs Tagen
noch nicht ganz hergestellt ist. So schmerzlich und verlustempsindlich
diese Vorfalle sind, so dürfte ein noch Empfindlicheres für die Fabri¬
kanten der Monarchie dadurch abgewendet sein, nämlich die vom Fi¬
nanzminister, Freiherrn von Kübel, projectirte Aufhebung des Prohi-
bitiv-Systems, welche bereits im verflossenen Jahre beschlossen und
durch bildliche Vorstellung der Fabrikanten verschoben wurde. — Fa¬
briken und Straßen sind mit Militär und Kanonen besetzt, die Weiber
der eingezogenen Arbeiter durchjammern mit ihren Kindern die Straßen
und erzwecken die Freilassung ihrer Männer.

Die Reibungen zwischen der hiesigen Bürgerschaft und ihrem
Bürgermeister setzen sich fort und es ist davon die Rede, daß er nach
Prag als Hofrath befördert werde, eine Auszeichnung, die er unter so
zweifelhafter Beleuchtung ausgeschlagen haben soll. Als er sich bei
unserem eben so liberalen als liebenswürdigen Censurhofrathe von Malz
darüber beklagte, daß man die Nummern jener Blätter, namentlich der
Oberpostamtszeitung, die sein Verfahren besprochen, nicht unterdrückt,
erhielt er die gradsinnige Antwort, daß er selbst dasselbe nicht anders
melden würde. — Oehlenschläger befindet sich seit einigen Tagen in Wien
und wurde im Salon des Fürsten Metternich von diesem der Fürstin
mit den Worten vorgestellt: „Dies ist der Dichter, der sich nicht be¬
gnügt, die Herzen in Einer Sprache zu erobern, er schreibt dänisch und
deutsch." — Die Verleihung des Ordens i»mir lo mvritv an den
italienisch-österreichischen Dichter Manzoni brachte den seltsamen Um¬
stand wieder zur Sprache, daß ihn von österreichischen Unterthanen
bis jetzt ein Ungar (Liszt), ein Slave (Copitar), ein Italiener (Man¬
zoni) und noch kein Deutscher erhalten hat. Wahrscheinlich um der
Nothwendigkeit auszuweichen, ihn Grillparzer und Hammer ver¬
leihen zu müssen. Ich bemerke nebenbei, daß ein Dichter oder
Gelehrter in Oesterreich, wenn er ausschließlich ein solcher ist, nicht
ordensfähig ist. Der Ausspruch eines bereits verstorbenen hohen Staats¬
mannes: ,-,Ein Büchelmacher verdient kan Orden" ist sprichwörtlich
geworden. Doch ist es zweifelhaft, ob Manzoni den Orden annimmt,
da er das Kreuz der Ehrenlegion vor einigen Jahren mit Dank zu¬
rückgewiesen. Dasselbe erhielt so eben der gelehrte Scriptor unserer
Hofbibliothek, Herr Ferdinand Wolf.

So eben erfahren wir, daß ein in Ihrem Blatte bereits ange¬
kündigtes Werk: „Eine Criminalstatistik Oesterreichs" von der Cen¬
sur verboten worden sei, trotzdem daß der Versasser, Freiherr von Sa-
maruga (Sohn des staatsreferentlichen Hofraths) von Sr. Excellenz
dem Grafen Thaafe aus amtlichen Quellen zu schöpfen die Erlaubniß-
erhielt und dieser die Dedication des Werkes angenommen hatte.


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[0096] und laut eines uns vorliegenden Briefes die Ruhe nach sechs Tagen noch nicht ganz hergestellt ist. So schmerzlich und verlustempsindlich diese Vorfalle sind, so dürfte ein noch Empfindlicheres für die Fabri¬ kanten der Monarchie dadurch abgewendet sein, nämlich die vom Fi¬ nanzminister, Freiherrn von Kübel, projectirte Aufhebung des Prohi- bitiv-Systems, welche bereits im verflossenen Jahre beschlossen und durch bildliche Vorstellung der Fabrikanten verschoben wurde. — Fa¬ briken und Straßen sind mit Militär und Kanonen besetzt, die Weiber der eingezogenen Arbeiter durchjammern mit ihren Kindern die Straßen und erzwecken die Freilassung ihrer Männer. Die Reibungen zwischen der hiesigen Bürgerschaft und ihrem Bürgermeister setzen sich fort und es ist davon die Rede, daß er nach Prag als Hofrath befördert werde, eine Auszeichnung, die er unter so zweifelhafter Beleuchtung ausgeschlagen haben soll. Als er sich bei unserem eben so liberalen als liebenswürdigen Censurhofrathe von Malz darüber beklagte, daß man die Nummern jener Blätter, namentlich der Oberpostamtszeitung, die sein Verfahren besprochen, nicht unterdrückt, erhielt er die gradsinnige Antwort, daß er selbst dasselbe nicht anders melden würde. — Oehlenschläger befindet sich seit einigen Tagen in Wien und wurde im Salon des Fürsten Metternich von diesem der Fürstin mit den Worten vorgestellt: „Dies ist der Dichter, der sich nicht be¬ gnügt, die Herzen in Einer Sprache zu erobern, er schreibt dänisch und deutsch." — Die Verleihung des Ordens i»mir lo mvritv an den italienisch-österreichischen Dichter Manzoni brachte den seltsamen Um¬ stand wieder zur Sprache, daß ihn von österreichischen Unterthanen bis jetzt ein Ungar (Liszt), ein Slave (Copitar), ein Italiener (Man¬ zoni) und noch kein Deutscher erhalten hat. Wahrscheinlich um der Nothwendigkeit auszuweichen, ihn Grillparzer und Hammer ver¬ leihen zu müssen. Ich bemerke nebenbei, daß ein Dichter oder Gelehrter in Oesterreich, wenn er ausschließlich ein solcher ist, nicht ordensfähig ist. Der Ausspruch eines bereits verstorbenen hohen Staats¬ mannes: ,-,Ein Büchelmacher verdient kan Orden" ist sprichwörtlich geworden. Doch ist es zweifelhaft, ob Manzoni den Orden annimmt, da er das Kreuz der Ehrenlegion vor einigen Jahren mit Dank zu¬ rückgewiesen. Dasselbe erhielt so eben der gelehrte Scriptor unserer Hofbibliothek, Herr Ferdinand Wolf. So eben erfahren wir, daß ein in Ihrem Blatte bereits ange¬ kündigtes Werk: „Eine Criminalstatistik Oesterreichs" von der Cen¬ sur verboten worden sei, trotzdem daß der Versasser, Freiherr von Sa- maruga (Sohn des staatsreferentlichen Hofraths) von Sr. Excellenz dem Grafen Thaafe aus amtlichen Quellen zu schöpfen die Erlaubniß- erhielt und dieser die Dedication des Werkes angenommen hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/96>, abgerufen am 22.12.2024.