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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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bei einigem Verdienste sogleich bekannt, gepflegt, unterstützt, der Pa¬
triotismus bemächtigt sich seines Namens und man halt ordentlich
Rechnung über die Fortschritte, die ein junger Mensch in dem vori¬
ge,? Jahre gemacht hat und in dem nächsten muthmaßlicherweise ma¬
chen kann. Dabei bleibt man nicht bei leerem Gerede stehen, sondern
greift thatsächlich dem Künstler unter die Arme, Abgesehen von den
Unterstützungen, die das Gouvernement den jungen Zöglingen ertheilt,
werden namentlich zur Unterstützung der Historienmalerei große Be¬
stellungen von der Negierung gemacht. So entstanden die trefflichen
historischen Bilder, die vor Kurzem in Deutschland ihren Triumphzug
hielten, und mehrere andere von De Keyzer und Wapvers, von
denen die des Erstem eben so bewundernswerth in der Conception
alö in der Technik sind. Die religiöse Malerei hat in Belgien leider
ein allzugroßes Feld, da die reiche Geistlichkeit, die reichen Kirchspiele
und der Privatpietismus dieses Feld immer für die Künstler am ergie¬
bigsten machen. Ich sage leider, denn erstens ist die Zeit dieser Ma¬
lerei vorüber; eS fehlt den Künstlern der Glaube, die Naivetät, die
Begeisterung der mittelalterlichen Maler; zweitens ist der Zweck die¬
ser Gemälde nicht mehr derselbe, denn auch dein Publikum, d. h.
jenem Theile, der sür die Schönheit eines Bildes Augen und Ver¬
ständniß hat, geht dasselbe ab, wie den Malern, auch ihm fehlt es
an religiöser Hingebung und Einfalt; endlich, weil diese Art von
Malerei am allerleichteflm zur Fabrikarbeit ausartet, da der Künst¬
ler in der Verzweiflung, Nichts Neues erfinden zu können, was nicht
schon die alten Meister unübertrefflich hingestellt haben, sich allmälig
entweder einer effekthaschcnden Koketterie oder einer stumpfen Nach¬
ahmung hingibt. Auf diese Weise ist schon manches große Talent
zu Grunde gegangen, das, wenn es sich lieber auf dein weiten
Felde der Historie bewegt hätte, originelle Auffassungen und neue
Situationen in der Darstellung gefunden hätte.

Die Hauptstütze finden jedoch die belgischen Maler in der Auf¬
munterung und in dem Reichthum des Belgischen Philisters. Ja,
so widersprechend die Worte Philister und Kunst einander zu sein
scheinen, so findet malt sie in Belgien dennoch oft Hand in Hand
mit einander. Mit Ausnahme Hollands gibt es sicher kein zweites
Land in der Welt, wo man so viel Privatgcinäldesammllingen findet,
als in Belgien. Zu einem anständigen Hause gehört in der Regel


bei einigem Verdienste sogleich bekannt, gepflegt, unterstützt, der Pa¬
triotismus bemächtigt sich seines Namens und man halt ordentlich
Rechnung über die Fortschritte, die ein junger Mensch in dem vori¬
ge,? Jahre gemacht hat und in dem nächsten muthmaßlicherweise ma¬
chen kann. Dabei bleibt man nicht bei leerem Gerede stehen, sondern
greift thatsächlich dem Künstler unter die Arme, Abgesehen von den
Unterstützungen, die das Gouvernement den jungen Zöglingen ertheilt,
werden namentlich zur Unterstützung der Historienmalerei große Be¬
stellungen von der Negierung gemacht. So entstanden die trefflichen
historischen Bilder, die vor Kurzem in Deutschland ihren Triumphzug
hielten, und mehrere andere von De Keyzer und Wapvers, von
denen die des Erstem eben so bewundernswerth in der Conception
alö in der Technik sind. Die religiöse Malerei hat in Belgien leider
ein allzugroßes Feld, da die reiche Geistlichkeit, die reichen Kirchspiele
und der Privatpietismus dieses Feld immer für die Künstler am ergie¬
bigsten machen. Ich sage leider, denn erstens ist die Zeit dieser Ma¬
lerei vorüber; eS fehlt den Künstlern der Glaube, die Naivetät, die
Begeisterung der mittelalterlichen Maler; zweitens ist der Zweck die¬
ser Gemälde nicht mehr derselbe, denn auch dein Publikum, d. h.
jenem Theile, der sür die Schönheit eines Bildes Augen und Ver¬
ständniß hat, geht dasselbe ab, wie den Malern, auch ihm fehlt es
an religiöser Hingebung und Einfalt; endlich, weil diese Art von
Malerei am allerleichteflm zur Fabrikarbeit ausartet, da der Künst¬
ler in der Verzweiflung, Nichts Neues erfinden zu können, was nicht
schon die alten Meister unübertrefflich hingestellt haben, sich allmälig
entweder einer effekthaschcnden Koketterie oder einer stumpfen Nach¬
ahmung hingibt. Auf diese Weise ist schon manches große Talent
zu Grunde gegangen, das, wenn es sich lieber auf dein weiten
Felde der Historie bewegt hätte, originelle Auffassungen und neue
Situationen in der Darstellung gefunden hätte.

Die Hauptstütze finden jedoch die belgischen Maler in der Auf¬
munterung und in dem Reichthum des Belgischen Philisters. Ja,
so widersprechend die Worte Philister und Kunst einander zu sein
scheinen, so findet malt sie in Belgien dennoch oft Hand in Hand
mit einander. Mit Ausnahme Hollands gibt es sicher kein zweites
Land in der Welt, wo man so viel Privatgcinäldesammllingen findet,
als in Belgien. Zu einem anständigen Hause gehört in der Regel


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[0076] bei einigem Verdienste sogleich bekannt, gepflegt, unterstützt, der Pa¬ triotismus bemächtigt sich seines Namens und man halt ordentlich Rechnung über die Fortschritte, die ein junger Mensch in dem vori¬ ge,? Jahre gemacht hat und in dem nächsten muthmaßlicherweise ma¬ chen kann. Dabei bleibt man nicht bei leerem Gerede stehen, sondern greift thatsächlich dem Künstler unter die Arme, Abgesehen von den Unterstützungen, die das Gouvernement den jungen Zöglingen ertheilt, werden namentlich zur Unterstützung der Historienmalerei große Be¬ stellungen von der Negierung gemacht. So entstanden die trefflichen historischen Bilder, die vor Kurzem in Deutschland ihren Triumphzug hielten, und mehrere andere von De Keyzer und Wapvers, von denen die des Erstem eben so bewundernswerth in der Conception alö in der Technik sind. Die religiöse Malerei hat in Belgien leider ein allzugroßes Feld, da die reiche Geistlichkeit, die reichen Kirchspiele und der Privatpietismus dieses Feld immer für die Künstler am ergie¬ bigsten machen. Ich sage leider, denn erstens ist die Zeit dieser Ma¬ lerei vorüber; eS fehlt den Künstlern der Glaube, die Naivetät, die Begeisterung der mittelalterlichen Maler; zweitens ist der Zweck die¬ ser Gemälde nicht mehr derselbe, denn auch dein Publikum, d. h. jenem Theile, der sür die Schönheit eines Bildes Augen und Ver¬ ständniß hat, geht dasselbe ab, wie den Malern, auch ihm fehlt es an religiöser Hingebung und Einfalt; endlich, weil diese Art von Malerei am allerleichteflm zur Fabrikarbeit ausartet, da der Künst¬ ler in der Verzweiflung, Nichts Neues erfinden zu können, was nicht schon die alten Meister unübertrefflich hingestellt haben, sich allmälig entweder einer effekthaschcnden Koketterie oder einer stumpfen Nach¬ ahmung hingibt. Auf diese Weise ist schon manches große Talent zu Grunde gegangen, das, wenn es sich lieber auf dein weiten Felde der Historie bewegt hätte, originelle Auffassungen und neue Situationen in der Darstellung gefunden hätte. Die Hauptstütze finden jedoch die belgischen Maler in der Auf¬ munterung und in dem Reichthum des Belgischen Philisters. Ja, so widersprechend die Worte Philister und Kunst einander zu sein scheinen, so findet malt sie in Belgien dennoch oft Hand in Hand mit einander. Mit Ausnahme Hollands gibt es sicher kein zweites Land in der Welt, wo man so viel Privatgcinäldesammllingen findet, als in Belgien. Zu einem anständigen Hause gehört in der Regel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/76>, abgerufen am 23.07.2024.