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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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eine gewählte Bildersammlung, und "se genug findet man letztere anch
da, wo das übrige Hauswesen nicht damit harmonirt. Ja, ganz
kostbare Sammlungen befinden sich oft in Handen von Leuten ohne
alle Bildung, die aber für die unterscheidenden Merkmale eines gu¬
ten Gemäldes so scharfe Augen haben, daß sie den Strich des einen
Meisters ganz genau von dem des andern zu unterscheiden wissen.-i-) Es
ist dies eine nationale Erbschaft, ein Nationalvermögen, angeregt
und fortgepflanzt durch die zahlreichen Denkmäler früherer Kunst.
Fast jeder Gebildete in Belgien ist ein kleiner Professor der Kunst¬
geschichte (d. h. der niederländischen, die Deutschen und Italiener
sind ihm unbekannt), und sicherlich findet man nirgends bei Laien
eine solche Kenntniß der verschiedenen Baustyle, zumal aber der go¬
thischen Architectur, wie eben in Belgien. Es gehört also hier nicht
eben eine besonders ruhige Eristenz und feine Weltbildung dazu, um
zur Unterstützung der Kunst und des Künstlers angeregt zu werden,
sondern es liegt instinktmäßig in der Nation. Der von der Regie¬
rung zur Leitung der Exposition ernannte Ausschuß läßt Subscrip-
tionsbögen bei allen Bürgern circuliren. Die Subscription ist zu
einem sehr mäßigen Preis gestellt. Für die eingegangene Stimme
kauft die Commission eine Anzahl Gemälde, die dann, wie es auch
bei den deutschen Kunstwerken Sitte ist, unter den Subscribenten ver-
looft werden. Was aber bei deutschen Kunstvereinen nicht Sitte, das
ist, daß eine solche Subscription jedes Mal (abgesehen von dem, was
der König und Private ankaufen) sich auf 60--80006 Franken
,
I. Kuranda. belätift."")






Da jeder Reisende, der nach Brüssel kommt, gewöhnlich seinen Kaffee
im <Zst6 "I" null" ovlonnvs nimmt, so möge er, um von der obigen Be¬
hauptung sich zu überzeugen, die Bekanntschaft des Besitzers machen, der viel¬
leicht kaum seinen Namen unterzeichnen kann, aber eine der hübschesten und
gewähltester Bildersammlungen besitzt.
**
) Hier eine kleine Statistik- Die Brüsseler Ausstellung von 1839 zählte
um ein Drittheil Ausstellender, so wie ausgestellter Kunstwerke mehr, als die
von 1836. Es befanden sich unter den 394 Ausstellenden nur 8t fremde Künst¬
ler (6 Deutsche, 2 Engländer, 58 Franzosen, 17 Holländer und I Italiener)
die übrigen SW waren Belgier. Hiervon wurden v Künstler zu Rittern des
Leopoldordens ernannt, 5 erhielten die goldene Medaille, 15 die silberne, 18
erhielten Geldbelohnungen. Außerdem wurden 7"> Gemälde und andere Kunst¬
gegenstände für die Verloosung angekauft. Die Subscription betrug "7,74"
Franken. Bei einer solche" Aufmunterung in einem Staate von vier Millio¬
nen Mensche" (jährlich eine officielle Ausstellung), ist der Küusilcrstaiid
allerdings lockend.

eine gewählte Bildersammlung, und »se genug findet man letztere anch
da, wo das übrige Hauswesen nicht damit harmonirt. Ja, ganz
kostbare Sammlungen befinden sich oft in Handen von Leuten ohne
alle Bildung, die aber für die unterscheidenden Merkmale eines gu¬
ten Gemäldes so scharfe Augen haben, daß sie den Strich des einen
Meisters ganz genau von dem des andern zu unterscheiden wissen.-i-) Es
ist dies eine nationale Erbschaft, ein Nationalvermögen, angeregt
und fortgepflanzt durch die zahlreichen Denkmäler früherer Kunst.
Fast jeder Gebildete in Belgien ist ein kleiner Professor der Kunst¬
geschichte (d. h. der niederländischen, die Deutschen und Italiener
sind ihm unbekannt), und sicherlich findet man nirgends bei Laien
eine solche Kenntniß der verschiedenen Baustyle, zumal aber der go¬
thischen Architectur, wie eben in Belgien. Es gehört also hier nicht
eben eine besonders ruhige Eristenz und feine Weltbildung dazu, um
zur Unterstützung der Kunst und des Künstlers angeregt zu werden,
sondern es liegt instinktmäßig in der Nation. Der von der Regie¬
rung zur Leitung der Exposition ernannte Ausschuß läßt Subscrip-
tionsbögen bei allen Bürgern circuliren. Die Subscription ist zu
einem sehr mäßigen Preis gestellt. Für die eingegangene Stimme
kauft die Commission eine Anzahl Gemälde, die dann, wie es auch
bei den deutschen Kunstwerken Sitte ist, unter den Subscribenten ver-
looft werden. Was aber bei deutschen Kunstvereinen nicht Sitte, das
ist, daß eine solche Subscription jedes Mal (abgesehen von dem, was
der König und Private ankaufen) sich auf 60—80006 Franken
,
I. Kuranda. belätift.»»)






Da jeder Reisende, der nach Brüssel kommt, gewöhnlich seinen Kaffee
im <Zst6 «I« null« ovlonnvs nimmt, so möge er, um von der obigen Be¬
hauptung sich zu überzeugen, die Bekanntschaft des Besitzers machen, der viel¬
leicht kaum seinen Namen unterzeichnen kann, aber eine der hübschesten und
gewähltester Bildersammlungen besitzt.
**
) Hier eine kleine Statistik- Die Brüsseler Ausstellung von 1839 zählte
um ein Drittheil Ausstellender, so wie ausgestellter Kunstwerke mehr, als die
von 1836. Es befanden sich unter den 394 Ausstellenden nur 8t fremde Künst¬
ler (6 Deutsche, 2 Engländer, 58 Franzosen, 17 Holländer und I Italiener)
die übrigen SW waren Belgier. Hiervon wurden v Künstler zu Rittern des
Leopoldordens ernannt, 5 erhielten die goldene Medaille, 15 die silberne, 18
erhielten Geldbelohnungen. Außerdem wurden 7«> Gemälde und andere Kunst¬
gegenstände für die Verloosung angekauft. Die Subscription betrug «7,74»
Franken. Bei einer solche» Aufmunterung in einem Staate von vier Millio¬
nen Mensche» (jährlich eine officielle Ausstellung), ist der Küusilcrstaiid
allerdings lockend.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/77>, abgerufen am 23.07.2024.