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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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erkennen würde. So nüchtern, so hölzern hat Führich wohl nie ge¬
malt. Aber um des Einen Frommen willen "der Gang nach Emaus",
sei Führich Alles vergeben. Perger, dem schon manches Historische
gelungen, ist dies Jahr hinter sich selbst zurückgeblieben. Napoleon's
Ueberfahrt aus der Insel Lobau ist ein herrlicher Moment und
könnte ein gutes Bild geben. Aber ein Napoleon sieht nach der er¬
sten verlorenen Schlacht ganz anders aus; da auf dem Bilde läßt
sich ein Mann mit finsterem Gesichte, der mit Napoleon Ähn¬
lichkeit hat, über ein Wasser setzen. -- Das und nicht mehr sagt das
Bild, und dabei Alles so fahl! Auf einem anderen Bilde wollte der¬
selbe Maler TM) in einem schrecklichen Momente darstellen und macht
eine Karrikatur aus ihm. Dittenberger mit seinen Madonnen ist ab¬
geschmackt! Ich sage das so ruhig und ohne alle Kritik und Aus¬
einandersetzung, weil ich fest überzeugt bin, daß Jeder, der nur Ein
Bild von Dittenberger gesehen, mir ohne Säumen beistimme. Ich
fühlte mich gedrängt, das zu sagen, während ich alles eigentlich
Schlechte übergehe, nur weil Dittenberger in Folge des Einflusses der
sogenannten Nazarener sich ein gewisses Air gibt und dieses Air gerne
erhalten wissen möchte. Eben so freue ich mich, ganz ruhig sagen
zu können, daß "die Erweckung des heiligen WenzeSlaus" ein crasses,
häßliches, widerliches Bild ist, in Colorit und Zeichnung weniger
als schülerhaft. Das Bild aber ist von Petter Anton, und Petter ist
Director oder Professor an der hiesigen Akademie! --

Das ist die Wiener Ausstellung vom Jahre 1844. Außerdem Er¬
wähnten nur noch Heyke ausgenommen, der aus Aegypten herrliche
Orientalen mitgebracht, und eine Landschaft von Nottmann, die ich oben
aufzuzählen vergessen, ist Alles mittelmäßig und schlecht. -- Unter
den Sculpturen zeigen die Statuetten von Alezy außerordentliches Talent.

Anstatt des Schlusses erlaube ich mir einen Theil aus dem
Briefe einer geistreichen Frau hier herzusetzen. Sie schreibt, nachdem
sie noch weniger als ich gelobt, Folgendes: Was den Rest betrifft, so weiß ich
nicht, ob, wenn man nur ihn schenkte, ich ihn nach Hause tragen ließe.
Geistlosigkeit ist der eigentliche Charakter der diesjährigen Ausstel¬
lung; diese geht so weit, daß selbst Narrheit, dieser auf den Kopf
gestellte Geist, darin fehlt. Lächerliches, Verrücktes, wie in früheren
Jahren, ist kaum vorfindlich, nur die trostloseste Mittelmäßigkeit. --


erkennen würde. So nüchtern, so hölzern hat Führich wohl nie ge¬
malt. Aber um des Einen Frommen willen „der Gang nach Emaus",
sei Führich Alles vergeben. Perger, dem schon manches Historische
gelungen, ist dies Jahr hinter sich selbst zurückgeblieben. Napoleon's
Ueberfahrt aus der Insel Lobau ist ein herrlicher Moment und
könnte ein gutes Bild geben. Aber ein Napoleon sieht nach der er¬
sten verlorenen Schlacht ganz anders aus; da auf dem Bilde läßt
sich ein Mann mit finsterem Gesichte, der mit Napoleon Ähn¬
lichkeit hat, über ein Wasser setzen. — Das und nicht mehr sagt das
Bild, und dabei Alles so fahl! Auf einem anderen Bilde wollte der¬
selbe Maler TM) in einem schrecklichen Momente darstellen und macht
eine Karrikatur aus ihm. Dittenberger mit seinen Madonnen ist ab¬
geschmackt! Ich sage das so ruhig und ohne alle Kritik und Aus¬
einandersetzung, weil ich fest überzeugt bin, daß Jeder, der nur Ein
Bild von Dittenberger gesehen, mir ohne Säumen beistimme. Ich
fühlte mich gedrängt, das zu sagen, während ich alles eigentlich
Schlechte übergehe, nur weil Dittenberger in Folge des Einflusses der
sogenannten Nazarener sich ein gewisses Air gibt und dieses Air gerne
erhalten wissen möchte. Eben so freue ich mich, ganz ruhig sagen
zu können, daß „die Erweckung des heiligen WenzeSlaus" ein crasses,
häßliches, widerliches Bild ist, in Colorit und Zeichnung weniger
als schülerhaft. Das Bild aber ist von Petter Anton, und Petter ist
Director oder Professor an der hiesigen Akademie! —

Das ist die Wiener Ausstellung vom Jahre 1844. Außerdem Er¬
wähnten nur noch Heyke ausgenommen, der aus Aegypten herrliche
Orientalen mitgebracht, und eine Landschaft von Nottmann, die ich oben
aufzuzählen vergessen, ist Alles mittelmäßig und schlecht. — Unter
den Sculpturen zeigen die Statuetten von Alezy außerordentliches Talent.

Anstatt des Schlusses erlaube ich mir einen Theil aus dem
Briefe einer geistreichen Frau hier herzusetzen. Sie schreibt, nachdem
sie noch weniger als ich gelobt, Folgendes: Was den Rest betrifft, so weiß ich
nicht, ob, wenn man nur ihn schenkte, ich ihn nach Hause tragen ließe.
Geistlosigkeit ist der eigentliche Charakter der diesjährigen Ausstel¬
lung; diese geht so weit, daß selbst Narrheit, dieser auf den Kopf
gestellte Geist, darin fehlt. Lächerliches, Verrücktes, wie in früheren
Jahren, ist kaum vorfindlich, nur die trostloseste Mittelmäßigkeit. —


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[0063] erkennen würde. So nüchtern, so hölzern hat Führich wohl nie ge¬ malt. Aber um des Einen Frommen willen „der Gang nach Emaus", sei Führich Alles vergeben. Perger, dem schon manches Historische gelungen, ist dies Jahr hinter sich selbst zurückgeblieben. Napoleon's Ueberfahrt aus der Insel Lobau ist ein herrlicher Moment und könnte ein gutes Bild geben. Aber ein Napoleon sieht nach der er¬ sten verlorenen Schlacht ganz anders aus; da auf dem Bilde läßt sich ein Mann mit finsterem Gesichte, der mit Napoleon Ähn¬ lichkeit hat, über ein Wasser setzen. — Das und nicht mehr sagt das Bild, und dabei Alles so fahl! Auf einem anderen Bilde wollte der¬ selbe Maler TM) in einem schrecklichen Momente darstellen und macht eine Karrikatur aus ihm. Dittenberger mit seinen Madonnen ist ab¬ geschmackt! Ich sage das so ruhig und ohne alle Kritik und Aus¬ einandersetzung, weil ich fest überzeugt bin, daß Jeder, der nur Ein Bild von Dittenberger gesehen, mir ohne Säumen beistimme. Ich fühlte mich gedrängt, das zu sagen, während ich alles eigentlich Schlechte übergehe, nur weil Dittenberger in Folge des Einflusses der sogenannten Nazarener sich ein gewisses Air gibt und dieses Air gerne erhalten wissen möchte. Eben so freue ich mich, ganz ruhig sagen zu können, daß „die Erweckung des heiligen WenzeSlaus" ein crasses, häßliches, widerliches Bild ist, in Colorit und Zeichnung weniger als schülerhaft. Das Bild aber ist von Petter Anton, und Petter ist Director oder Professor an der hiesigen Akademie! — Das ist die Wiener Ausstellung vom Jahre 1844. Außerdem Er¬ wähnten nur noch Heyke ausgenommen, der aus Aegypten herrliche Orientalen mitgebracht, und eine Landschaft von Nottmann, die ich oben aufzuzählen vergessen, ist Alles mittelmäßig und schlecht. — Unter den Sculpturen zeigen die Statuetten von Alezy außerordentliches Talent. Anstatt des Schlusses erlaube ich mir einen Theil aus dem Briefe einer geistreichen Frau hier herzusetzen. Sie schreibt, nachdem sie noch weniger als ich gelobt, Folgendes: Was den Rest betrifft, so weiß ich nicht, ob, wenn man nur ihn schenkte, ich ihn nach Hause tragen ließe. Geistlosigkeit ist der eigentliche Charakter der diesjährigen Ausstel¬ lung; diese geht so weit, daß selbst Narrheit, dieser auf den Kopf gestellte Geist, darin fehlt. Lächerliches, Verrücktes, wie in früheren Jahren, ist kaum vorfindlich, nur die trostloseste Mittelmäßigkeit. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/63>, abgerufen am 23.12.2024.