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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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halten, so ist es Ihre Pflicht, zufolge meiner intimen Mittheilung auch
ohne diesen Auftrag ihn sorgfältig zu beobachten und Ihr Amt als
Vorgesetzter gewissenhaft zu handhaben.

"Dieser Mensch hat auch keine Religion! --'Wenn er die Mann¬
schaft in die Kirche führt, so blieb er nicht in der Messe, sondern er
ging während dieser Zeit in daS gegenüberstehende Kaffeehaus, dessen
Jlchaber ein lutherischer Schweizer-'ist, und mit dem er ein intimer
Freund war. Bei ihm kehren Juden mit katholischen Geistlichen ein,
-- ihm gilt Jeder gleich, und als ich ihn hierüber reprimandirte,
gab er mir zur Antwort: Christus war ein Jude!------

"nebstbei ist dieser Lieutenant im höchsten Grade verschuldet!
Er hatte früher sehr lucröse Anstellungen und ist, ohne ein Debaucheur
zu sein, blos aus Schwäche, Leichtgläubigkeit, zu großer Freigebigkeit,
Gastfreundschaft, aus Bravour-Wohlthätigkeit, und aus leichtsinnigem
Bürgschaftleisten, -- aus übermüthigem Borgen und endlich aus
einem unbegreiflichen Credit -- in seinen derangirten Zustand gera¬
then. In diesem Zustande müssen Sie ihn zu erhalten suchen;
denn ein Mensch, der kein Geld hat und obendrein Schulden,
den kann man unschädlich machen,' wie man will, und wenn
Sie den Plan verfolgen, den ich entworfen und zur Ausführung ge¬
bracht hätte, wenn dieser Lieutenant unter meinem Kommando ge¬
blieben wäre, -- so müßte er cassirt oder bei aller seiner Gescheidt-
heit doch wenigstens pensionirt werden. Dahin^müssen Sie daher
wirken, -- bringen Sie ihn bei seiner anerkannten, vielseitigen Bil¬
dung, Brauchbarkeit, -- seiner conservirten Lebensfrische dahin, daß er
pensionirt werde, so ist er dann für immer verloren und für die
gute Sache unschädlich. Dann werden ihm alle seine Freunde ab¬
fallen, und er müßte dann die Beredsamkeit eines Demosthenes und
eines Cicero besitzen, um auch den Nicht-Militärs zu erweisen, daß
er nicht selbst seinen politischen Mord verschuldet habe. --

"Ich habe ihn so viel als möglich decreditirt und seinen Kame-
raden bei ihrem heiligen Ehrenworte zur Pflicht gemacht, ihm nie
aus Verlegenheiten zu helfen, und mein Plan ist mir herrlich ge¬
glückt. Seine Kameraden, die sein Uebergewicht fühlten, folgten mei¬
nem Rathe, und das Civile schreckte ich durch seine Insolvenz ab.
Er mußte daher zu Wucherern, und von allen Seiten gedrängt, zu
verzweifelten Mitteln, die er verabscheute, seine Zuflucht nehmen. --


halten, so ist es Ihre Pflicht, zufolge meiner intimen Mittheilung auch
ohne diesen Auftrag ihn sorgfältig zu beobachten und Ihr Amt als
Vorgesetzter gewissenhaft zu handhaben.

„Dieser Mensch hat auch keine Religion! —'Wenn er die Mann¬
schaft in die Kirche führt, so blieb er nicht in der Messe, sondern er
ging während dieser Zeit in daS gegenüberstehende Kaffeehaus, dessen
Jlchaber ein lutherischer Schweizer-'ist, und mit dem er ein intimer
Freund war. Bei ihm kehren Juden mit katholischen Geistlichen ein,
— ihm gilt Jeder gleich, und als ich ihn hierüber reprimandirte,
gab er mir zur Antwort: Christus war ein Jude!------

„nebstbei ist dieser Lieutenant im höchsten Grade verschuldet!
Er hatte früher sehr lucröse Anstellungen und ist, ohne ein Debaucheur
zu sein, blos aus Schwäche, Leichtgläubigkeit, zu großer Freigebigkeit,
Gastfreundschaft, aus Bravour-Wohlthätigkeit, und aus leichtsinnigem
Bürgschaftleisten, — aus übermüthigem Borgen und endlich aus
einem unbegreiflichen Credit — in seinen derangirten Zustand gera¬
then. In diesem Zustande müssen Sie ihn zu erhalten suchen;
denn ein Mensch, der kein Geld hat und obendrein Schulden,
den kann man unschädlich machen,' wie man will, und wenn
Sie den Plan verfolgen, den ich entworfen und zur Ausführung ge¬
bracht hätte, wenn dieser Lieutenant unter meinem Kommando ge¬
blieben wäre, — so müßte er cassirt oder bei aller seiner Gescheidt-
heit doch wenigstens pensionirt werden. Dahin^müssen Sie daher
wirken, — bringen Sie ihn bei seiner anerkannten, vielseitigen Bil¬
dung, Brauchbarkeit, — seiner conservirten Lebensfrische dahin, daß er
pensionirt werde, so ist er dann für immer verloren und für die
gute Sache unschädlich. Dann werden ihm alle seine Freunde ab¬
fallen, und er müßte dann die Beredsamkeit eines Demosthenes und
eines Cicero besitzen, um auch den Nicht-Militärs zu erweisen, daß
er nicht selbst seinen politischen Mord verschuldet habe. —

„Ich habe ihn so viel als möglich decreditirt und seinen Kame-
raden bei ihrem heiligen Ehrenworte zur Pflicht gemacht, ihm nie
aus Verlegenheiten zu helfen, und mein Plan ist mir herrlich ge¬
glückt. Seine Kameraden, die sein Uebergewicht fühlten, folgten mei¬
nem Rathe, und das Civile schreckte ich durch seine Insolvenz ab.
Er mußte daher zu Wucherern, und von allen Seiten gedrängt, zu
verzweifelten Mitteln, die er verabscheute, seine Zuflucht nehmen. —


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[0604] halten, so ist es Ihre Pflicht, zufolge meiner intimen Mittheilung auch ohne diesen Auftrag ihn sorgfältig zu beobachten und Ihr Amt als Vorgesetzter gewissenhaft zu handhaben. „Dieser Mensch hat auch keine Religion! —'Wenn er die Mann¬ schaft in die Kirche führt, so blieb er nicht in der Messe, sondern er ging während dieser Zeit in daS gegenüberstehende Kaffeehaus, dessen Jlchaber ein lutherischer Schweizer-'ist, und mit dem er ein intimer Freund war. Bei ihm kehren Juden mit katholischen Geistlichen ein, — ihm gilt Jeder gleich, und als ich ihn hierüber reprimandirte, gab er mir zur Antwort: Christus war ein Jude!------ „nebstbei ist dieser Lieutenant im höchsten Grade verschuldet! Er hatte früher sehr lucröse Anstellungen und ist, ohne ein Debaucheur zu sein, blos aus Schwäche, Leichtgläubigkeit, zu großer Freigebigkeit, Gastfreundschaft, aus Bravour-Wohlthätigkeit, und aus leichtsinnigem Bürgschaftleisten, — aus übermüthigem Borgen und endlich aus einem unbegreiflichen Credit — in seinen derangirten Zustand gera¬ then. In diesem Zustande müssen Sie ihn zu erhalten suchen; denn ein Mensch, der kein Geld hat und obendrein Schulden, den kann man unschädlich machen,' wie man will, und wenn Sie den Plan verfolgen, den ich entworfen und zur Ausführung ge¬ bracht hätte, wenn dieser Lieutenant unter meinem Kommando ge¬ blieben wäre, — so müßte er cassirt oder bei aller seiner Gescheidt- heit doch wenigstens pensionirt werden. Dahin^müssen Sie daher wirken, — bringen Sie ihn bei seiner anerkannten, vielseitigen Bil¬ dung, Brauchbarkeit, — seiner conservirten Lebensfrische dahin, daß er pensionirt werde, so ist er dann für immer verloren und für die gute Sache unschädlich. Dann werden ihm alle seine Freunde ab¬ fallen, und er müßte dann die Beredsamkeit eines Demosthenes und eines Cicero besitzen, um auch den Nicht-Militärs zu erweisen, daß er nicht selbst seinen politischen Mord verschuldet habe. — „Ich habe ihn so viel als möglich decreditirt und seinen Kame- raden bei ihrem heiligen Ehrenworte zur Pflicht gemacht, ihm nie aus Verlegenheiten zu helfen, und mein Plan ist mir herrlich ge¬ glückt. Seine Kameraden, die sein Uebergewicht fühlten, folgten mei¬ nem Rathe, und das Civile schreckte ich durch seine Insolvenz ab. Er mußte daher zu Wucherern, und von allen Seiten gedrängt, zu verzweifelten Mitteln, die er verabscheute, seine Zuflucht nehmen. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/604>, abgerufen am 23.12.2024.