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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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einander am Hals und herzen sich. Wart, es soll nicht wieder ge¬
schehen !

Da wurden alle beide roth bis über die Ohren, Georg aber
sagte: Du bist selbst Schuld daran, und habe ich eine Sünde ge¬
than, so war sie doch so schön, daß ich sie alle Tage tausendmal
thun möchte. Manche Leute wollen auch wissen, daß Georg seine
Geliebte in des Bruders Beisein zum Abschiede noch einmal recht
herzlich geküßt habe.

Am folgenden Tage rief ihn sein Patron wieder in das Cabi-
net und redete folgendermaßen zu ihm: Lieber Sohn, ich bin nun¬
mehr alt und wünsche in Ruhe zu leben; deshalb habe ich gestern
Abend mit meinen Söhnen einen Plan besprochen, der nur Deiner
Beistimmung bedarf, um uns Alle zufrieden zu stellen. Du stehst
nun seit geraumer Zeit mit mir an der Spitze meines Geschäfts und
hast mit so viel Glück und Geschick sür mich gearbeitet, daß sich mein
Reichthum unter Deinen Händen fast verdoppelt hat. Ich sähe es
nun gern, wenn einer meiner Söhne in meine Fußtapfen träte, aber
da will der Eine die Rechte studiren, der Andere macht Verse und
glaubt es zu einem großen Dichter zu bringen, der Dritte aber will
auf den Rath seiner Mutter sein Leben der heiligen Kirche weihen
und Mönch werden. Unter solchen Umständen würde mein schönes,
blühendes Handelsgeschäft an einen ganz Fremden kommen, wenn ich
Dich nicht hätte. Mein Plan ist nun der: Das Vermögen bleibt
unter Deinen Händen beisammen und Du führst für Deine und
meiner Söhne Rechnung die Handlung fort. Außer dem Vermögen,
waS Du Dir jetzt schon zurückgelegt, hast Du noch eben so viel
Theil an meinem Reichthum, wie jeder meiner Söhne. Gehst Du
auf diesen Plan ein, so gehörst Du von jetzt an zu den reichsten
Leuten in Venedig und kannst Deine Augen schon ein wenig hoch
emporheben. Du bist eben so reich, wie der stolze Rathsherr, und
stammt er auch aus einem alten edeln Geschlechte, ich will es doch
wagen, sür Dich Brautwerber zu sein!

Da stürzte Georg dem edeln Manne an die Brust und mochte
es nicht glauben und konnte sich gar nicht fassen. Der aber sagte:
Ich habe mir den Grund zu meinen Reichthümern in Deiner H"-
mals geholt, und es ist meine Schuldigkeit, Dich daran Theil haben


einander am Hals und herzen sich. Wart, es soll nicht wieder ge¬
schehen !

Da wurden alle beide roth bis über die Ohren, Georg aber
sagte: Du bist selbst Schuld daran, und habe ich eine Sünde ge¬
than, so war sie doch so schön, daß ich sie alle Tage tausendmal
thun möchte. Manche Leute wollen auch wissen, daß Georg seine
Geliebte in des Bruders Beisein zum Abschiede noch einmal recht
herzlich geküßt habe.

Am folgenden Tage rief ihn sein Patron wieder in das Cabi-
net und redete folgendermaßen zu ihm: Lieber Sohn, ich bin nun¬
mehr alt und wünsche in Ruhe zu leben; deshalb habe ich gestern
Abend mit meinen Söhnen einen Plan besprochen, der nur Deiner
Beistimmung bedarf, um uns Alle zufrieden zu stellen. Du stehst
nun seit geraumer Zeit mit mir an der Spitze meines Geschäfts und
hast mit so viel Glück und Geschick sür mich gearbeitet, daß sich mein
Reichthum unter Deinen Händen fast verdoppelt hat. Ich sähe es
nun gern, wenn einer meiner Söhne in meine Fußtapfen träte, aber
da will der Eine die Rechte studiren, der Andere macht Verse und
glaubt es zu einem großen Dichter zu bringen, der Dritte aber will
auf den Rath seiner Mutter sein Leben der heiligen Kirche weihen
und Mönch werden. Unter solchen Umständen würde mein schönes,
blühendes Handelsgeschäft an einen ganz Fremden kommen, wenn ich
Dich nicht hätte. Mein Plan ist nun der: Das Vermögen bleibt
unter Deinen Händen beisammen und Du führst für Deine und
meiner Söhne Rechnung die Handlung fort. Außer dem Vermögen,
waS Du Dir jetzt schon zurückgelegt, hast Du noch eben so viel
Theil an meinem Reichthum, wie jeder meiner Söhne. Gehst Du
auf diesen Plan ein, so gehörst Du von jetzt an zu den reichsten
Leuten in Venedig und kannst Deine Augen schon ein wenig hoch
emporheben. Du bist eben so reich, wie der stolze Rathsherr, und
stammt er auch aus einem alten edeln Geschlechte, ich will es doch
wagen, sür Dich Brautwerber zu sein!

Da stürzte Georg dem edeln Manne an die Brust und mochte
es nicht glauben und konnte sich gar nicht fassen. Der aber sagte:
Ich habe mir den Grund zu meinen Reichthümern in Deiner H"-
mals geholt, und es ist meine Schuldigkeit, Dich daran Theil haben


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[0592] einander am Hals und herzen sich. Wart, es soll nicht wieder ge¬ schehen ! Da wurden alle beide roth bis über die Ohren, Georg aber sagte: Du bist selbst Schuld daran, und habe ich eine Sünde ge¬ than, so war sie doch so schön, daß ich sie alle Tage tausendmal thun möchte. Manche Leute wollen auch wissen, daß Georg seine Geliebte in des Bruders Beisein zum Abschiede noch einmal recht herzlich geküßt habe. Am folgenden Tage rief ihn sein Patron wieder in das Cabi- net und redete folgendermaßen zu ihm: Lieber Sohn, ich bin nun¬ mehr alt und wünsche in Ruhe zu leben; deshalb habe ich gestern Abend mit meinen Söhnen einen Plan besprochen, der nur Deiner Beistimmung bedarf, um uns Alle zufrieden zu stellen. Du stehst nun seit geraumer Zeit mit mir an der Spitze meines Geschäfts und hast mit so viel Glück und Geschick sür mich gearbeitet, daß sich mein Reichthum unter Deinen Händen fast verdoppelt hat. Ich sähe es nun gern, wenn einer meiner Söhne in meine Fußtapfen träte, aber da will der Eine die Rechte studiren, der Andere macht Verse und glaubt es zu einem großen Dichter zu bringen, der Dritte aber will auf den Rath seiner Mutter sein Leben der heiligen Kirche weihen und Mönch werden. Unter solchen Umständen würde mein schönes, blühendes Handelsgeschäft an einen ganz Fremden kommen, wenn ich Dich nicht hätte. Mein Plan ist nun der: Das Vermögen bleibt unter Deinen Händen beisammen und Du führst für Deine und meiner Söhne Rechnung die Handlung fort. Außer dem Vermögen, waS Du Dir jetzt schon zurückgelegt, hast Du noch eben so viel Theil an meinem Reichthum, wie jeder meiner Söhne. Gehst Du auf diesen Plan ein, so gehörst Du von jetzt an zu den reichsten Leuten in Venedig und kannst Deine Augen schon ein wenig hoch emporheben. Du bist eben so reich, wie der stolze Rathsherr, und stammt er auch aus einem alten edeln Geschlechte, ich will es doch wagen, sür Dich Brautwerber zu sein! Da stürzte Georg dem edeln Manne an die Brust und mochte es nicht glauben und konnte sich gar nicht fassen. Der aber sagte: Ich habe mir den Grund zu meinen Reichthümern in Deiner H"- mals geholt, und es ist meine Schuldigkeit, Dich daran Theil haben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/592>, abgerufen am 26.08.2024.