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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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und baue noch ein wenig auf meine Freundschaft und meiner Schwe¬
ster Liebe. Unser Vater will uns zwar nicht gestatten, bei seinen
Plänen ein Wort mitzureden, aber im Nothfall wissen wir am Ende
auch unsere Stimme geltend zu machen, denn klug sind wir Italiener
alle. Uebrigens kommst Du jetzt mit zu mir, ich werde Dir Gele¬
genheit geben, meine Schwester einige Augenblicke allein zu sprechen.
Da sagst Du ihr, daß Du sie liebst!

-- Um Gotteswillen, nein! Das kann ich nicht! rief Georg, und
wozu das? sie weiß ja, daß ich sie liebe!

-- Den Mädchen, unseren Italienerinnen namentlich, ist eS nicht
genug, zu wissen, daß man sie liebt; sie wollen auch, daß man es
ihnen sagt. Bis jetzt konntest Du Deine Liebe nicht anders zeigen,
als Du es gethan hast; bist Du aber nur einen Augenblick mit ihr
allein und Du läßt ihn unbenützt verstreichen, so wird sie an Deiner
Liebe zweifeln und dann ist Alles aus, oder sie hält Dich für feig,
und dann ist auch die Liebe weg; denn nur durch kühne Entschlos¬
senheit .macht man bei unseren Mädchen Glück. Liebst Du Laura?

-- Wie kannst Du noch daran zweifeln? sagte Georg und sein
Freund fuhr fort: So sag' es ihr! Fährmann, nach meiner Wohnung!
'

Nach einer Weile waren sie in Lauras Haus. Georg stand
im Zimmer seines Freundes, der hinausgegangen war, aber bald zu¬
rückkehrte. Das Herz klopfte ihm gar gewaltig.

Es dauerte nicht lange, so erschien auch Laura und sprach ziem¬
lich unbefangen mit ihrem Bruder und Georg. Unter irgend einem
Vorwande ging ihr Bruder hinaus. Da stand Laura und schlug
die Augen nieder, aber ihre Wangen waren roth, wie der Himmej,
ehe die Sonne aufgeht. Georg sah sie an, aber seine Sinne waren
wie betäubt. Endlich flüsterte er leise: Laura! und sie antwortete,
ohne das Auge zu erheben: Georg! Da waren die Fesseln gebrochen,
er stürzte vor ihr auf die Kniee; was er sagte, weiß ich nicht, als
aber nach einigen Augenblicken Laura's Bruder leise die Thüre öff¬
nete, sah er eben, wie Georg einen recht herzhaften Kuß auf Lau¬
ra'S rosige Lippen drückte.

-- El, el! rief es plötzlich hinter ihnen, da sehe mir Einer die
Leute an. Kaum einen Augenblick darf man den tugendhaften Haus¬
freund mit der sittsamen Schwester allein lassen, so liegen sie°schon


und baue noch ein wenig auf meine Freundschaft und meiner Schwe¬
ster Liebe. Unser Vater will uns zwar nicht gestatten, bei seinen
Plänen ein Wort mitzureden, aber im Nothfall wissen wir am Ende
auch unsere Stimme geltend zu machen, denn klug sind wir Italiener
alle. Uebrigens kommst Du jetzt mit zu mir, ich werde Dir Gele¬
genheit geben, meine Schwester einige Augenblicke allein zu sprechen.
Da sagst Du ihr, daß Du sie liebst!

— Um Gotteswillen, nein! Das kann ich nicht! rief Georg, und
wozu das? sie weiß ja, daß ich sie liebe!

— Den Mädchen, unseren Italienerinnen namentlich, ist eS nicht
genug, zu wissen, daß man sie liebt; sie wollen auch, daß man es
ihnen sagt. Bis jetzt konntest Du Deine Liebe nicht anders zeigen,
als Du es gethan hast; bist Du aber nur einen Augenblick mit ihr
allein und Du läßt ihn unbenützt verstreichen, so wird sie an Deiner
Liebe zweifeln und dann ist Alles aus, oder sie hält Dich für feig,
und dann ist auch die Liebe weg; denn nur durch kühne Entschlos¬
senheit .macht man bei unseren Mädchen Glück. Liebst Du Laura?

— Wie kannst Du noch daran zweifeln? sagte Georg und sein
Freund fuhr fort: So sag' es ihr! Fährmann, nach meiner Wohnung!
'

Nach einer Weile waren sie in Lauras Haus. Georg stand
im Zimmer seines Freundes, der hinausgegangen war, aber bald zu¬
rückkehrte. Das Herz klopfte ihm gar gewaltig.

Es dauerte nicht lange, so erschien auch Laura und sprach ziem¬
lich unbefangen mit ihrem Bruder und Georg. Unter irgend einem
Vorwande ging ihr Bruder hinaus. Da stand Laura und schlug
die Augen nieder, aber ihre Wangen waren roth, wie der Himmej,
ehe die Sonne aufgeht. Georg sah sie an, aber seine Sinne waren
wie betäubt. Endlich flüsterte er leise: Laura! und sie antwortete,
ohne das Auge zu erheben: Georg! Da waren die Fesseln gebrochen,
er stürzte vor ihr auf die Kniee; was er sagte, weiß ich nicht, als
aber nach einigen Augenblicken Laura's Bruder leise die Thüre öff¬
nete, sah er eben, wie Georg einen recht herzhaften Kuß auf Lau¬
ra'S rosige Lippen drückte.

— El, el! rief es plötzlich hinter ihnen, da sehe mir Einer die
Leute an. Kaum einen Augenblick darf man den tugendhaften Haus¬
freund mit der sittsamen Schwester allein lassen, so liegen sie°schon


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[0591] und baue noch ein wenig auf meine Freundschaft und meiner Schwe¬ ster Liebe. Unser Vater will uns zwar nicht gestatten, bei seinen Plänen ein Wort mitzureden, aber im Nothfall wissen wir am Ende auch unsere Stimme geltend zu machen, denn klug sind wir Italiener alle. Uebrigens kommst Du jetzt mit zu mir, ich werde Dir Gele¬ genheit geben, meine Schwester einige Augenblicke allein zu sprechen. Da sagst Du ihr, daß Du sie liebst! — Um Gotteswillen, nein! Das kann ich nicht! rief Georg, und wozu das? sie weiß ja, daß ich sie liebe! — Den Mädchen, unseren Italienerinnen namentlich, ist eS nicht genug, zu wissen, daß man sie liebt; sie wollen auch, daß man es ihnen sagt. Bis jetzt konntest Du Deine Liebe nicht anders zeigen, als Du es gethan hast; bist Du aber nur einen Augenblick mit ihr allein und Du läßt ihn unbenützt verstreichen, so wird sie an Deiner Liebe zweifeln und dann ist Alles aus, oder sie hält Dich für feig, und dann ist auch die Liebe weg; denn nur durch kühne Entschlos¬ senheit .macht man bei unseren Mädchen Glück. Liebst Du Laura? — Wie kannst Du noch daran zweifeln? sagte Georg und sein Freund fuhr fort: So sag' es ihr! Fährmann, nach meiner Wohnung! ' Nach einer Weile waren sie in Lauras Haus. Georg stand im Zimmer seines Freundes, der hinausgegangen war, aber bald zu¬ rückkehrte. Das Herz klopfte ihm gar gewaltig. Es dauerte nicht lange, so erschien auch Laura und sprach ziem¬ lich unbefangen mit ihrem Bruder und Georg. Unter irgend einem Vorwande ging ihr Bruder hinaus. Da stand Laura und schlug die Augen nieder, aber ihre Wangen waren roth, wie der Himmej, ehe die Sonne aufgeht. Georg sah sie an, aber seine Sinne waren wie betäubt. Endlich flüsterte er leise: Laura! und sie antwortete, ohne das Auge zu erheben: Georg! Da waren die Fesseln gebrochen, er stürzte vor ihr auf die Kniee; was er sagte, weiß ich nicht, als aber nach einigen Augenblicken Laura's Bruder leise die Thüre öff¬ nete, sah er eben, wie Georg einen recht herzhaften Kuß auf Lau¬ ra'S rosige Lippen drückte. — El, el! rief es plötzlich hinter ihnen, da sehe mir Einer die Leute an. Kaum einen Augenblick darf man den tugendhaften Haus¬ freund mit der sittsamen Schwester allein lassen, so liegen sie°schon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/591>, abgerufen am 23.07.2024.