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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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nur immer Dein Geheimniß, in meiner Brust soll es gut ruhen. Du
zweifelst doch nicht an mir?

Da erhob Georg das schwarze Auge und schaute tief in die
Seele deö Freundes: So wisse es denn--ich liebe Deine Schwester!

Der junge Venetianer sprach lächelnd: Glaubst Du, daß ich
dies jetzt erst erfahre? El, el, mein Freund, wie kannst Du mir so
wenig Scharfsinn zutrauen! Und ich bin meiner Schwester mehr als
Bruder, ich bin ihr Vertrauter und weiß schon längst, was in ihrem
kleinen Herzen vorgeht. Da drückte Georg seinen Freund an die
Brust, daß der fast schreien mußte, und fragte, aber kaum halblaut:
Und darf ich hoffen?

-- Wenn es auf meine Schwester ankäme, entgegnete dieser, so
wäre sie Dein, denn Deine Kette hebt sie gleich neben ihrem Mut-
tergortesbild auf -- aber wo hast Du die Kette meiner Schwester?
Ich habe sie noch nicht bei Dir gesehen!

-- Was Einem das Liebste ist, trägt man nicht vor allen Leu¬
ten zur Schau! sagte Georg und zeigte dem Freunde die Kette. Sie
ruhte gleich auf seinem Herzen.

-- Es ist doch merkwürdig, fuhr der Venetianer fort, mit welch
einer rührenden Innigkeit Ihr Deutschen liebr. Wir Italiener lieben
glühend heiß, aber unsere Muth verfliegt oft wie ein Srrohfeuer.
Sieh, das Mädchen, wegen welcher ich neulich in Lebensgefahr kam, habe
ich abgedankt, und nun ist mein Nebenbuhler Hahn im Korbe. Aber
meine Schwester hat so eine Art deutscher Natur, und ich weiß, Ihr
würdet einander glücklich machen, und ich gönne meine Schwester
keinem Schlechteren, als Du bist; einen Besseren aber habe ich bis
jetzt noch nicht gefunden. Aber dennoch steht Euere Sache ziemlich
hoffnungslos. Damit es Dir nicht zu überraschend kommt, wisse es
nur, daß mein Vater Laura mit dem Sohne des Herzogs zu ver¬
mählen gedenkt, und auch der Herzog wünscht dies, denn unsere Fa¬
milien sind von jeher befreundet. Fasse Dich also, wenn Deine Hoff¬
nung eitel werden sollte!

-- So ist Laura's Hochzeitstag mein Todestag! flüsterte Ge¬
org, beugte sich über den Rand der Gondel und schaute mit einem
so melancholischen, verliebten Blick in das Wasser, als möchte er lie¬
ber gleich jetzt hinunterspringen. Sein Freund sagte: Es ist doch ein
Unglück, so schwärmerisch zu lieben! Aber jetzt verliere den Kopf nicht


nur immer Dein Geheimniß, in meiner Brust soll es gut ruhen. Du
zweifelst doch nicht an mir?

Da erhob Georg das schwarze Auge und schaute tief in die
Seele deö Freundes: So wisse es denn—ich liebe Deine Schwester!

Der junge Venetianer sprach lächelnd: Glaubst Du, daß ich
dies jetzt erst erfahre? El, el, mein Freund, wie kannst Du mir so
wenig Scharfsinn zutrauen! Und ich bin meiner Schwester mehr als
Bruder, ich bin ihr Vertrauter und weiß schon längst, was in ihrem
kleinen Herzen vorgeht. Da drückte Georg seinen Freund an die
Brust, daß der fast schreien mußte, und fragte, aber kaum halblaut:
Und darf ich hoffen?

— Wenn es auf meine Schwester ankäme, entgegnete dieser, so
wäre sie Dein, denn Deine Kette hebt sie gleich neben ihrem Mut-
tergortesbild auf — aber wo hast Du die Kette meiner Schwester?
Ich habe sie noch nicht bei Dir gesehen!

— Was Einem das Liebste ist, trägt man nicht vor allen Leu¬
ten zur Schau! sagte Georg und zeigte dem Freunde die Kette. Sie
ruhte gleich auf seinem Herzen.

— Es ist doch merkwürdig, fuhr der Venetianer fort, mit welch
einer rührenden Innigkeit Ihr Deutschen liebr. Wir Italiener lieben
glühend heiß, aber unsere Muth verfliegt oft wie ein Srrohfeuer.
Sieh, das Mädchen, wegen welcher ich neulich in Lebensgefahr kam, habe
ich abgedankt, und nun ist mein Nebenbuhler Hahn im Korbe. Aber
meine Schwester hat so eine Art deutscher Natur, und ich weiß, Ihr
würdet einander glücklich machen, und ich gönne meine Schwester
keinem Schlechteren, als Du bist; einen Besseren aber habe ich bis
jetzt noch nicht gefunden. Aber dennoch steht Euere Sache ziemlich
hoffnungslos. Damit es Dir nicht zu überraschend kommt, wisse es
nur, daß mein Vater Laura mit dem Sohne des Herzogs zu ver¬
mählen gedenkt, und auch der Herzog wünscht dies, denn unsere Fa¬
milien sind von jeher befreundet. Fasse Dich also, wenn Deine Hoff¬
nung eitel werden sollte!

— So ist Laura's Hochzeitstag mein Todestag! flüsterte Ge¬
org, beugte sich über den Rand der Gondel und schaute mit einem
so melancholischen, verliebten Blick in das Wasser, als möchte er lie¬
ber gleich jetzt hinunterspringen. Sein Freund sagte: Es ist doch ein
Unglück, so schwärmerisch zu lieben! Aber jetzt verliere den Kopf nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/590>, abgerufen am 23.07.2024.