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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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erzählte, und allemal, wenn er im Frühjahr aus seiner Heimath
kam, viele schöne Sachen für sie mitbrachte, so hatten ihn die Leute
gern, und er war gehalten wie ein lieber Bruder.

Einmal aber, als die Preißelsbeeren wieder reif, die Bäche
aber kalt wurden, sagte er seinen Wirthsleuten und den Kindern,
die ihn sehr liebten, daß er nun fortginge und auch nicht wiederkäme,
denn er wolle nun in der Heimath ruhig seines Reichthums genießen.
Das ging denn den armen Leuten sehr zu Herzen, die Kinder aber
waren ganz betrübt. Der älteste Sohn des Bauers besonders, der
nach dem Namen seines Vaters Georg hieß und ein starker und
braver Bursch von sechszehn Jahren war, konnte es gar nicht den¬
ken, daß er sich von seinem Freunde trennen sollte, der auch ihn
besonders in das Herz geschlossen hatte, und er siel dem Walen ein¬
mal um das andere um den Hals und sagte: Ach, bleibt doch
bei uns!

Der Fremde aber sprach: Georg, es wird mir schwer, mich von
Euch zu trennen, denn Ihr seid so biedere Leute, wie man sie selten
findet, und dennoch muß ich fort. Denn sieh', ich habe zu Hause
in meiner Heimath auch ein trautes Weib und drei liebe Knaben,
und es thut nicht gut, wenn der Vater immer von den Seinen ge¬
trennt leben muß. Deshalb will ich fort und darf nun auch nicht
wieder kommen. Aber hast Du mich so lieb, wie ich Dich habe,
und hast Du Lust, die Welt kennen zu lernen, so komme Du mit
mir in meine Heimath, und ich will Dich halten und für Dich sor¬
gen, als ob Du mein Kind wärst. Bist Du dann etwas Rechtes
geworden, so magst Du immerhin wieder in Dein Vaterland zurück¬
kommen; wer aber in der Heimath sitzen bleibt, aus dem wird sein
Lebelang nichts Rechtes.

Da rief Georg ganz trunken vor Freude: Ich komme mit Euch,
und wenn Ihr am Ende der Welt wohntet!

Der Vater und die Mutter aber entsetzten sich sehr, daß mit
dem lieben Gaste auch ihr Sohn sort wollte, und die Mutter sagte:
Gorge, daraus kann nun und nimmermehr Etwas werden! Wenn
Du fortgingst, ich könnte mich nicht trösten und härmte mich zu
Tode! und dabei sing sie an zu schluchzen, daß es einen Stein hätte
erbarmen mögen. Der Vater sagte auch: Lieber Freund, es ist nicht
recht von Euch, daß Ihr meinem Jungen solche Sachen in den


Grcuzliotsn l8/.i. II.

erzählte, und allemal, wenn er im Frühjahr aus seiner Heimath
kam, viele schöne Sachen für sie mitbrachte, so hatten ihn die Leute
gern, und er war gehalten wie ein lieber Bruder.

Einmal aber, als die Preißelsbeeren wieder reif, die Bäche
aber kalt wurden, sagte er seinen Wirthsleuten und den Kindern,
die ihn sehr liebten, daß er nun fortginge und auch nicht wiederkäme,
denn er wolle nun in der Heimath ruhig seines Reichthums genießen.
Das ging denn den armen Leuten sehr zu Herzen, die Kinder aber
waren ganz betrübt. Der älteste Sohn des Bauers besonders, der
nach dem Namen seines Vaters Georg hieß und ein starker und
braver Bursch von sechszehn Jahren war, konnte es gar nicht den¬
ken, daß er sich von seinem Freunde trennen sollte, der auch ihn
besonders in das Herz geschlossen hatte, und er siel dem Walen ein¬
mal um das andere um den Hals und sagte: Ach, bleibt doch
bei uns!

Der Fremde aber sprach: Georg, es wird mir schwer, mich von
Euch zu trennen, denn Ihr seid so biedere Leute, wie man sie selten
findet, und dennoch muß ich fort. Denn sieh', ich habe zu Hause
in meiner Heimath auch ein trautes Weib und drei liebe Knaben,
und es thut nicht gut, wenn der Vater immer von den Seinen ge¬
trennt leben muß. Deshalb will ich fort und darf nun auch nicht
wieder kommen. Aber hast Du mich so lieb, wie ich Dich habe,
und hast Du Lust, die Welt kennen zu lernen, so komme Du mit
mir in meine Heimath, und ich will Dich halten und für Dich sor¬
gen, als ob Du mein Kind wärst. Bist Du dann etwas Rechtes
geworden, so magst Du immerhin wieder in Dein Vaterland zurück¬
kommen; wer aber in der Heimath sitzen bleibt, aus dem wird sein
Lebelang nichts Rechtes.

Da rief Georg ganz trunken vor Freude: Ich komme mit Euch,
und wenn Ihr am Ende der Welt wohntet!

Der Vater und die Mutter aber entsetzten sich sehr, daß mit
dem lieben Gaste auch ihr Sohn sort wollte, und die Mutter sagte:
Gorge, daraus kann nun und nimmermehr Etwas werden! Wenn
Du fortgingst, ich könnte mich nicht trösten und härmte mich zu
Tode! und dabei sing sie an zu schluchzen, daß es einen Stein hätte
erbarmen mögen. Der Vater sagte auch: Lieber Freund, es ist nicht
recht von Euch, daß Ihr meinem Jungen solche Sachen in den


Grcuzliotsn l8/.i. II.
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[0537] erzählte, und allemal, wenn er im Frühjahr aus seiner Heimath kam, viele schöne Sachen für sie mitbrachte, so hatten ihn die Leute gern, und er war gehalten wie ein lieber Bruder. Einmal aber, als die Preißelsbeeren wieder reif, die Bäche aber kalt wurden, sagte er seinen Wirthsleuten und den Kindern, die ihn sehr liebten, daß er nun fortginge und auch nicht wiederkäme, denn er wolle nun in der Heimath ruhig seines Reichthums genießen. Das ging denn den armen Leuten sehr zu Herzen, die Kinder aber waren ganz betrübt. Der älteste Sohn des Bauers besonders, der nach dem Namen seines Vaters Georg hieß und ein starker und braver Bursch von sechszehn Jahren war, konnte es gar nicht den¬ ken, daß er sich von seinem Freunde trennen sollte, der auch ihn besonders in das Herz geschlossen hatte, und er siel dem Walen ein¬ mal um das andere um den Hals und sagte: Ach, bleibt doch bei uns! Der Fremde aber sprach: Georg, es wird mir schwer, mich von Euch zu trennen, denn Ihr seid so biedere Leute, wie man sie selten findet, und dennoch muß ich fort. Denn sieh', ich habe zu Hause in meiner Heimath auch ein trautes Weib und drei liebe Knaben, und es thut nicht gut, wenn der Vater immer von den Seinen ge¬ trennt leben muß. Deshalb will ich fort und darf nun auch nicht wieder kommen. Aber hast Du mich so lieb, wie ich Dich habe, und hast Du Lust, die Welt kennen zu lernen, so komme Du mit mir in meine Heimath, und ich will Dich halten und für Dich sor¬ gen, als ob Du mein Kind wärst. Bist Du dann etwas Rechtes geworden, so magst Du immerhin wieder in Dein Vaterland zurück¬ kommen; wer aber in der Heimath sitzen bleibt, aus dem wird sein Lebelang nichts Rechtes. Da rief Georg ganz trunken vor Freude: Ich komme mit Euch, und wenn Ihr am Ende der Welt wohntet! Der Vater und die Mutter aber entsetzten sich sehr, daß mit dem lieben Gaste auch ihr Sohn sort wollte, und die Mutter sagte: Gorge, daraus kann nun und nimmermehr Etwas werden! Wenn Du fortgingst, ich könnte mich nicht trösten und härmte mich zu Tode! und dabei sing sie an zu schluchzen, daß es einen Stein hätte erbarmen mögen. Der Vater sagte auch: Lieber Freund, es ist nicht recht von Euch, daß Ihr meinem Jungen solche Sachen in den Grcuzliotsn l8/.i. II.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/537>, abgerufen am 23.12.2024.