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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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blicken zu lassen, den mein Herr hinter einem zweideutigen Lächeln
verbarg, wiederholte er ihm die gemachten Propositionen und setzte
hinzu: Nun können Sie um so unbefangener Ihre Meinung abge¬
ben, nachdem Sie die früheren ?rü ot ('""tut überhört haben. Die
Herren Offiziere lachten alle schadenfroh, ohne jedoch den Lieutenant
aus der Contenance zu bringen, welcher auf der Stelle folgende merk¬
würdige Antwort abgab: Diese Batterie wurde unter der Regierung
des größten Mannes, den das vorige Jahrhundert hervorbrachte und
das jetzige umbrachte, unter den Augen seiner berühmtesten Marschälle
erbaut, und es wäre daher eine unverschämte Anmaßung von einem
Garnisonsartillerielieutenant, an dieser Batterie, die allerdings in Ver¬
fall gerathen ist, einen Stein verrücken zu wollen. Aus diesem Grunde
würde ich daher für die Herstellung dieser Batterie in den ursprüng¬
lichen Zustand stimmen, wenn jeder Antrag dieser Art nicht ohnehin
unnütz wäre; denn wie Herr Oberstwachtmeister wissen, wird die
Renovirung und Dotirung dieser Batterie durch volle zwanzig Jahre
durch die visitirenden Districtscommandanten angetragen, ohne daß
nur eine Antwort erfolgt wäre. Wenn aber auch die Batterie aus¬
gebaut würde, müßten dann nicht die anderen Batterien, deren Verfall
wir bereits einstimmig sanctionirt haben, auch ausgebaut werden,
oder soll vielleicht dem supponirten Feinde diese Mühe sammt Ko¬
sten übertragen werden? Ferner, hat man denn hiezu Geschütze? Es
gibt ja hier im vollkommen guten Zustande erhaltene Batterien, welche
seit zwanzig Jahren trotz aller Anträge mit dem gehörigen Geschütze
noch nicht versehen sind, wie kann man daher hoffen, daß diese Bat¬
terie, die im günstigsten Falle in zehn Jahren ihre Vollendung er¬
reichen würde, besser als ihre vernachlässigten Schwestern behandelt
werden würde?-- Endlich, Herr Oberstwachtmeister, bin ich so frei,
meine eigenen kühnen Hoffnungen auszusprechen. Ich hoffe nämlich
binnen etlichen vierzig Jahren, wenn mir der Schöpfer das Leben
und Gesundheit schenkt, selbst Major und Districtscommandant zu
werden, und dann werde ich diese Batterie nach meiner unbeschränk¬
ten Einsicht zur Herstellung beantragen. -- Während der Lieutenant
so sprach, stieg die Gesichtsröthe meines Herrn bei jedem Worte und
die vernarbte Grube auf der linken Wange, welche eine beborstete
Warze bewachte, ward zwetschkenblau. Er wäre unfehlbar in seiner
Wuth über den kecken Lieutenant hergefallen, wenn ihm sein Käme-


blicken zu lassen, den mein Herr hinter einem zweideutigen Lächeln
verbarg, wiederholte er ihm die gemachten Propositionen und setzte
hinzu: Nun können Sie um so unbefangener Ihre Meinung abge¬
ben, nachdem Sie die früheren ?rü ot ('«»tut überhört haben. Die
Herren Offiziere lachten alle schadenfroh, ohne jedoch den Lieutenant
aus der Contenance zu bringen, welcher auf der Stelle folgende merk¬
würdige Antwort abgab: Diese Batterie wurde unter der Regierung
des größten Mannes, den das vorige Jahrhundert hervorbrachte und
das jetzige umbrachte, unter den Augen seiner berühmtesten Marschälle
erbaut, und es wäre daher eine unverschämte Anmaßung von einem
Garnisonsartillerielieutenant, an dieser Batterie, die allerdings in Ver¬
fall gerathen ist, einen Stein verrücken zu wollen. Aus diesem Grunde
würde ich daher für die Herstellung dieser Batterie in den ursprüng¬
lichen Zustand stimmen, wenn jeder Antrag dieser Art nicht ohnehin
unnütz wäre; denn wie Herr Oberstwachtmeister wissen, wird die
Renovirung und Dotirung dieser Batterie durch volle zwanzig Jahre
durch die visitirenden Districtscommandanten angetragen, ohne daß
nur eine Antwort erfolgt wäre. Wenn aber auch die Batterie aus¬
gebaut würde, müßten dann nicht die anderen Batterien, deren Verfall
wir bereits einstimmig sanctionirt haben, auch ausgebaut werden,
oder soll vielleicht dem supponirten Feinde diese Mühe sammt Ko¬
sten übertragen werden? Ferner, hat man denn hiezu Geschütze? Es
gibt ja hier im vollkommen guten Zustande erhaltene Batterien, welche
seit zwanzig Jahren trotz aller Anträge mit dem gehörigen Geschütze
noch nicht versehen sind, wie kann man daher hoffen, daß diese Bat¬
terie, die im günstigsten Falle in zehn Jahren ihre Vollendung er¬
reichen würde, besser als ihre vernachlässigten Schwestern behandelt
werden würde?— Endlich, Herr Oberstwachtmeister, bin ich so frei,
meine eigenen kühnen Hoffnungen auszusprechen. Ich hoffe nämlich
binnen etlichen vierzig Jahren, wenn mir der Schöpfer das Leben
und Gesundheit schenkt, selbst Major und Districtscommandant zu
werden, und dann werde ich diese Batterie nach meiner unbeschränk¬
ten Einsicht zur Herstellung beantragen. — Während der Lieutenant
so sprach, stieg die Gesichtsröthe meines Herrn bei jedem Worte und
die vernarbte Grube auf der linken Wange, welche eine beborstete
Warze bewachte, ward zwetschkenblau. Er wäre unfehlbar in seiner
Wuth über den kecken Lieutenant hergefallen, wenn ihm sein Käme-


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[0518] blicken zu lassen, den mein Herr hinter einem zweideutigen Lächeln verbarg, wiederholte er ihm die gemachten Propositionen und setzte hinzu: Nun können Sie um so unbefangener Ihre Meinung abge¬ ben, nachdem Sie die früheren ?rü ot ('«»tut überhört haben. Die Herren Offiziere lachten alle schadenfroh, ohne jedoch den Lieutenant aus der Contenance zu bringen, welcher auf der Stelle folgende merk¬ würdige Antwort abgab: Diese Batterie wurde unter der Regierung des größten Mannes, den das vorige Jahrhundert hervorbrachte und das jetzige umbrachte, unter den Augen seiner berühmtesten Marschälle erbaut, und es wäre daher eine unverschämte Anmaßung von einem Garnisonsartillerielieutenant, an dieser Batterie, die allerdings in Ver¬ fall gerathen ist, einen Stein verrücken zu wollen. Aus diesem Grunde würde ich daher für die Herstellung dieser Batterie in den ursprüng¬ lichen Zustand stimmen, wenn jeder Antrag dieser Art nicht ohnehin unnütz wäre; denn wie Herr Oberstwachtmeister wissen, wird die Renovirung und Dotirung dieser Batterie durch volle zwanzig Jahre durch die visitirenden Districtscommandanten angetragen, ohne daß nur eine Antwort erfolgt wäre. Wenn aber auch die Batterie aus¬ gebaut würde, müßten dann nicht die anderen Batterien, deren Verfall wir bereits einstimmig sanctionirt haben, auch ausgebaut werden, oder soll vielleicht dem supponirten Feinde diese Mühe sammt Ko¬ sten übertragen werden? Ferner, hat man denn hiezu Geschütze? Es gibt ja hier im vollkommen guten Zustande erhaltene Batterien, welche seit zwanzig Jahren trotz aller Anträge mit dem gehörigen Geschütze noch nicht versehen sind, wie kann man daher hoffen, daß diese Bat¬ terie, die im günstigsten Falle in zehn Jahren ihre Vollendung er¬ reichen würde, besser als ihre vernachlässigten Schwestern behandelt werden würde?— Endlich, Herr Oberstwachtmeister, bin ich so frei, meine eigenen kühnen Hoffnungen auszusprechen. Ich hoffe nämlich binnen etlichen vierzig Jahren, wenn mir der Schöpfer das Leben und Gesundheit schenkt, selbst Major und Districtscommandant zu werden, und dann werde ich diese Batterie nach meiner unbeschränk¬ ten Einsicht zur Herstellung beantragen. — Während der Lieutenant so sprach, stieg die Gesichtsröthe meines Herrn bei jedem Worte und die vernarbte Grube auf der linken Wange, welche eine beborstete Warze bewachte, ward zwetschkenblau. Er wäre unfehlbar in seiner Wuth über den kecken Lieutenant hergefallen, wenn ihm sein Käme-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/518>, abgerufen am 23.07.2024.