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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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dem Aerar kosten würde. Herr Kamerad, sagte der mit der Artille¬
rie sehr unvertraute Jngenieurmajor lachend, fühlen Sie auch den
anderen Herren ein Bischen auf den Zahn; denn so gehaltvoll die
Proposition des Herrn Oberlieutenants ist, so unterliegt es keinem
Zweifel, daß die übrigen Herren Votanten noch viele Vorschläge i..
petto haben, die einen größeren Mann, als Napoleon war, in sei¬
nen großartigen Entwürfen verwirrt gemacht hätten. Mein Herr
wußte eigentlich nicht, wie er die Bemerkung seines Kameraden deu¬
ten sollte und sah ihn schweigend eine Weile an. -- da trat Herr
Joseph, der Zeugwart, der von seinen nächtlichen Fatiguen nicht ganz
ausgenüchtert war, hervor und sprach mit Beobachtung aller üblichen
Formalitäten: Herr Oberstwachtmeister, ich bin mit Allem einverstan¬
den, aber gegen die Pulverkammer muß ich Protestiren, denn diese
muß an einem Orte angelegt werden, wo keine Feuersgefahr zu be¬
fürchten ist. Wenn diese Pulverkammer, wie Herr Oberstwachtmeister
proponirte, im Hintergrunde der Batterie angelegt würde, wie bald
könnte selbe durch einen Zufall oder eine Unvorsichtigkeit in die Luft
gesprengt werden. -- Nun konnte mein Herr seinen verhaltenen Zorn
nicht länger mäßigen. Von Ihnen, Herr Zeugwart, habe ich ohne¬
hin keine Meinung abverlangt, weil ich weiß, daß die Artilleriewis¬
senschaften außer Ihrem Artillerierock nicht zu Ihren leidenschaftlich¬
sten Beschäftigungen gehören. Es wundert mich daher gar nicht, daß
Sie die Pulverkammer außer der Batterie wissen wollen, wo nach
Ihren fortificatorischen Kenntnissen ein Branntweinschank viel zweck¬
mäßiger angebracht wäre. Während sich der Herr Major und Di-
strictscommandant recht erzürnte, schwatzte der Garnisonsartillerielieu¬
tenant mit einem Jngenieuroffizier von Mädchen und lachte nach
Herzenslust. Mein Herr bemerkte dieses mit Unwillen, und obschon
der Lieutenant seinem Range gemäß noch nicht zur Abgabe seiner
Meinung an der Tour gewesen wäre, so winkte ihn doch mein Herr
zu sich und sagte zu ihm ironisch: Während wir uns hier mit wich¬
tigen Gegenständen befassen, sind Sie, Herr Lieutenant, voll guter
Laune, und ich wette, daß Sie sich bereits über den streitigen Gegen¬
stand entschieden haben. Der Lieutenant, ein großer, noch junger
Mann, trat ohne Verlegenheit und alle bisher beobachteten Ceremo¬
nien auf, und gleichsam, um Zeit zu gewinnen, fragte er meinen
Herrn, um was es sich eigentlich handle? -- Ohne einen Verdruß


dem Aerar kosten würde. Herr Kamerad, sagte der mit der Artille¬
rie sehr unvertraute Jngenieurmajor lachend, fühlen Sie auch den
anderen Herren ein Bischen auf den Zahn; denn so gehaltvoll die
Proposition des Herrn Oberlieutenants ist, so unterliegt es keinem
Zweifel, daß die übrigen Herren Votanten noch viele Vorschläge i..
petto haben, die einen größeren Mann, als Napoleon war, in sei¬
nen großartigen Entwürfen verwirrt gemacht hätten. Mein Herr
wußte eigentlich nicht, wie er die Bemerkung seines Kameraden deu¬
ten sollte und sah ihn schweigend eine Weile an. — da trat Herr
Joseph, der Zeugwart, der von seinen nächtlichen Fatiguen nicht ganz
ausgenüchtert war, hervor und sprach mit Beobachtung aller üblichen
Formalitäten: Herr Oberstwachtmeister, ich bin mit Allem einverstan¬
den, aber gegen die Pulverkammer muß ich Protestiren, denn diese
muß an einem Orte angelegt werden, wo keine Feuersgefahr zu be¬
fürchten ist. Wenn diese Pulverkammer, wie Herr Oberstwachtmeister
proponirte, im Hintergrunde der Batterie angelegt würde, wie bald
könnte selbe durch einen Zufall oder eine Unvorsichtigkeit in die Luft
gesprengt werden. — Nun konnte mein Herr seinen verhaltenen Zorn
nicht länger mäßigen. Von Ihnen, Herr Zeugwart, habe ich ohne¬
hin keine Meinung abverlangt, weil ich weiß, daß die Artilleriewis¬
senschaften außer Ihrem Artillerierock nicht zu Ihren leidenschaftlich¬
sten Beschäftigungen gehören. Es wundert mich daher gar nicht, daß
Sie die Pulverkammer außer der Batterie wissen wollen, wo nach
Ihren fortificatorischen Kenntnissen ein Branntweinschank viel zweck¬
mäßiger angebracht wäre. Während sich der Herr Major und Di-
strictscommandant recht erzürnte, schwatzte der Garnisonsartillerielieu¬
tenant mit einem Jngenieuroffizier von Mädchen und lachte nach
Herzenslust. Mein Herr bemerkte dieses mit Unwillen, und obschon
der Lieutenant seinem Range gemäß noch nicht zur Abgabe seiner
Meinung an der Tour gewesen wäre, so winkte ihn doch mein Herr
zu sich und sagte zu ihm ironisch: Während wir uns hier mit wich¬
tigen Gegenständen befassen, sind Sie, Herr Lieutenant, voll guter
Laune, und ich wette, daß Sie sich bereits über den streitigen Gegen¬
stand entschieden haben. Der Lieutenant, ein großer, noch junger
Mann, trat ohne Verlegenheit und alle bisher beobachteten Ceremo¬
nien auf, und gleichsam, um Zeit zu gewinnen, fragte er meinen
Herrn, um was es sich eigentlich handle? — Ohne einen Verdruß


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[0517] dem Aerar kosten würde. Herr Kamerad, sagte der mit der Artille¬ rie sehr unvertraute Jngenieurmajor lachend, fühlen Sie auch den anderen Herren ein Bischen auf den Zahn; denn so gehaltvoll die Proposition des Herrn Oberlieutenants ist, so unterliegt es keinem Zweifel, daß die übrigen Herren Votanten noch viele Vorschläge i.. petto haben, die einen größeren Mann, als Napoleon war, in sei¬ nen großartigen Entwürfen verwirrt gemacht hätten. Mein Herr wußte eigentlich nicht, wie er die Bemerkung seines Kameraden deu¬ ten sollte und sah ihn schweigend eine Weile an. — da trat Herr Joseph, der Zeugwart, der von seinen nächtlichen Fatiguen nicht ganz ausgenüchtert war, hervor und sprach mit Beobachtung aller üblichen Formalitäten: Herr Oberstwachtmeister, ich bin mit Allem einverstan¬ den, aber gegen die Pulverkammer muß ich Protestiren, denn diese muß an einem Orte angelegt werden, wo keine Feuersgefahr zu be¬ fürchten ist. Wenn diese Pulverkammer, wie Herr Oberstwachtmeister proponirte, im Hintergrunde der Batterie angelegt würde, wie bald könnte selbe durch einen Zufall oder eine Unvorsichtigkeit in die Luft gesprengt werden. — Nun konnte mein Herr seinen verhaltenen Zorn nicht länger mäßigen. Von Ihnen, Herr Zeugwart, habe ich ohne¬ hin keine Meinung abverlangt, weil ich weiß, daß die Artilleriewis¬ senschaften außer Ihrem Artillerierock nicht zu Ihren leidenschaftlich¬ sten Beschäftigungen gehören. Es wundert mich daher gar nicht, daß Sie die Pulverkammer außer der Batterie wissen wollen, wo nach Ihren fortificatorischen Kenntnissen ein Branntweinschank viel zweck¬ mäßiger angebracht wäre. Während sich der Herr Major und Di- strictscommandant recht erzürnte, schwatzte der Garnisonsartillerielieu¬ tenant mit einem Jngenieuroffizier von Mädchen und lachte nach Herzenslust. Mein Herr bemerkte dieses mit Unwillen, und obschon der Lieutenant seinem Range gemäß noch nicht zur Abgabe seiner Meinung an der Tour gewesen wäre, so winkte ihn doch mein Herr zu sich und sagte zu ihm ironisch: Während wir uns hier mit wich¬ tigen Gegenständen befassen, sind Sie, Herr Lieutenant, voll guter Laune, und ich wette, daß Sie sich bereits über den streitigen Gegen¬ stand entschieden haben. Der Lieutenant, ein großer, noch junger Mann, trat ohne Verlegenheit und alle bisher beobachteten Ceremo¬ nien auf, und gleichsam, um Zeit zu gewinnen, fragte er meinen Herrn, um was es sich eigentlich handle? — Ohne einen Verdruß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/517>, abgerufen am 23.12.2024.