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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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rad, der Jngenieurmajor, hiezu Zeit gelassen hätte. Er näherte sich
hastig dein Lieutenant, als er geendigt hatte, klopfte ihn: auf die
Achsel und sagte: Freund, Sie haben den Nagel auf den Kopf ge¬
troffen, -- vor Ihnen habe ich Respect! und indem er sich z" mei¬
nen, Herrn wandte, sagte er: Herr Kamerad, gehen wir, auf die
Beweisgründe Ihres Lieutenants läßt sich Nichts erwiedern, und zog
ihn mit Gewalt fort, die andern folgten mechanisch und stillschwei¬
gend nach, -- ich auch. Wir bestiegen zwei Barken, welche uns
am Meeresufer erwarteten. Ich bestieg die zweite Barke, welche für
die niederen Personen bestimmt zu sein schien, denn die erstere schien
wegen ihres Ueberzuges von grünem Tuche für die höheren Perso¬
nen bestimmt. In dieser Barke befand sich auch der Lieutenant, ein
Ingenieur und mehrere Feldartillerieoffiziere. Als wir unsere Sitze
eingenommen und sich jeder seine Pfeife angezündet hatte, hub ein
Feldartillerie-Oberlieutenant mit dem Garnisonsartillerie-Lieutenant
zu sprechen an. Du Bruder, sagte ersterer, hast den Major famos
abgetrumpft und ihn curios beschämt, er wird Dir's bei Gelegenheit
schon einbrocken. -- Unter ähnlichen Discurscn landeten wir an dem
Wege, der zu dem hoch gelegenen Fort führte. Auf die jungen Jn-
genieuroffiziere warteten gesattelte Maulesel, die selbe auf dem steilen
Wege in das Fort auf ihren Rücken bringen sollten, während die
alten und gebrechlichen Garnisonsoffiziere zu Fuß gingen.

In ernsten Betrachtungen wandelte ich unter der Last des
Handarchivs meines Herrn, den Zug schließend, den steilen Berg zum
Fort hinauf. Eigentlich nennt man diesen Weg einen vom Wasser
ausgewühlten Graben, in welchem hie und da große und kleine Ver¬
tiefungen liegen, die man zu überspringen pflegt. Erst hundert Klaf¬
ter vom Fort entfernt, beginnt ein Weg, der von Jahr zu Jahr län¬
ger gemacht wird und, wie ich hörte, in fünfzehn Jahren gänzlich
beendigt werden soll. Wir hielten unterwegs siebenundvierzig Mal
an und eben darum gelangten wir erst anderthalb Stunden nach
dem Eintreffen der Jngenieuroffizicre im Fort an. Bevor nur etwas
unternehmen konnten, mußten wir eine halbe Stunde rasten, denn
uns allen war der Athem ausgegangen.

Dieses Fort ist ein kühnes Andenken Napoleons, der nach der
Allerhöchsten Aeußerung Sr. Majestät des Kaisers Franz um etliche
Jahre zu früh vom Schauplatze entfernt wurde, weil er es gewiß


rad, der Jngenieurmajor, hiezu Zeit gelassen hätte. Er näherte sich
hastig dein Lieutenant, als er geendigt hatte, klopfte ihn: auf die
Achsel und sagte: Freund, Sie haben den Nagel auf den Kopf ge¬
troffen, — vor Ihnen habe ich Respect! und indem er sich z« mei¬
nen, Herrn wandte, sagte er: Herr Kamerad, gehen wir, auf die
Beweisgründe Ihres Lieutenants läßt sich Nichts erwiedern, und zog
ihn mit Gewalt fort, die andern folgten mechanisch und stillschwei¬
gend nach, — ich auch. Wir bestiegen zwei Barken, welche uns
am Meeresufer erwarteten. Ich bestieg die zweite Barke, welche für
die niederen Personen bestimmt zu sein schien, denn die erstere schien
wegen ihres Ueberzuges von grünem Tuche für die höheren Perso¬
nen bestimmt. In dieser Barke befand sich auch der Lieutenant, ein
Ingenieur und mehrere Feldartillerieoffiziere. Als wir unsere Sitze
eingenommen und sich jeder seine Pfeife angezündet hatte, hub ein
Feldartillerie-Oberlieutenant mit dem Garnisonsartillerie-Lieutenant
zu sprechen an. Du Bruder, sagte ersterer, hast den Major famos
abgetrumpft und ihn curios beschämt, er wird Dir's bei Gelegenheit
schon einbrocken. — Unter ähnlichen Discurscn landeten wir an dem
Wege, der zu dem hoch gelegenen Fort führte. Auf die jungen Jn-
genieuroffiziere warteten gesattelte Maulesel, die selbe auf dem steilen
Wege in das Fort auf ihren Rücken bringen sollten, während die
alten und gebrechlichen Garnisonsoffiziere zu Fuß gingen.

In ernsten Betrachtungen wandelte ich unter der Last des
Handarchivs meines Herrn, den Zug schließend, den steilen Berg zum
Fort hinauf. Eigentlich nennt man diesen Weg einen vom Wasser
ausgewühlten Graben, in welchem hie und da große und kleine Ver¬
tiefungen liegen, die man zu überspringen pflegt. Erst hundert Klaf¬
ter vom Fort entfernt, beginnt ein Weg, der von Jahr zu Jahr län¬
ger gemacht wird und, wie ich hörte, in fünfzehn Jahren gänzlich
beendigt werden soll. Wir hielten unterwegs siebenundvierzig Mal
an und eben darum gelangten wir erst anderthalb Stunden nach
dem Eintreffen der Jngenieuroffizicre im Fort an. Bevor nur etwas
unternehmen konnten, mußten wir eine halbe Stunde rasten, denn
uns allen war der Athem ausgegangen.

Dieses Fort ist ein kühnes Andenken Napoleons, der nach der
Allerhöchsten Aeußerung Sr. Majestät des Kaisers Franz um etliche
Jahre zu früh vom Schauplatze entfernt wurde, weil er es gewiß


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[0519] rad, der Jngenieurmajor, hiezu Zeit gelassen hätte. Er näherte sich hastig dein Lieutenant, als er geendigt hatte, klopfte ihn: auf die Achsel und sagte: Freund, Sie haben den Nagel auf den Kopf ge¬ troffen, — vor Ihnen habe ich Respect! und indem er sich z« mei¬ nen, Herrn wandte, sagte er: Herr Kamerad, gehen wir, auf die Beweisgründe Ihres Lieutenants läßt sich Nichts erwiedern, und zog ihn mit Gewalt fort, die andern folgten mechanisch und stillschwei¬ gend nach, — ich auch. Wir bestiegen zwei Barken, welche uns am Meeresufer erwarteten. Ich bestieg die zweite Barke, welche für die niederen Personen bestimmt zu sein schien, denn die erstere schien wegen ihres Ueberzuges von grünem Tuche für die höheren Perso¬ nen bestimmt. In dieser Barke befand sich auch der Lieutenant, ein Ingenieur und mehrere Feldartillerieoffiziere. Als wir unsere Sitze eingenommen und sich jeder seine Pfeife angezündet hatte, hub ein Feldartillerie-Oberlieutenant mit dem Garnisonsartillerie-Lieutenant zu sprechen an. Du Bruder, sagte ersterer, hast den Major famos abgetrumpft und ihn curios beschämt, er wird Dir's bei Gelegenheit schon einbrocken. — Unter ähnlichen Discurscn landeten wir an dem Wege, der zu dem hoch gelegenen Fort führte. Auf die jungen Jn- genieuroffiziere warteten gesattelte Maulesel, die selbe auf dem steilen Wege in das Fort auf ihren Rücken bringen sollten, während die alten und gebrechlichen Garnisonsoffiziere zu Fuß gingen. In ernsten Betrachtungen wandelte ich unter der Last des Handarchivs meines Herrn, den Zug schließend, den steilen Berg zum Fort hinauf. Eigentlich nennt man diesen Weg einen vom Wasser ausgewühlten Graben, in welchem hie und da große und kleine Ver¬ tiefungen liegen, die man zu überspringen pflegt. Erst hundert Klaf¬ ter vom Fort entfernt, beginnt ein Weg, der von Jahr zu Jahr län¬ ger gemacht wird und, wie ich hörte, in fünfzehn Jahren gänzlich beendigt werden soll. Wir hielten unterwegs siebenundvierzig Mal an und eben darum gelangten wir erst anderthalb Stunden nach dem Eintreffen der Jngenieuroffizicre im Fort an. Bevor nur etwas unternehmen konnten, mußten wir eine halbe Stunde rasten, denn uns allen war der Athem ausgegangen. Dieses Fort ist ein kühnes Andenken Napoleons, der nach der Allerhöchsten Aeußerung Sr. Majestät des Kaisers Franz um etliche Jahre zu früh vom Schauplatze entfernt wurde, weil er es gewiß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/519>, abgerufen am 23.07.2024.