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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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ten ? Warum sucht man hiezu nicht den schönen Rahmen ? Die man¬
nigfache Außenseite? Nicht in zwei, nicht in fünf Jahren soll Leipzig
mit Dresden concurriren können um die Gunst der Fremden; aber
bei einem festen Plan der Verwaltung könnte es in zehn Jahren dem
Reisenden die Wahl sehr erschweren, ob er in Leipzig oder in Dres¬
den einen längeren Aufenthalt nehmen soll.

Wir sprechen hier gar nicht von den Einheimischen und den An¬
sprüchen, zu denen sie ein Recht haben, sondern nur von dem Nutzen
und wieder von dem Nutzen; darauf hört man eher. Um Nichts zu
versäumen, müssen wir übrigens auch die Frauen für unsere Ansicht
stimmen. Die Leipziger Frauen sind den Dresdnern um Manches
voraus; sie sind großstädtischer, eleganter. Aber sie laboriren an ihrer
Stadt. Die elegante Leipzigerin versieht sich mit der ausgewähltesten
Toilette, die Stoffe sind tont ce "in' U 7 " <!" die Form

des Schnitts ist nach dem letzten Journal, und doch fehlt ihnen das
Beste, was anderen Großstädterinnen zu Gute kömmt: der Rahmen,
die schönen Straßen, die der Toilette ihre Bedeutung geben. Zu ei¬
ner eleganten Chaussee gehört ein gutes Trottoir, ein glattes Pflaster,
zu einem chinesischen Sommershawl gehören Straßen, wo man nicht
überall an einem hervorragenden schmutzigen Laden hangen bleibt, zu
einem Federhut vollends gehört eine elegante Equipage und zu dieser
wieder langgestreckte regelmäßige Straßen. Da nun dies Alles sehlt,
so sehen die schöngeputzten Leipzigerinnen immer aus, als wären sie
überladen, als hätten sie Dinge umgehängt, die nicht dahin gehören.
Nur im Hause kann die Leipzigerin sich elegant zeigen, denn dort
herrscht sie und nicht die Stadtverwaltung. Für die Straße ist aller
Luxus unpassend und die schönen Leipzigerinnen thäten wohl, wenn
sie zu ihren Gatten sagten: Lieber Mann, dieses Jahr verlange ich hun¬
dert Thaler weniger für meine Toilette, dafür aber gib diese Summe
der Stadtkasse als Beitrag, damit wir doch endlich dieses fürchterliche
Pflaster los werden, damit man den hübschesten Platz Leipzigs, den
Markt, nicht für ein Paar Thaler durcUo häßliche Buden auch außer
der Messe verrammeln und entstellen läßt, damit die Gemüseweiber
nicht in der Mitte der Straßen sitzen, damit hier und da ein hüb¬
sches Monument nicht", I" ö"er gesetzt wird, damit die Direction
des Theaters nicht durch eine übermäßige Pachtzahlung wieder ge¬
zwungen werde, uns eine Affenkomödie statt einer ordentlichen gezie¬
mender Bühne herzustellen u. s- w.

Mit Letzterem soll der neuen Bühnendirection, vie im August
hier ihre Thätigkeit beginnt, kein ungünstiges Horoskop gestellt wer¬
den. Vielmehr hört man, daß Herr "1. Schmidt Vorbereitungen
trifft, die eher ein Zuviel, als ein Zuwenig erwarten lassen. Vier
Tenoristen; drei Liebhaber! Das ist in dieser stimmlosen und wenig
feurigen Zeit sehr viel auf Einmal. Es gehen viele Bühnendirccroren


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ten ? Warum sucht man hiezu nicht den schönen Rahmen ? Die man¬
nigfache Außenseite? Nicht in zwei, nicht in fünf Jahren soll Leipzig
mit Dresden concurriren können um die Gunst der Fremden; aber
bei einem festen Plan der Verwaltung könnte es in zehn Jahren dem
Reisenden die Wahl sehr erschweren, ob er in Leipzig oder in Dres¬
den einen längeren Aufenthalt nehmen soll.

Wir sprechen hier gar nicht von den Einheimischen und den An¬
sprüchen, zu denen sie ein Recht haben, sondern nur von dem Nutzen
und wieder von dem Nutzen; darauf hört man eher. Um Nichts zu
versäumen, müssen wir übrigens auch die Frauen für unsere Ansicht
stimmen. Die Leipziger Frauen sind den Dresdnern um Manches
voraus; sie sind großstädtischer, eleganter. Aber sie laboriren an ihrer
Stadt. Die elegante Leipzigerin versieht sich mit der ausgewähltesten
Toilette, die Stoffe sind tont ce «in' U 7 » <!« die Form

des Schnitts ist nach dem letzten Journal, und doch fehlt ihnen das
Beste, was anderen Großstädterinnen zu Gute kömmt: der Rahmen,
die schönen Straßen, die der Toilette ihre Bedeutung geben. Zu ei¬
ner eleganten Chaussee gehört ein gutes Trottoir, ein glattes Pflaster,
zu einem chinesischen Sommershawl gehören Straßen, wo man nicht
überall an einem hervorragenden schmutzigen Laden hangen bleibt, zu
einem Federhut vollends gehört eine elegante Equipage und zu dieser
wieder langgestreckte regelmäßige Straßen. Da nun dies Alles sehlt,
so sehen die schöngeputzten Leipzigerinnen immer aus, als wären sie
überladen, als hätten sie Dinge umgehängt, die nicht dahin gehören.
Nur im Hause kann die Leipzigerin sich elegant zeigen, denn dort
herrscht sie und nicht die Stadtverwaltung. Für die Straße ist aller
Luxus unpassend und die schönen Leipzigerinnen thäten wohl, wenn
sie zu ihren Gatten sagten: Lieber Mann, dieses Jahr verlange ich hun¬
dert Thaler weniger für meine Toilette, dafür aber gib diese Summe
der Stadtkasse als Beitrag, damit wir doch endlich dieses fürchterliche
Pflaster los werden, damit man den hübschesten Platz Leipzigs, den
Markt, nicht für ein Paar Thaler durcUo häßliche Buden auch außer
der Messe verrammeln und entstellen läßt, damit die Gemüseweiber
nicht in der Mitte der Straßen sitzen, damit hier und da ein hüb¬
sches Monument nicht», I» ö»er gesetzt wird, damit die Direction
des Theaters nicht durch eine übermäßige Pachtzahlung wieder ge¬
zwungen werde, uns eine Affenkomödie statt einer ordentlichen gezie¬
mender Bühne herzustellen u. s- w.

Mit Letzterem soll der neuen Bühnendirection, vie im August
hier ihre Thätigkeit beginnt, kein ungünstiges Horoskop gestellt wer¬
den. Vielmehr hört man, daß Herr »1. Schmidt Vorbereitungen
trifft, die eher ein Zuviel, als ein Zuwenig erwarten lassen. Vier
Tenoristen; drei Liebhaber! Das ist in dieser stimmlosen und wenig
feurigen Zeit sehr viel auf Einmal. Es gehen viele Bühnendirccroren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/51>, abgerufen am 03.07.2024.