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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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chen ließe. Auf diese Art wurden bei einem einzigen Post" dreißig
Stück vierspännige complete Fuhrwerke zur Cassirung und natürlich
zur neuen Erzeugung als Ergänzung des Abgangs angetragen. An
allen dreißig Fuhrwerken wurde nicht einmal ein neuer Nagel ange¬
bracht, sondern sie wurden blos neu angestrichen, und diese dreißig
Stück Fuhnverke wurden auf dem Papier neu erzeugt und in guter
Gesundheit verzehrt. -- --

Bei allen Spötteln und Zuflüssen, bei allen gesetzlichen und
ungesetzlichen Einkünften ist die Habgier vieler Zeughaus-Com¬
mandanten nicht zu befriedigen. Man werfe nur einen Blick in diese
Zeughäuser; Hühner, Kapaunen, Gänse, Enten, Indianer, ja sogar
Pfauen und Störche, Kaninchen und Schweinchen, die noch in der
Erziehung begriffen sind, laufen vertraulich untereinander, und ein
Artillerist steht unter diesen sich bekämpfenden Nationalitäten mit einem
gezogenen Säbel unter dem Vorwande, die achtzehn- und vierund-
zwanzigpfündigen, auf einem Kanker gelagerten Kanonen vor Dieben
zu bewahren, im Grunde aber um selbe vor muthwilligen Verunrei¬
nigungen durch das Thierreich zu schützen, und um die häufigen
Zwistigkeiten zwischen diesen Hausfreunden zu schlichten. Was muß
sich ein ausländischer Offizier denken, wenn er in ein österreichisches
Artillerie-Zeughaus hineinblickt und diesen Scandal sieht? -- Warum
wird denn dieser scandalöse Unfug nicht durch die von Zeit zu Zeit
visitirenden Stabsoffiziere abgestellt? -- Allerdings kehren diese
auf ihren Bereifungen bei den Zeughaus-Commandanten ein, um
das Quartiergeld, welches ihnen ohnehin vom Aerar bezahlt wird
etwas zu schonen, auch pflegen sie bei diesen Herren Zeughaus-
Commandanten oft wochenlang umsonst gut zu essen und zu trinken
und die ersparten beträchtlichen Diätgelder in väterlichem Wohlwollen
ihren Töchtern als Heirathsgut mitzugeben. -- Diese jährlichen
Bereisungen der Garnisons-Artillerie-Posten von hohem und höchsten
Vorgesetzten, die eine enorme Summe dem Staate durch die be¬
willigten Diäts- und Quartlergelder kosten, wären allerdings dem
Dienste angemessen und ersprießlich. Allein auch bei diesen Berei¬
sungen wird oft das Gegentheil von dem erlangt, was der Staat
durch einen wohlgemeinten Kostenaufwand bezwecken will. Um den
Visitirenden in den Stand zu setzen, daß derselbe nicht zu der
Hospitalität seiner Untergebenen während seiner Visitationsreisen Zu-


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chen ließe. Auf diese Art wurden bei einem einzigen Post» dreißig
Stück vierspännige complete Fuhrwerke zur Cassirung und natürlich
zur neuen Erzeugung als Ergänzung des Abgangs angetragen. An
allen dreißig Fuhrwerken wurde nicht einmal ein neuer Nagel ange¬
bracht, sondern sie wurden blos neu angestrichen, und diese dreißig
Stück Fuhnverke wurden auf dem Papier neu erzeugt und in guter
Gesundheit verzehrt. — —

Bei allen Spötteln und Zuflüssen, bei allen gesetzlichen und
ungesetzlichen Einkünften ist die Habgier vieler Zeughaus-Com¬
mandanten nicht zu befriedigen. Man werfe nur einen Blick in diese
Zeughäuser; Hühner, Kapaunen, Gänse, Enten, Indianer, ja sogar
Pfauen und Störche, Kaninchen und Schweinchen, die noch in der
Erziehung begriffen sind, laufen vertraulich untereinander, und ein
Artillerist steht unter diesen sich bekämpfenden Nationalitäten mit einem
gezogenen Säbel unter dem Vorwande, die achtzehn- und vierund-
zwanzigpfündigen, auf einem Kanker gelagerten Kanonen vor Dieben
zu bewahren, im Grunde aber um selbe vor muthwilligen Verunrei¬
nigungen durch das Thierreich zu schützen, und um die häufigen
Zwistigkeiten zwischen diesen Hausfreunden zu schlichten. Was muß
sich ein ausländischer Offizier denken, wenn er in ein österreichisches
Artillerie-Zeughaus hineinblickt und diesen Scandal sieht? — Warum
wird denn dieser scandalöse Unfug nicht durch die von Zeit zu Zeit
visitirenden Stabsoffiziere abgestellt? — Allerdings kehren diese
auf ihren Bereifungen bei den Zeughaus-Commandanten ein, um
das Quartiergeld, welches ihnen ohnehin vom Aerar bezahlt wird
etwas zu schonen, auch pflegen sie bei diesen Herren Zeughaus-
Commandanten oft wochenlang umsonst gut zu essen und zu trinken
und die ersparten beträchtlichen Diätgelder in väterlichem Wohlwollen
ihren Töchtern als Heirathsgut mitzugeben. — Diese jährlichen
Bereisungen der Garnisons-Artillerie-Posten von hohem und höchsten
Vorgesetzten, die eine enorme Summe dem Staate durch die be¬
willigten Diäts- und Quartlergelder kosten, wären allerdings dem
Dienste angemessen und ersprießlich. Allein auch bei diesen Berei¬
sungen wird oft das Gegentheil von dem erlangt, was der Staat
durch einen wohlgemeinten Kostenaufwand bezwecken will. Um den
Visitirenden in den Stand zu setzen, daß derselbe nicht zu der
Hospitalität seiner Untergebenen während seiner Visitationsreisen Zu-


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[0475] chen ließe. Auf diese Art wurden bei einem einzigen Post» dreißig Stück vierspännige complete Fuhrwerke zur Cassirung und natürlich zur neuen Erzeugung als Ergänzung des Abgangs angetragen. An allen dreißig Fuhrwerken wurde nicht einmal ein neuer Nagel ange¬ bracht, sondern sie wurden blos neu angestrichen, und diese dreißig Stück Fuhnverke wurden auf dem Papier neu erzeugt und in guter Gesundheit verzehrt. — — Bei allen Spötteln und Zuflüssen, bei allen gesetzlichen und ungesetzlichen Einkünften ist die Habgier vieler Zeughaus-Com¬ mandanten nicht zu befriedigen. Man werfe nur einen Blick in diese Zeughäuser; Hühner, Kapaunen, Gänse, Enten, Indianer, ja sogar Pfauen und Störche, Kaninchen und Schweinchen, die noch in der Erziehung begriffen sind, laufen vertraulich untereinander, und ein Artillerist steht unter diesen sich bekämpfenden Nationalitäten mit einem gezogenen Säbel unter dem Vorwande, die achtzehn- und vierund- zwanzigpfündigen, auf einem Kanker gelagerten Kanonen vor Dieben zu bewahren, im Grunde aber um selbe vor muthwilligen Verunrei¬ nigungen durch das Thierreich zu schützen, und um die häufigen Zwistigkeiten zwischen diesen Hausfreunden zu schlichten. Was muß sich ein ausländischer Offizier denken, wenn er in ein österreichisches Artillerie-Zeughaus hineinblickt und diesen Scandal sieht? — Warum wird denn dieser scandalöse Unfug nicht durch die von Zeit zu Zeit visitirenden Stabsoffiziere abgestellt? — Allerdings kehren diese auf ihren Bereifungen bei den Zeughaus-Commandanten ein, um das Quartiergeld, welches ihnen ohnehin vom Aerar bezahlt wird etwas zu schonen, auch pflegen sie bei diesen Herren Zeughaus- Commandanten oft wochenlang umsonst gut zu essen und zu trinken und die ersparten beträchtlichen Diätgelder in väterlichem Wohlwollen ihren Töchtern als Heirathsgut mitzugeben. — Diese jährlichen Bereisungen der Garnisons-Artillerie-Posten von hohem und höchsten Vorgesetzten, die eine enorme Summe dem Staate durch die be¬ willigten Diäts- und Quartlergelder kosten, wären allerdings dem Dienste angemessen und ersprießlich. Allein auch bei diesen Berei¬ sungen wird oft das Gegentheil von dem erlangt, was der Staat durch einen wohlgemeinten Kostenaufwand bezwecken will. Um den Visitirenden in den Stand zu setzen, daß derselbe nicht zu der Hospitalität seiner Untergebenen während seiner Visitationsreisen Zu- 59 »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/475>, abgerufen am 03.07.2024.