Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die Rechnung, wie man sagt, geworfen werden. Bleibt von den eilf
Monaten noch etwas übrig und kann zur Ausfüllung der Zeit im
Hause keine Arbeit mehr aufgetrieben werden, dann wird den Pro-
Monisten zur Belohnung ihrer Mühen erlaubt, zu Pfuscher, d. h.
für andere Personen zu arbeiten. Das künftige Jahr wird unter den
Möbeln Musterung gehalten; was nicht gefällt, wird verkauft und
durch Neues ergänzt, und so wird von Jahr zu Jahr fortgefahren
und das hohe Aerar genothzüchtigt.

Diese Art Defraudationen sind in der Artillerie schon durch den
langjährigen Gebrauch sanctionirt, und ich möchte sagen, rechtlich ge¬
worden. Da in der österreichischen Artillerie kein General, kein Gar¬
nisonsartillerie-Chef, Districts- oder Postocommcmdant enstirt, der
nicht ein ärarisches Reisefuhrwerk besitzt oder besessen hätte, -- dem
nicht wenigstens ein Theil seiner Einrichtung durch Zeugsprofessioni-
sten angefertigt worden wäre, und nachdem Keiner dieser Herren ein
Geheimniß daraus macht, -- so gehört diese willkürliche Aneignung
des ärarischen Gutes keineswegs unter die Rubrik Defraudation. --
Wenn ich oben erwähnte, daß die Garnisonsartilleriecommandanten
mit dem Oberzeugwart und Zeugwart gemächlich und ungenirt --
rechnen, so meinte ich nicht damit die verschiedenen Erzeugungen an
Mobilien und Gerätschaften, die ihnen Nichts kosten und vom ära¬
rischen Materiale gearbeitet werden, sondern ich meinte die Berech¬
nungen jener Summen, die zur Beischaffung der abgängigen Muni¬
tionssorten, des Holzwerkes, des Eisens, des Kanzlei- und anderen
Materials von hohen Orten bewilligt sind und möglicher Weise
in den Sack der Commandanten und der Rechnungsleger fließen kön¬
nen. Ob sie auch wirklich bisweilen dahin fließen? Sicher ist es,
daß es Ersparnisse gibt, die durch geschickte Wirthschaft erzielt wor¬
den sind und daher den klugen Oekonomen "von Rechtswegen" ge¬
bühren.

Ein jedes Garnisonsartillerie-Posto- oder Districtscommando reicht
alle Jahre ein Präliminar ein, worin die Erfordernis- an allen Ar¬
tikeln ersichtlich ist, -- nach diesem Präliminar werden zur Deckung
der Ausgaben hohen Orts die nöthigen Gelder flüssig gemacht. Man
braucht aber nicht alle diese Artikel; denn theils hat man Sachen
zur Cassirung angetragen, die ganz gut sind, und deren Ergänzung
ganz unterbleibt, theils werden mehr Reparaturen aufgerechnet, als


Wrcnzboten 184". II. 59

die Rechnung, wie man sagt, geworfen werden. Bleibt von den eilf
Monaten noch etwas übrig und kann zur Ausfüllung der Zeit im
Hause keine Arbeit mehr aufgetrieben werden, dann wird den Pro-
Monisten zur Belohnung ihrer Mühen erlaubt, zu Pfuscher, d. h.
für andere Personen zu arbeiten. Das künftige Jahr wird unter den
Möbeln Musterung gehalten; was nicht gefällt, wird verkauft und
durch Neues ergänzt, und so wird von Jahr zu Jahr fortgefahren
und das hohe Aerar genothzüchtigt.

Diese Art Defraudationen sind in der Artillerie schon durch den
langjährigen Gebrauch sanctionirt, und ich möchte sagen, rechtlich ge¬
worden. Da in der österreichischen Artillerie kein General, kein Gar¬
nisonsartillerie-Chef, Districts- oder Postocommcmdant enstirt, der
nicht ein ärarisches Reisefuhrwerk besitzt oder besessen hätte, — dem
nicht wenigstens ein Theil seiner Einrichtung durch Zeugsprofessioni-
sten angefertigt worden wäre, und nachdem Keiner dieser Herren ein
Geheimniß daraus macht, — so gehört diese willkürliche Aneignung
des ärarischen Gutes keineswegs unter die Rubrik Defraudation. —
Wenn ich oben erwähnte, daß die Garnisonsartilleriecommandanten
mit dem Oberzeugwart und Zeugwart gemächlich und ungenirt —
rechnen, so meinte ich nicht damit die verschiedenen Erzeugungen an
Mobilien und Gerätschaften, die ihnen Nichts kosten und vom ära¬
rischen Materiale gearbeitet werden, sondern ich meinte die Berech¬
nungen jener Summen, die zur Beischaffung der abgängigen Muni¬
tionssorten, des Holzwerkes, des Eisens, des Kanzlei- und anderen
Materials von hohen Orten bewilligt sind und möglicher Weise
in den Sack der Commandanten und der Rechnungsleger fließen kön¬
nen. Ob sie auch wirklich bisweilen dahin fließen? Sicher ist es,
daß es Ersparnisse gibt, die durch geschickte Wirthschaft erzielt wor¬
den sind und daher den klugen Oekonomen „von Rechtswegen" ge¬
bühren.

Ein jedes Garnisonsartillerie-Posto- oder Districtscommando reicht
alle Jahre ein Präliminar ein, worin die Erfordernis- an allen Ar¬
tikeln ersichtlich ist, — nach diesem Präliminar werden zur Deckung
der Ausgaben hohen Orts die nöthigen Gelder flüssig gemacht. Man
braucht aber nicht alle diese Artikel; denn theils hat man Sachen
zur Cassirung angetragen, die ganz gut sind, und deren Ergänzung
ganz unterbleibt, theils werden mehr Reparaturen aufgerechnet, als


Wrcnzboten 184«. II. 59
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0473" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181032"/>
            <p xml:id="ID_1112" prev="#ID_1111"> die Rechnung, wie man sagt, geworfen werden. Bleibt von den eilf<lb/>
Monaten noch etwas übrig und kann zur Ausfüllung der Zeit im<lb/>
Hause keine Arbeit mehr aufgetrieben werden, dann wird den Pro-<lb/>
Monisten zur Belohnung ihrer Mühen erlaubt, zu Pfuscher, d. h.<lb/>
für andere Personen zu arbeiten. Das künftige Jahr wird unter den<lb/>
Möbeln Musterung gehalten; was nicht gefällt, wird verkauft und<lb/>
durch Neues ergänzt, und so wird von Jahr zu Jahr fortgefahren<lb/>
und das hohe Aerar genothzüchtigt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1113"> Diese Art Defraudationen sind in der Artillerie schon durch den<lb/>
langjährigen Gebrauch sanctionirt, und ich möchte sagen, rechtlich ge¬<lb/>
worden. Da in der österreichischen Artillerie kein General, kein Gar¬<lb/>
nisonsartillerie-Chef, Districts- oder Postocommcmdant enstirt, der<lb/>
nicht ein ärarisches Reisefuhrwerk besitzt oder besessen hätte, &#x2014; dem<lb/>
nicht wenigstens ein Theil seiner Einrichtung durch Zeugsprofessioni-<lb/>
sten angefertigt worden wäre, und nachdem Keiner dieser Herren ein<lb/>
Geheimniß daraus macht, &#x2014; so gehört diese willkürliche Aneignung<lb/>
des ärarischen Gutes keineswegs unter die Rubrik Defraudation. &#x2014;<lb/>
Wenn ich oben erwähnte, daß die Garnisonsartilleriecommandanten<lb/>
mit dem Oberzeugwart und Zeugwart gemächlich und ungenirt &#x2014;<lb/>
rechnen, so meinte ich nicht damit die verschiedenen Erzeugungen an<lb/>
Mobilien und Gerätschaften, die ihnen Nichts kosten und vom ära¬<lb/>
rischen Materiale gearbeitet werden, sondern ich meinte die Berech¬<lb/>
nungen jener Summen, die zur Beischaffung der abgängigen Muni¬<lb/>
tionssorten, des Holzwerkes, des Eisens, des Kanzlei- und anderen<lb/>
Materials von hohen Orten bewilligt sind und möglicher Weise<lb/>
in den Sack der Commandanten und der Rechnungsleger fließen kön¬<lb/>
nen. Ob sie auch wirklich bisweilen dahin fließen? Sicher ist es,<lb/>
daß es Ersparnisse gibt, die durch geschickte Wirthschaft erzielt wor¬<lb/>
den sind und daher den klugen Oekonomen &#x201E;von Rechtswegen" ge¬<lb/>
bühren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1114" next="#ID_1115"> Ein jedes Garnisonsartillerie-Posto- oder Districtscommando reicht<lb/>
alle Jahre ein Präliminar ein, worin die Erfordernis- an allen Ar¬<lb/>
tikeln ersichtlich ist, &#x2014; nach diesem Präliminar werden zur Deckung<lb/>
der Ausgaben hohen Orts die nöthigen Gelder flüssig gemacht. Man<lb/>
braucht aber nicht alle diese Artikel; denn theils hat man Sachen<lb/>
zur Cassirung angetragen, die ganz gut sind, und deren Ergänzung<lb/>
ganz unterbleibt, theils werden mehr Reparaturen aufgerechnet, als</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Wrcnzboten 184«. II. 59</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0473] die Rechnung, wie man sagt, geworfen werden. Bleibt von den eilf Monaten noch etwas übrig und kann zur Ausfüllung der Zeit im Hause keine Arbeit mehr aufgetrieben werden, dann wird den Pro- Monisten zur Belohnung ihrer Mühen erlaubt, zu Pfuscher, d. h. für andere Personen zu arbeiten. Das künftige Jahr wird unter den Möbeln Musterung gehalten; was nicht gefällt, wird verkauft und durch Neues ergänzt, und so wird von Jahr zu Jahr fortgefahren und das hohe Aerar genothzüchtigt. Diese Art Defraudationen sind in der Artillerie schon durch den langjährigen Gebrauch sanctionirt, und ich möchte sagen, rechtlich ge¬ worden. Da in der österreichischen Artillerie kein General, kein Gar¬ nisonsartillerie-Chef, Districts- oder Postocommcmdant enstirt, der nicht ein ärarisches Reisefuhrwerk besitzt oder besessen hätte, — dem nicht wenigstens ein Theil seiner Einrichtung durch Zeugsprofessioni- sten angefertigt worden wäre, und nachdem Keiner dieser Herren ein Geheimniß daraus macht, — so gehört diese willkürliche Aneignung des ärarischen Gutes keineswegs unter die Rubrik Defraudation. — Wenn ich oben erwähnte, daß die Garnisonsartilleriecommandanten mit dem Oberzeugwart und Zeugwart gemächlich und ungenirt — rechnen, so meinte ich nicht damit die verschiedenen Erzeugungen an Mobilien und Gerätschaften, die ihnen Nichts kosten und vom ära¬ rischen Materiale gearbeitet werden, sondern ich meinte die Berech¬ nungen jener Summen, die zur Beischaffung der abgängigen Muni¬ tionssorten, des Holzwerkes, des Eisens, des Kanzlei- und anderen Materials von hohen Orten bewilligt sind und möglicher Weise in den Sack der Commandanten und der Rechnungsleger fließen kön¬ nen. Ob sie auch wirklich bisweilen dahin fließen? Sicher ist es, daß es Ersparnisse gibt, die durch geschickte Wirthschaft erzielt wor¬ den sind und daher den klugen Oekonomen „von Rechtswegen" ge¬ bühren. Ein jedes Garnisonsartillerie-Posto- oder Districtscommando reicht alle Jahre ein Präliminar ein, worin die Erfordernis- an allen Ar¬ tikeln ersichtlich ist, — nach diesem Präliminar werden zur Deckung der Ausgaben hohen Orts die nöthigen Gelder flüssig gemacht. Man braucht aber nicht alle diese Artikel; denn theils hat man Sachen zur Cassirung angetragen, die ganz gut sind, und deren Ergänzung ganz unterbleibt, theils werden mehr Reparaturen aufgerechnet, als Wrcnzboten 184«. II. 59

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/473
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/473>, abgerufen am 23.12.2024.