Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.es an ein Raisomnren über Börne, über diesen Schwätzer und Schreier, es an ein Raisomnren über Börne, über diesen Schwätzer und Schreier, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0397" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180956"/> <p xml:id="ID_952" prev="#ID_951" next="#ID_953"> es an ein Raisomnren über Börne, über diesen Schwätzer und Schreier,<lb/> dem es an der nothwendigsten wissenschaftlichen Bildung gefehlt hätte.<lb/> Der junge Mann stritt begeistert für seinen Börne und hob beson¬<lb/> ders die Tiefe und den Ernst seiner Ueberzeugung hervor. Wie lä¬<lb/> cherlich! In der guten Gesellschaft von Ueberzeugungen zu sprechen,<lb/> als ob man da nichts Wichtigeres zu thun Härte, als sich um Ueber¬<lb/> zeugungen zu kümmern und sie würdigen zu lernen. Auch der bele¬<lb/> senen Agnes, der Verehrerin des classischen Romans „Thomas Thyr-<lb/> nau" war dieser Schreihals Börne ein Gräuel. Der fortdau¬<lb/> ernde Eifer des jungen FreihcitsmanneS, so wie das naheliegende<lb/> Thema führte endlich auf die neueren Tendenzen. Der junge Mann<lb/> wagte es, auch hier eine Meinung zu haben. Wie ertravagant, wie<lb/> aufgeblasen, wie närrisch man ihn fand, wie man auf die Faseleien<lb/> der kindischen Schreier stichelte, die jetzt Alles besser wissen wollten!<lb/> Die Philosophie wurde verdammt, daß es eine wahre Lust war,<lb/> Hegel ein höchst abgeschmackter Mensch genannt, von dem man nicht<lb/> drei Zeilen lesen könne, ohne auf eine Verrücktheit zu stoßen; Schel-<lb/> ling aber, der Gott des Tages, der damals gerade berufene, auf echt<lb/> loyale Weise hervorgehoben. Der junge Mann sprach' noch immer<lb/> mit einem Eifer, als disputire er mit Leuten, denen es wirklich Ernst<lb/> um die Sache sei, die wirklich wüßten, was sie sagten, die Alles<lb/> gelesen und studirt hätten, worüber sie sprachen, und sich eine Mei¬<lb/> nung darüber gebildet hätten. Es war wirklich eine höchst spaßhafte<lb/> Komödie, dies Alles mit anzuhören. Felir ergoß sich eben zu seiner<lb/> aufmerksamen ZuHörerin in einer geistreichen Schilderung der letzten<lb/> Vorlesungen Schelling's. Obwohl Agnes ihm,mit Interesse zuhörte,<lb/> als begriffe sie den mysteriösen, tiefen Sinn seiner Worte, merkte ich<lb/> doch, daß er selber das Einfachste nicht verstanden hatte. Unterdeß<lb/> war dort der Streit noch in voller Gluth. Der junge Mann wollte<lb/> sich durchaus nicht zufrieden geben; der Hohn, mit dem man seinem<lb/> Enthusiasmus begegnete, fachte seine Wuth nur noch mehr an. Er<lb/> vertheidigte Constituiion und Geschwornengerichte, sprach von „servi¬<lb/> len Sklaven und Beamtenknechlen", von einem „jungen Morgen",<lb/> der aufgehen werde, von den sieben Göttingern, von Jacobi und der<lb/> badischen Opposition u. s. w., kurz er emmirte, wie ich bald sah,<lb/> die ganze Gesellschaft, und Herr Felir, der so eben neben mir seine<lb/> Auseinandersetzung der Schelling'schen Weisheit vollendet hatte und</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0397]
es an ein Raisomnren über Börne, über diesen Schwätzer und Schreier,
dem es an der nothwendigsten wissenschaftlichen Bildung gefehlt hätte.
Der junge Mann stritt begeistert für seinen Börne und hob beson¬
ders die Tiefe und den Ernst seiner Ueberzeugung hervor. Wie lä¬
cherlich! In der guten Gesellschaft von Ueberzeugungen zu sprechen,
als ob man da nichts Wichtigeres zu thun Härte, als sich um Ueber¬
zeugungen zu kümmern und sie würdigen zu lernen. Auch der bele¬
senen Agnes, der Verehrerin des classischen Romans „Thomas Thyr-
nau" war dieser Schreihals Börne ein Gräuel. Der fortdau¬
ernde Eifer des jungen FreihcitsmanneS, so wie das naheliegende
Thema führte endlich auf die neueren Tendenzen. Der junge Mann
wagte es, auch hier eine Meinung zu haben. Wie ertravagant, wie
aufgeblasen, wie närrisch man ihn fand, wie man auf die Faseleien
der kindischen Schreier stichelte, die jetzt Alles besser wissen wollten!
Die Philosophie wurde verdammt, daß es eine wahre Lust war,
Hegel ein höchst abgeschmackter Mensch genannt, von dem man nicht
drei Zeilen lesen könne, ohne auf eine Verrücktheit zu stoßen; Schel-
ling aber, der Gott des Tages, der damals gerade berufene, auf echt
loyale Weise hervorgehoben. Der junge Mann sprach' noch immer
mit einem Eifer, als disputire er mit Leuten, denen es wirklich Ernst
um die Sache sei, die wirklich wüßten, was sie sagten, die Alles
gelesen und studirt hätten, worüber sie sprachen, und sich eine Mei¬
nung darüber gebildet hätten. Es war wirklich eine höchst spaßhafte
Komödie, dies Alles mit anzuhören. Felir ergoß sich eben zu seiner
aufmerksamen ZuHörerin in einer geistreichen Schilderung der letzten
Vorlesungen Schelling's. Obwohl Agnes ihm,mit Interesse zuhörte,
als begriffe sie den mysteriösen, tiefen Sinn seiner Worte, merkte ich
doch, daß er selber das Einfachste nicht verstanden hatte. Unterdeß
war dort der Streit noch in voller Gluth. Der junge Mann wollte
sich durchaus nicht zufrieden geben; der Hohn, mit dem man seinem
Enthusiasmus begegnete, fachte seine Wuth nur noch mehr an. Er
vertheidigte Constituiion und Geschwornengerichte, sprach von „servi¬
len Sklaven und Beamtenknechlen", von einem „jungen Morgen",
der aufgehen werde, von den sieben Göttingern, von Jacobi und der
badischen Opposition u. s. w., kurz er emmirte, wie ich bald sah,
die ganze Gesellschaft, und Herr Felir, der so eben neben mir seine
Auseinandersetzung der Schelling'schen Weisheit vollendet hatte und
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |