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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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nach Entdeckungen, Er läßt Alles bei Seite liegen, was den gro¬
ßen Haufen anzieht. Wie er erst die Häßlichkeit in Schönheit ver¬
wandelte, thut er jetzt fast das Gegentheil. Indem er sein Bild pi¬
kant machen will, verdirbt er eS. In den Zeiten der Scudery nahm
man es nicht so genau; man häufte Schönheit auf Schönheit; die
Heldin war immer ein Musterbild aller körperlichen und geistigen
Vollkommenheiten. Wir wollen beide Manieren einmal gegenüber¬
stellen. Hier ist das Porträt der "illustren" Madame Artamvne,
(t. 1. pag. 33se.)

"Diese Prinzessin trat eben in ihr neunzehntes Jahr. Der
Schleier von Silbergaze, welcher ihr Haupt umhüllte, verhinderte
nicht, die tausend goldenen Ringel ihres schönen Haares zu sehen,
welches ohne Zweifel vom schönsten Blond war, das es jemals
gab, indem es Alles hatte, was Glanz geben kann, ohne etwas von
der Frische zu nehmen, die eines der, nothwendigsten Erfordernisse
vollkommener Schönheit ist. Sie war von sehr edlem, sehr vortheil-
haften und sehr zierlichem Wuchs; und sie ging mit so bescheidener
Majestät einher, daß sie die Herzen Aller nach sich zog. Ihr Bu¬
sen war weiß, glatt und wohlgeformt; sie hatte blaue Augen, aber
so sanft, so glänzend und so voller Verschämtheit und Lieblichkeit,
daß es unmöglich war, sie zu sehen, ohne Achtung und Bewunde¬
rung zu fühlen. Ihre Lippen waren so roth, ihre Zähne so weiß,
so gleich und so wohl gesetzt, ihr Teint so glänzend, so rein und so
rosig, daß die Frische und die Schöne der seltensten Blumen des
Lenzes nur einen unvollkommenen Begriff von dem geben können,
was ich sah und was jene Prinzessin besitzt. Sie hatte die schön¬
sten Hände und die schönsten Arme, die es möglich ist, zu sehen;
denn da sie beim Eintritt in den Tempel ihren Schleier zweimal
lüftete, bemerkte ich diese letztere Schönheit, wie ich schon alle andern
bemerkt hatte. Aber, Seigneur, aus all diesen Schönheiten und Rei¬
zen, die ich euch nur so ausführlich beschrieben habe, damit Ihr Ar-
tamone weniger schuldig finden mögt, entstand eine Anmuth in allen
Handlungen dieser berühmten Prinzessin, die so wunderbar und un¬
gewöhnlich ist, daß, mochte sie gehen oder stillstehen, sprechen oder
schweigen, lächeln oder nachdenklich sein, sie immer reizend und be¬
wundernswürdig war."


Wrcnzbotcn 1844. II. 4

nach Entdeckungen, Er läßt Alles bei Seite liegen, was den gro¬
ßen Haufen anzieht. Wie er erst die Häßlichkeit in Schönheit ver¬
wandelte, thut er jetzt fast das Gegentheil. Indem er sein Bild pi¬
kant machen will, verdirbt er eS. In den Zeiten der Scudery nahm
man es nicht so genau; man häufte Schönheit auf Schönheit; die
Heldin war immer ein Musterbild aller körperlichen und geistigen
Vollkommenheiten. Wir wollen beide Manieren einmal gegenüber¬
stellen. Hier ist das Porträt der „illustren" Madame Artamvne,
(t. 1. pag. 33se.)

„Diese Prinzessin trat eben in ihr neunzehntes Jahr. Der
Schleier von Silbergaze, welcher ihr Haupt umhüllte, verhinderte
nicht, die tausend goldenen Ringel ihres schönen Haares zu sehen,
welches ohne Zweifel vom schönsten Blond war, das es jemals
gab, indem es Alles hatte, was Glanz geben kann, ohne etwas von
der Frische zu nehmen, die eines der, nothwendigsten Erfordernisse
vollkommener Schönheit ist. Sie war von sehr edlem, sehr vortheil-
haften und sehr zierlichem Wuchs; und sie ging mit so bescheidener
Majestät einher, daß sie die Herzen Aller nach sich zog. Ihr Bu¬
sen war weiß, glatt und wohlgeformt; sie hatte blaue Augen, aber
so sanft, so glänzend und so voller Verschämtheit und Lieblichkeit,
daß es unmöglich war, sie zu sehen, ohne Achtung und Bewunde¬
rung zu fühlen. Ihre Lippen waren so roth, ihre Zähne so weiß,
so gleich und so wohl gesetzt, ihr Teint so glänzend, so rein und so
rosig, daß die Frische und die Schöne der seltensten Blumen des
Lenzes nur einen unvollkommenen Begriff von dem geben können,
was ich sah und was jene Prinzessin besitzt. Sie hatte die schön¬
sten Hände und die schönsten Arme, die es möglich ist, zu sehen;
denn da sie beim Eintritt in den Tempel ihren Schleier zweimal
lüftete, bemerkte ich diese letztere Schönheit, wie ich schon alle andern
bemerkt hatte. Aber, Seigneur, aus all diesen Schönheiten und Rei¬
zen, die ich euch nur so ausführlich beschrieben habe, damit Ihr Ar-
tamone weniger schuldig finden mögt, entstand eine Anmuth in allen
Handlungen dieser berühmten Prinzessin, die so wunderbar und un¬
gewöhnlich ist, daß, mochte sie gehen oder stillstehen, sprechen oder
schweigen, lächeln oder nachdenklich sein, sie immer reizend und be¬
wundernswürdig war."


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[0033] nach Entdeckungen, Er läßt Alles bei Seite liegen, was den gro¬ ßen Haufen anzieht. Wie er erst die Häßlichkeit in Schönheit ver¬ wandelte, thut er jetzt fast das Gegentheil. Indem er sein Bild pi¬ kant machen will, verdirbt er eS. In den Zeiten der Scudery nahm man es nicht so genau; man häufte Schönheit auf Schönheit; die Heldin war immer ein Musterbild aller körperlichen und geistigen Vollkommenheiten. Wir wollen beide Manieren einmal gegenüber¬ stellen. Hier ist das Porträt der „illustren" Madame Artamvne, (t. 1. pag. 33se.) „Diese Prinzessin trat eben in ihr neunzehntes Jahr. Der Schleier von Silbergaze, welcher ihr Haupt umhüllte, verhinderte nicht, die tausend goldenen Ringel ihres schönen Haares zu sehen, welches ohne Zweifel vom schönsten Blond war, das es jemals gab, indem es Alles hatte, was Glanz geben kann, ohne etwas von der Frische zu nehmen, die eines der, nothwendigsten Erfordernisse vollkommener Schönheit ist. Sie war von sehr edlem, sehr vortheil- haften und sehr zierlichem Wuchs; und sie ging mit so bescheidener Majestät einher, daß sie die Herzen Aller nach sich zog. Ihr Bu¬ sen war weiß, glatt und wohlgeformt; sie hatte blaue Augen, aber so sanft, so glänzend und so voller Verschämtheit und Lieblichkeit, daß es unmöglich war, sie zu sehen, ohne Achtung und Bewunde¬ rung zu fühlen. Ihre Lippen waren so roth, ihre Zähne so weiß, so gleich und so wohl gesetzt, ihr Teint so glänzend, so rein und so rosig, daß die Frische und die Schöne der seltensten Blumen des Lenzes nur einen unvollkommenen Begriff von dem geben können, was ich sah und was jene Prinzessin besitzt. Sie hatte die schön¬ sten Hände und die schönsten Arme, die es möglich ist, zu sehen; denn da sie beim Eintritt in den Tempel ihren Schleier zweimal lüftete, bemerkte ich diese letztere Schönheit, wie ich schon alle andern bemerkt hatte. Aber, Seigneur, aus all diesen Schönheiten und Rei¬ zen, die ich euch nur so ausführlich beschrieben habe, damit Ihr Ar- tamone weniger schuldig finden mögt, entstand eine Anmuth in allen Handlungen dieser berühmten Prinzessin, die so wunderbar und un¬ gewöhnlich ist, daß, mochte sie gehen oder stillstehen, sprechen oder schweigen, lächeln oder nachdenklich sein, sie immer reizend und be¬ wundernswürdig war." Wrcnzbotcn 1844. II. 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/33>, abgerufen am 22.12.2024.