Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.in der Ordnung, daß diese Fürstin den "gelehrten Salvius" zum Ueber den Begriff dessen, "was man Volk nennt", scheint sie in der Ordnung, daß diese Fürstin den „gelehrten Salvius" zum Ueber den Begriff dessen, „was man Volk nennt", scheint sie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0322" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180881"/> <p xml:id="ID_788" prev="#ID_787"> in der Ordnung, daß diese Fürstin den „gelehrten Salvius" zum<lb/> Reichsrath erhob, wundert sich dagegen, daß sie ihren Schneider adelte.<lb/> Als sorgsamer Commentator muß ich anmerken: hier liegt ohne Zwei-'<lb/> fel ein Druckfehler vor. Jda Hahn-Hahn ist wahrscheinlich mit der<lb/> Adelung des Schneiders einverstanden, wundert sich aber über die<lb/> Standeserhebung des Gelehrten. So scheint es wenigstens natürlich<lb/> bei einer Dame, die uns von violetten Pelzen und weißen Mousse-<lb/> linkleidern unterhält. Was geht die Gräfin aber der „gelehrte Sal¬<lb/> vius" an?</p><lb/> <p xml:id="ID_789" next="#ID_790"> Ueber den Begriff dessen, „was man Volk nennt", scheint sie<lb/> auch ganz besondere Ansichten zu hegen, bei denen Einem recht feu¬<lb/> dalistisch finster und unheimlich zu Muthe wird. Draußen im Lustschlosse<lb/> Rosesberg ist Byström's Juno aufgestellt, und man gestattet den Zutritt<lb/> nicht blos Gräfinnen, sondern auch Matrosen, und sonstigen gemeinen<lb/> Leuten. Statt sich zu freuen darüber, daß man den Schönheitssinn<lb/> des Volkes erwärmt und weckt, läßt sich die Reiseversucherm verneh¬<lb/> men: „Das ist wahrlich wie eine Profanation. Für solche Augen sind<lb/> Kunstwerke nicht geschaffen." Ach, selbst die Augen sind ordinär, wenn<lb/> der Besitzer nicht von adeliger Geburt! — Bei der Stille in Stock¬<lb/> holm wird ihr gesagt, die um,t«z-vol«-o sei auf dem Lande; sie sehnt<lb/> sich, Volk zu sehen, und bricht in die Erclamation aus: „Nein, nicht<lb/> die ki-into-volve fehlt in Stockholm, sondern Menschen fehlen."<lb/> Also zwei bestimmt von einander geschiedene Sorten; die Menschen<lb/> gehören inerrans nicht zur Kautv-v»!«« und die ti-ente-vol«-« gehört<lb/> nicht zu den Menschen. Wie geistreich, wie neu! — Die Hahn-Hahn<lb/> sagt ferner : „Eine Gräfin mag einen Bauern heirathen, sie bleibt Grä¬<lb/> fin." Das ist eben so richtig, als der Gegensatz: Eine Bauersfrau<lb/> mag einen Grafen heirathen, sie bleibt Bauersfrau.<lb/> gW-An diesen Proben vom Freisinn der Verfasserin wird der Leser<lb/> wohl genug haben und mir die übrigen erlassen. Aber ich darf auf<lb/> der anderen Seite auch nicht verschweigen, daß es doch überwiegende<lb/> Gefühlsmomenle gibt, wo die Gräfin von ihrer Höhe heruntersteige,<lb/> wo sie ganz Mensch wird. So beschreibt sie uns folgende erhabene<lb/> Scene: „Als ich in der Schweiz zum ersten Male die große Alpen¬<lb/> reise machte und eines Tages von Grindelwald über die Scheideck,<lb/> am Rosmlanigletscher vorbei und längs der Wasserfälle des Reichen-<lb/> bachö in das Thal von Meyringen kam, war ich so überwältigt von</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0322]
in der Ordnung, daß diese Fürstin den „gelehrten Salvius" zum
Reichsrath erhob, wundert sich dagegen, daß sie ihren Schneider adelte.
Als sorgsamer Commentator muß ich anmerken: hier liegt ohne Zwei-'
fel ein Druckfehler vor. Jda Hahn-Hahn ist wahrscheinlich mit der
Adelung des Schneiders einverstanden, wundert sich aber über die
Standeserhebung des Gelehrten. So scheint es wenigstens natürlich
bei einer Dame, die uns von violetten Pelzen und weißen Mousse-
linkleidern unterhält. Was geht die Gräfin aber der „gelehrte Sal¬
vius" an?
Ueber den Begriff dessen, „was man Volk nennt", scheint sie
auch ganz besondere Ansichten zu hegen, bei denen Einem recht feu¬
dalistisch finster und unheimlich zu Muthe wird. Draußen im Lustschlosse
Rosesberg ist Byström's Juno aufgestellt, und man gestattet den Zutritt
nicht blos Gräfinnen, sondern auch Matrosen, und sonstigen gemeinen
Leuten. Statt sich zu freuen darüber, daß man den Schönheitssinn
des Volkes erwärmt und weckt, läßt sich die Reiseversucherm verneh¬
men: „Das ist wahrlich wie eine Profanation. Für solche Augen sind
Kunstwerke nicht geschaffen." Ach, selbst die Augen sind ordinär, wenn
der Besitzer nicht von adeliger Geburt! — Bei der Stille in Stock¬
holm wird ihr gesagt, die um,t«z-vol«-o sei auf dem Lande; sie sehnt
sich, Volk zu sehen, und bricht in die Erclamation aus: „Nein, nicht
die ki-into-volve fehlt in Stockholm, sondern Menschen fehlen."
Also zwei bestimmt von einander geschiedene Sorten; die Menschen
gehören inerrans nicht zur Kautv-v»!«« und die ti-ente-vol«-« gehört
nicht zu den Menschen. Wie geistreich, wie neu! — Die Hahn-Hahn
sagt ferner : „Eine Gräfin mag einen Bauern heirathen, sie bleibt Grä¬
fin." Das ist eben so richtig, als der Gegensatz: Eine Bauersfrau
mag einen Grafen heirathen, sie bleibt Bauersfrau.
gW-An diesen Proben vom Freisinn der Verfasserin wird der Leser
wohl genug haben und mir die übrigen erlassen. Aber ich darf auf
der anderen Seite auch nicht verschweigen, daß es doch überwiegende
Gefühlsmomenle gibt, wo die Gräfin von ihrer Höhe heruntersteige,
wo sie ganz Mensch wird. So beschreibt sie uns folgende erhabene
Scene: „Als ich in der Schweiz zum ersten Male die große Alpen¬
reise machte und eines Tages von Grindelwald über die Scheideck,
am Rosmlanigletscher vorbei und längs der Wasserfälle des Reichen-
bachö in das Thal von Meyringen kam, war ich so überwältigt von
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