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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Verfahren gegen die verhaßte Bewegungspartei eingeleitet, und die
Sache nahm rasch und entschieden ihren weiteren Gang. Am 14. Ja¬
nuar wurde der Dichter der unpolitischen Lieder seiner Professur
entsetzt, weil -- wie er selber sich ausdrückt -- das preußische
Landrecht nicht sein Gradus ad Parnassum gewesen. Der entschei¬
dende Schlag aber sollte erst geführt werden durch die Unterdrückung
der Rheinischen Zeitung. -- Das Blatt hatte in der letzten
Zeit des Bestehens gar manchen seiner früheren Freunde verloren,
der Katholicismus der Rheinprovinz fühlte sich tief verletzt durch die
vielen offenen Angriffe auf das positive Christenthum, und besonders
hatten mehrere Artikel über die bairische Kniebeugung große Indigna¬
tion unter den Mittelklassen erregt, so daß selbst die letzte General¬
versammlung der Actionäre, freilich etwas zu spät, die lauteste Un¬
zufriedenheit aussprach über die ungemessenen Formen der bisherigen
Redaction und den oppositionellen Standpunkt zwar festgehalten
wünschte, aber in etwas rücksichtsvollerer Weise. Ja, die Rhein¬
länder sind geborene Liberale, aber keine Radicale, obgleich die Ko¬
blenzer noch in demselben Jahre ihre Rhein- und Moselzeitung we¬
gen allzu conservativer Tendenzen -- aus dem Casino ballotirten! --
Vergeblich hatte sich einer der Redacteure des Blattes in Person nach
Berlin begeben, und die rheinischen Anwälte:c., welche eine Petition
zu Gunsten der Anathematisirten unterzeichneten, erhielten, nach altem
Brauch, blos einen tüchtigen Rüssel. Wir möchten es übrigens eben
für kein Zeichen politischen Scharfblickes halten, daß es unsere Staats¬
männer für nöthig erachteten, jenen excentrischen Liberalismus mit
Gewalt auszurotten, was doch nur zu feindseliger Erbitterung reizte,
während die gefährlich erfundene Richtung sich bereits zu überleben
begonnen und einen großen Theil ihrer wärmsten Anhänger ver¬
loren hatte. Aber die Ministerien waren diesmal, ohne es zu wissen,
ein Werkzeug in der Hand Gottes, und so haben sie den Liberalis¬
mus -- ausgerottet? -- nein! sie haben ihn gekräftigt, geläutert, sie
haben wesentlich dazu beigetragen, das frühere, in der Luft schwebende
Gebäude niederzureißen, so daß wir nachgehends die Fundamente
eines neuen Hauses aus festen Grund zu legen vermochten. Die
Rheinische Zeitung hat in einem le-MvF articlo "am letzten Tage"
ein merkwürdiges, sybillinisch mysteriöses Prophetenwort gesprochen,
aber die Zukunft hat dasselbe, wie uns bedünkt, jetzt schon Lügen


Verfahren gegen die verhaßte Bewegungspartei eingeleitet, und die
Sache nahm rasch und entschieden ihren weiteren Gang. Am 14. Ja¬
nuar wurde der Dichter der unpolitischen Lieder seiner Professur
entsetzt, weil — wie er selber sich ausdrückt — das preußische
Landrecht nicht sein Gradus ad Parnassum gewesen. Der entschei¬
dende Schlag aber sollte erst geführt werden durch die Unterdrückung
der Rheinischen Zeitung. — Das Blatt hatte in der letzten
Zeit des Bestehens gar manchen seiner früheren Freunde verloren,
der Katholicismus der Rheinprovinz fühlte sich tief verletzt durch die
vielen offenen Angriffe auf das positive Christenthum, und besonders
hatten mehrere Artikel über die bairische Kniebeugung große Indigna¬
tion unter den Mittelklassen erregt, so daß selbst die letzte General¬
versammlung der Actionäre, freilich etwas zu spät, die lauteste Un¬
zufriedenheit aussprach über die ungemessenen Formen der bisherigen
Redaction und den oppositionellen Standpunkt zwar festgehalten
wünschte, aber in etwas rücksichtsvollerer Weise. Ja, die Rhein¬
länder sind geborene Liberale, aber keine Radicale, obgleich die Ko¬
blenzer noch in demselben Jahre ihre Rhein- und Moselzeitung we¬
gen allzu conservativer Tendenzen — aus dem Casino ballotirten! —
Vergeblich hatte sich einer der Redacteure des Blattes in Person nach
Berlin begeben, und die rheinischen Anwälte:c., welche eine Petition
zu Gunsten der Anathematisirten unterzeichneten, erhielten, nach altem
Brauch, blos einen tüchtigen Rüssel. Wir möchten es übrigens eben
für kein Zeichen politischen Scharfblickes halten, daß es unsere Staats¬
männer für nöthig erachteten, jenen excentrischen Liberalismus mit
Gewalt auszurotten, was doch nur zu feindseliger Erbitterung reizte,
während die gefährlich erfundene Richtung sich bereits zu überleben
begonnen und einen großen Theil ihrer wärmsten Anhänger ver¬
loren hatte. Aber die Ministerien waren diesmal, ohne es zu wissen,
ein Werkzeug in der Hand Gottes, und so haben sie den Liberalis¬
mus — ausgerottet? — nein! sie haben ihn gekräftigt, geläutert, sie
haben wesentlich dazu beigetragen, das frühere, in der Luft schwebende
Gebäude niederzureißen, so daß wir nachgehends die Fundamente
eines neuen Hauses aus festen Grund zu legen vermochten. Die
Rheinische Zeitung hat in einem le-MvF articlo „am letzten Tage"
ein merkwürdiges, sybillinisch mysteriöses Prophetenwort gesprochen,
aber die Zukunft hat dasselbe, wie uns bedünkt, jetzt schon Lügen


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[0216] Verfahren gegen die verhaßte Bewegungspartei eingeleitet, und die Sache nahm rasch und entschieden ihren weiteren Gang. Am 14. Ja¬ nuar wurde der Dichter der unpolitischen Lieder seiner Professur entsetzt, weil — wie er selber sich ausdrückt — das preußische Landrecht nicht sein Gradus ad Parnassum gewesen. Der entschei¬ dende Schlag aber sollte erst geführt werden durch die Unterdrückung der Rheinischen Zeitung. — Das Blatt hatte in der letzten Zeit des Bestehens gar manchen seiner früheren Freunde verloren, der Katholicismus der Rheinprovinz fühlte sich tief verletzt durch die vielen offenen Angriffe auf das positive Christenthum, und besonders hatten mehrere Artikel über die bairische Kniebeugung große Indigna¬ tion unter den Mittelklassen erregt, so daß selbst die letzte General¬ versammlung der Actionäre, freilich etwas zu spät, die lauteste Un¬ zufriedenheit aussprach über die ungemessenen Formen der bisherigen Redaction und den oppositionellen Standpunkt zwar festgehalten wünschte, aber in etwas rücksichtsvollerer Weise. Ja, die Rhein¬ länder sind geborene Liberale, aber keine Radicale, obgleich die Ko¬ blenzer noch in demselben Jahre ihre Rhein- und Moselzeitung we¬ gen allzu conservativer Tendenzen — aus dem Casino ballotirten! — Vergeblich hatte sich einer der Redacteure des Blattes in Person nach Berlin begeben, und die rheinischen Anwälte:c., welche eine Petition zu Gunsten der Anathematisirten unterzeichneten, erhielten, nach altem Brauch, blos einen tüchtigen Rüssel. Wir möchten es übrigens eben für kein Zeichen politischen Scharfblickes halten, daß es unsere Staats¬ männer für nöthig erachteten, jenen excentrischen Liberalismus mit Gewalt auszurotten, was doch nur zu feindseliger Erbitterung reizte, während die gefährlich erfundene Richtung sich bereits zu überleben begonnen und einen großen Theil ihrer wärmsten Anhänger ver¬ loren hatte. Aber die Ministerien waren diesmal, ohne es zu wissen, ein Werkzeug in der Hand Gottes, und so haben sie den Liberalis¬ mus — ausgerottet? — nein! sie haben ihn gekräftigt, geläutert, sie haben wesentlich dazu beigetragen, das frühere, in der Luft schwebende Gebäude niederzureißen, so daß wir nachgehends die Fundamente eines neuen Hauses aus festen Grund zu legen vermochten. Die Rheinische Zeitung hat in einem le-MvF articlo „am letzten Tage" ein merkwürdiges, sybillinisch mysteriöses Prophetenwort gesprochen, aber die Zukunft hat dasselbe, wie uns bedünkt, jetzt schon Lügen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/216>, abgerufen am 23.12.2024.