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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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einen gedruckten Artikelunterricht besitzen? -- Jeder Rekrut ist da¬
her genöthigt, sich einen geschriebenen Artikeluntcrricht zu verschaffen
d. h. entweder zu kaufen, oder selbst abzuschreiben. Man kann sich
also vorstellen, in welcher Correctheit sich der cursirende Unterricht
durch das vielfältige Abschreiben befindet, und es ist durchaus
gar keine Uebertreibung, daß es selbst für einen deutschen Philologen
keine kleine Aufgabe wäre, aus allen in den Compagnien vorhande¬
nen geschriebenen Artillerie-Unterrichtsbüchern Ein verständiges
zusammenzutragen,-- wenn dieser Philolognicht selbstArtillerist gewesen ist.




Nach diesen vielleicht unzeitigen Abschweifungen kehre ich zu den
ersten feierlichen Zeremonien meiner Einweihung zum Artilleristen zurück.

Gleich den zweiten Tag wurde ich und mein Mitgefährte mit
einem Säbel ausstaffirt und uns in Kürze die bei einer militärischen
Eidablegung vorgeschriebene Etiquette beigebracht. Vor der in's Ge¬
wehr getretenen Wache wurde eine sechspfündige Kanone aufgeführt
und abgeprotzt. Sechs Mann mit gezogenem Säbel mit einem
Unteroffizier umgaben dieselbe, und der Jnspectionsoffizier, hervortre¬
tend, herrschte dem mit der Eidesformel harrenden Feldwebel zu, uns
die drei wichtigsten Kriegsartikel mit dem Refrain: "Soll sowohl in
Friedens- als Kriegszeiten hingerichtet werden" vorzulesen. Nachdem
dieses geschehen war, und wir diese schönen Bedingungen, zu denen
sich der Staat gegen uns verpflichtete, unter halben Todesängsten
angehört hatten, legten wir gegen die Mlmdung der Kanone en
trunk den feierlichen Eid ab, der uns zu lebenslänglichen Soldaten
verband. -- Nach dieser Feierlichkeit faßten wir alsogleich unsere üb¬
rige Montur in laeui'-i, d. h. mwerfertigt, welche auch binnen drei
Tagen durch den Compagnieschneider verfertigt war. Wir mußten
den Schneider bezahlen, trotzdem daß jeder Soldat seine Mon¬
tur ohne die geringsten Spesen erhalten soll. Nur acht Tage wurde
an uns dressirt und gehütete, so wie uns auch das Dienstreglement
und die Kriegsartikel täglich vorgetragen wurden. Während dieser
Zeit wurde uns auch nur unter Aufsicht gestattet" die Kaserne zu
verlassen, und erst nachdem wir am neunten Tage unsere erste Wache
verrichtet hatten, wurde dieses über uns ausgesprochene Interdict auf¬
gehoben. Der löbliche Gebrauch, daß Diejenigen, welche die erste


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einen gedruckten Artikelunterricht besitzen? — Jeder Rekrut ist da¬
her genöthigt, sich einen geschriebenen Artikeluntcrricht zu verschaffen
d. h. entweder zu kaufen, oder selbst abzuschreiben. Man kann sich
also vorstellen, in welcher Correctheit sich der cursirende Unterricht
durch das vielfältige Abschreiben befindet, und es ist durchaus
gar keine Uebertreibung, daß es selbst für einen deutschen Philologen
keine kleine Aufgabe wäre, aus allen in den Compagnien vorhande¬
nen geschriebenen Artillerie-Unterrichtsbüchern Ein verständiges
zusammenzutragen,— wenn dieser Philolognicht selbstArtillerist gewesen ist.




Nach diesen vielleicht unzeitigen Abschweifungen kehre ich zu den
ersten feierlichen Zeremonien meiner Einweihung zum Artilleristen zurück.

Gleich den zweiten Tag wurde ich und mein Mitgefährte mit
einem Säbel ausstaffirt und uns in Kürze die bei einer militärischen
Eidablegung vorgeschriebene Etiquette beigebracht. Vor der in's Ge¬
wehr getretenen Wache wurde eine sechspfündige Kanone aufgeführt
und abgeprotzt. Sechs Mann mit gezogenem Säbel mit einem
Unteroffizier umgaben dieselbe, und der Jnspectionsoffizier, hervortre¬
tend, herrschte dem mit der Eidesformel harrenden Feldwebel zu, uns
die drei wichtigsten Kriegsartikel mit dem Refrain: „Soll sowohl in
Friedens- als Kriegszeiten hingerichtet werden" vorzulesen. Nachdem
dieses geschehen war, und wir diese schönen Bedingungen, zu denen
sich der Staat gegen uns verpflichtete, unter halben Todesängsten
angehört hatten, legten wir gegen die Mlmdung der Kanone en
trunk den feierlichen Eid ab, der uns zu lebenslänglichen Soldaten
verband. — Nach dieser Feierlichkeit faßten wir alsogleich unsere üb¬
rige Montur in laeui'-i, d. h. mwerfertigt, welche auch binnen drei
Tagen durch den Compagnieschneider verfertigt war. Wir mußten
den Schneider bezahlen, trotzdem daß jeder Soldat seine Mon¬
tur ohne die geringsten Spesen erhalten soll. Nur acht Tage wurde
an uns dressirt und gehütete, so wie uns auch das Dienstreglement
und die Kriegsartikel täglich vorgetragen wurden. Während dieser
Zeit wurde uns auch nur unter Aufsicht gestattet« die Kaserne zu
verlassen, und erst nachdem wir am neunten Tage unsere erste Wache
verrichtet hatten, wurde dieses über uns ausgesprochene Interdict auf¬
gehoben. Der löbliche Gebrauch, daß Diejenigen, welche die erste


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[0019] einen gedruckten Artikelunterricht besitzen? — Jeder Rekrut ist da¬ her genöthigt, sich einen geschriebenen Artikeluntcrricht zu verschaffen d. h. entweder zu kaufen, oder selbst abzuschreiben. Man kann sich also vorstellen, in welcher Correctheit sich der cursirende Unterricht durch das vielfältige Abschreiben befindet, und es ist durchaus gar keine Uebertreibung, daß es selbst für einen deutschen Philologen keine kleine Aufgabe wäre, aus allen in den Compagnien vorhande¬ nen geschriebenen Artillerie-Unterrichtsbüchern Ein verständiges zusammenzutragen,— wenn dieser Philolognicht selbstArtillerist gewesen ist. Nach diesen vielleicht unzeitigen Abschweifungen kehre ich zu den ersten feierlichen Zeremonien meiner Einweihung zum Artilleristen zurück. Gleich den zweiten Tag wurde ich und mein Mitgefährte mit einem Säbel ausstaffirt und uns in Kürze die bei einer militärischen Eidablegung vorgeschriebene Etiquette beigebracht. Vor der in's Ge¬ wehr getretenen Wache wurde eine sechspfündige Kanone aufgeführt und abgeprotzt. Sechs Mann mit gezogenem Säbel mit einem Unteroffizier umgaben dieselbe, und der Jnspectionsoffizier, hervortre¬ tend, herrschte dem mit der Eidesformel harrenden Feldwebel zu, uns die drei wichtigsten Kriegsartikel mit dem Refrain: „Soll sowohl in Friedens- als Kriegszeiten hingerichtet werden" vorzulesen. Nachdem dieses geschehen war, und wir diese schönen Bedingungen, zu denen sich der Staat gegen uns verpflichtete, unter halben Todesängsten angehört hatten, legten wir gegen die Mlmdung der Kanone en trunk den feierlichen Eid ab, der uns zu lebenslänglichen Soldaten verband. — Nach dieser Feierlichkeit faßten wir alsogleich unsere üb¬ rige Montur in laeui'-i, d. h. mwerfertigt, welche auch binnen drei Tagen durch den Compagnieschneider verfertigt war. Wir mußten den Schneider bezahlen, trotzdem daß jeder Soldat seine Mon¬ tur ohne die geringsten Spesen erhalten soll. Nur acht Tage wurde an uns dressirt und gehütete, so wie uns auch das Dienstreglement und die Kriegsartikel täglich vorgetragen wurden. Während dieser Zeit wurde uns auch nur unter Aufsicht gestattet« die Kaserne zu verlassen, und erst nachdem wir am neunten Tage unsere erste Wache verrichtet hatten, wurde dieses über uns ausgesprochene Interdict auf¬ gehoben. Der löbliche Gebrauch, daß Diejenigen, welche die erste 2 »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/19>, abgerufen am 23.07.2024.