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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Wache verrichten, die ganze Wachmannschaft besaufen müssen, wurde
gewissenhaft befolgt, und da ich mit Geld noch ziemlich versehen war,
so konnte ich auch jeder üblen Nachrede wegen Mangel an Lebens¬
mitteln und Getränken, der während der vierundzwanzigstündigen Wach¬
zeit hätte eintreten können, auf das Kräftigste vorbeugen; wofür ich
den einstimmigen Beifall und die volle Zufriedenheit der gesammten
Wachmannschaft einerntete. -- Von nun an wurde ich ohne Aus¬
nahme zu allen Diensten, welche einem Artilleristen obliegen, com-
mandirt. Die Dienstverrichtungen eines Artilleristen sind größten-
theils fatiguant und selbst ihr Erercitium erfordert große Physische
Anstrengung; weswegen auch die Artillerie besser als jede andere
Truppengattung bezahlt ist. Trotz der vielen Arbeiten wird jeder
Artillerist, ob er Lust hat oder nicht, ob derselbe Talent besitzt oder
nicht, nach Zulassung des Dienstes, Vor- und Nachmittags zum Ler¬
nen angehalten. Es ist bemerkenswerth, daß bei der großen militä¬
rischen Strenge, die bei der wissenschaftlichen Erziehung der Artillerie
obwaltet, sich doch Individuen vorfinden, die es in zehn, ja sogar in
zwanzig Jahren nicht über das Buchstabiren gebracht haben. -- Die
Gegenstände, welche in der Compagnie vorgetragen werden, sind fol¬
gende: Lesen, Schreiben, und für Geübtere Dictandoschreiben, Arith¬
metik bis zur Regel de Tri, Artillerieunterricht, der in mehrere Klassen
zerfällt und auch den Batteriebau enthält. nebstbei wird wöchentlich
das Dienstreglement oder die Kriegsartikel einmal vorgelesen. Der
Unterricht wird lediglich von den Unteroffizieren unter der Aufsicht
der Oberoffiziere ertheilt, welche letzteren bei den stattfindenden Prü¬
fungen, die jährlich in Gegenwart eines Stabsoffiziers, dann des
Obersten und endlich des Brigadiers abgehalten werden, für die
Ausbildung ihrer zu beaufsichtigenden Klassen verantwortlich sind.
Die sogenannten neuen Leute werden nach ihren mitgebrachten Zeug¬
nissen classifizirt und jene z. B., die studirt haben und eine gute
Handschrift schreiben, werden in die Dictandoschule eingetheilt, --
welche höhere Mathematik absolvirt haben, werden aber höchstens zu
den Brüchen zugelassen, weil man im Voraus überzeugt ist, daß die
Rechenkunst nirgends besser als in der Artillerie erlernt wird und
gewöhnlich die mathematischen Fremdlinge bei Ausarbeitung ihrer
Aufgaben sich nicht der in der Artillerie vorgeschriebenen Ausdrücke


Wache verrichten, die ganze Wachmannschaft besaufen müssen, wurde
gewissenhaft befolgt, und da ich mit Geld noch ziemlich versehen war,
so konnte ich auch jeder üblen Nachrede wegen Mangel an Lebens¬
mitteln und Getränken, der während der vierundzwanzigstündigen Wach¬
zeit hätte eintreten können, auf das Kräftigste vorbeugen; wofür ich
den einstimmigen Beifall und die volle Zufriedenheit der gesammten
Wachmannschaft einerntete. — Von nun an wurde ich ohne Aus¬
nahme zu allen Diensten, welche einem Artilleristen obliegen, com-
mandirt. Die Dienstverrichtungen eines Artilleristen sind größten-
theils fatiguant und selbst ihr Erercitium erfordert große Physische
Anstrengung; weswegen auch die Artillerie besser als jede andere
Truppengattung bezahlt ist. Trotz der vielen Arbeiten wird jeder
Artillerist, ob er Lust hat oder nicht, ob derselbe Talent besitzt oder
nicht, nach Zulassung des Dienstes, Vor- und Nachmittags zum Ler¬
nen angehalten. Es ist bemerkenswerth, daß bei der großen militä¬
rischen Strenge, die bei der wissenschaftlichen Erziehung der Artillerie
obwaltet, sich doch Individuen vorfinden, die es in zehn, ja sogar in
zwanzig Jahren nicht über das Buchstabiren gebracht haben. — Die
Gegenstände, welche in der Compagnie vorgetragen werden, sind fol¬
gende: Lesen, Schreiben, und für Geübtere Dictandoschreiben, Arith¬
metik bis zur Regel de Tri, Artillerieunterricht, der in mehrere Klassen
zerfällt und auch den Batteriebau enthält. nebstbei wird wöchentlich
das Dienstreglement oder die Kriegsartikel einmal vorgelesen. Der
Unterricht wird lediglich von den Unteroffizieren unter der Aufsicht
der Oberoffiziere ertheilt, welche letzteren bei den stattfindenden Prü¬
fungen, die jährlich in Gegenwart eines Stabsoffiziers, dann des
Obersten und endlich des Brigadiers abgehalten werden, für die
Ausbildung ihrer zu beaufsichtigenden Klassen verantwortlich sind.
Die sogenannten neuen Leute werden nach ihren mitgebrachten Zeug¬
nissen classifizirt und jene z. B., die studirt haben und eine gute
Handschrift schreiben, werden in die Dictandoschule eingetheilt, —
welche höhere Mathematik absolvirt haben, werden aber höchstens zu
den Brüchen zugelassen, weil man im Voraus überzeugt ist, daß die
Rechenkunst nirgends besser als in der Artillerie erlernt wird und
gewöhnlich die mathematischen Fremdlinge bei Ausarbeitung ihrer
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/20>, abgerufen am 23.07.2024.