Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.Verzicht leisten, daß ich jedesmal, wenn mich ein Vorgesetzter anre¬ Nachdem diese Waffengattung, die doch dreißigtausend Mann Verzicht leisten, daß ich jedesmal, wenn mich ein Vorgesetzter anre¬ Nachdem diese Waffengattung, die doch dreißigtausend Mann <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0018" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180577"/> <p xml:id="ID_19" prev="#ID_18"> Verzicht leisten, daß ich jedesmal, wenn mich ein Vorgesetzter anre¬<lb/> den würde, erröthen und mich innere Scham verzehren müßte, ich<lb/> würde nimmermehr Soldat geworden sein. — Und diese Inkonsequenz<lb/> dauert in der, wegen ihrer Bildung hochgepriesenen Artillerie fort<lb/> Und fort. Ich will in keine weitläufige Abhandlung dieses die wissenschaft¬<lb/> liche Bildung in jedem Individuum versöhnenden Mißbrauchs ein¬<lb/> gehen; aber ich stelle es Jedem frei, zu beurtheilen, wie einem sol¬<lb/> chen Artilleristen zu Muthe sein müßte, wenn er in einem honetten<lb/> Hause die höhere Mathematik, Mechanik oder wohl gar Philosophische<lb/> Gegenstände lehrt, und zufälligerweise dann in demselben Hause mit<lb/> seinem Offizier zusammentrifft und dieser den Herrn Lehrer per<lb/> „Er" tractirt? — Gewinne der Offizier beim Civilisten, bei den Ge-<lb/> bildeten vielleicht an Ansehen, daß er sich eines rohen Vorrechts<lb/> gegen einen Docenten aus der Mitte seines eigenen erhabenen Stan¬<lb/> des bedient, vermöge welches der letztere in gleiche Kategorien mit<lb/> dem niedrigsten Pöbel geworfen wird? — Kann man vielleicht den<lb/> Grund als zureichend annehmen, daß man wegen einiger Studenten<lb/> u. f. w. keine Ausnahme machen könne? Warum macht man denn<lb/> nur Ausnahmen bei einigen Offiziers- und Beamtensöhnen, die doch<lb/> mit den Bauern- und Bürgersöhnen auch gleiche Charge bekleiden?<lb/> — Das Allerschönste ist aber, daß beim Vortrag des Dlenstregle-<lb/> ments, wo es heißt: „der Gemeine wird von seinen Vorgesetzten mit<lb/> „Ihr" benannt, ausdrücklich immer erinnert wird: Bei der Artillerie<lb/> wird jedoch der Gemeine nicht mit Ihr, sondern mit dem Ehren-<lb/> Worte Er, welches in der Armee nur den Korporalen zukommt,<lb/> angeredet. — Es ist übrigens merkwürdig, daß die Artillerie noch<lb/> heut zu Tage kein eigenes Dienstreglement besitzt, welches für alle<lb/> Dienstfälle zur Richtschnur, dienen könnte; sondern bei der Artillerie<lb/> gilt dasselbe Reglement, welches für die Infanterie im Jahre 18V9<lb/> herausgegeben wurde. Es heißt daher immer beim Vortrage des<lb/> Dienstrcglements, wo die Vcrhaltungen auf den Vorposten und über¬<lb/> haupt vor dem Feinde u. s. w. auseinandergesetzt werden, — „das<lb/> geht uns Nichts an", — ohne etwas für die Artillerie für diese<lb/> Fälle Passendes zu substituiren.</p><lb/> <p xml:id="ID_20" next="#ID_21"> Nachdem diese Waffengattung, die doch dreißigtausend Mann<lb/> zählt, nicht einmal ein eigenes Dienstreglement besitzt, wer soll sich<lb/> wundern, daß die fünf Regimenter Artillerie heut zu Tage noch nicht</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
Verzicht leisten, daß ich jedesmal, wenn mich ein Vorgesetzter anre¬
den würde, erröthen und mich innere Scham verzehren müßte, ich
würde nimmermehr Soldat geworden sein. — Und diese Inkonsequenz
dauert in der, wegen ihrer Bildung hochgepriesenen Artillerie fort
Und fort. Ich will in keine weitläufige Abhandlung dieses die wissenschaft¬
liche Bildung in jedem Individuum versöhnenden Mißbrauchs ein¬
gehen; aber ich stelle es Jedem frei, zu beurtheilen, wie einem sol¬
chen Artilleristen zu Muthe sein müßte, wenn er in einem honetten
Hause die höhere Mathematik, Mechanik oder wohl gar Philosophische
Gegenstände lehrt, und zufälligerweise dann in demselben Hause mit
seinem Offizier zusammentrifft und dieser den Herrn Lehrer per
„Er" tractirt? — Gewinne der Offizier beim Civilisten, bei den Ge-
bildeten vielleicht an Ansehen, daß er sich eines rohen Vorrechts
gegen einen Docenten aus der Mitte seines eigenen erhabenen Stan¬
des bedient, vermöge welches der letztere in gleiche Kategorien mit
dem niedrigsten Pöbel geworfen wird? — Kann man vielleicht den
Grund als zureichend annehmen, daß man wegen einiger Studenten
u. f. w. keine Ausnahme machen könne? Warum macht man denn
nur Ausnahmen bei einigen Offiziers- und Beamtensöhnen, die doch
mit den Bauern- und Bürgersöhnen auch gleiche Charge bekleiden?
— Das Allerschönste ist aber, daß beim Vortrag des Dlenstregle-
ments, wo es heißt: „der Gemeine wird von seinen Vorgesetzten mit
„Ihr" benannt, ausdrücklich immer erinnert wird: Bei der Artillerie
wird jedoch der Gemeine nicht mit Ihr, sondern mit dem Ehren-
Worte Er, welches in der Armee nur den Korporalen zukommt,
angeredet. — Es ist übrigens merkwürdig, daß die Artillerie noch
heut zu Tage kein eigenes Dienstreglement besitzt, welches für alle
Dienstfälle zur Richtschnur, dienen könnte; sondern bei der Artillerie
gilt dasselbe Reglement, welches für die Infanterie im Jahre 18V9
herausgegeben wurde. Es heißt daher immer beim Vortrage des
Dienstrcglements, wo die Vcrhaltungen auf den Vorposten und über¬
haupt vor dem Feinde u. s. w. auseinandergesetzt werden, — „das
geht uns Nichts an", — ohne etwas für die Artillerie für diese
Fälle Passendes zu substituiren.
Nachdem diese Waffengattung, die doch dreißigtausend Mann
zählt, nicht einmal ein eigenes Dienstreglement besitzt, wer soll sich
wundern, daß die fünf Regimenter Artillerie heut zu Tage noch nicht
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