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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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anknüpfte. Ich erwähne nur hier, daß mein anfänglicher Mitgefährte
nach einigen Wochen Urlaub erhielt und mit Hilfe seiner reichen
Anverwandten bald- seinen Abschied erlangte.

Mein Ziinmercommandant war unter den zwölf Compagnie-
Korporälen einer der solidesten und war in der ganzen Compagnie
sehr beliebt; daher ich vom Glücke sehr begünstigt war, als ich
seinem unmittelbaren Szepter untergeordnet wurde. Der erste Zim¬
mercommandant entscheidet gewöhnlich die zukünftige Carriere eines
Rekruten; denn er rapportirt über ihn, er verfaßt seine Conduite und
besonders in der ersten Zeit hängt es rein von seiner Schätzung und
von seiner Beurtheilung ab, ob der neue Mann in der Compagnie
wohlgelitten sei und das Wohlwollen aller übrigen Vorgesetzten erlange.
Zur Zeit meines Eintritts gab es keine Regimentskadetten, und die
wenigen Erpropriis und Offizierssöhne waren sehr dünn gesäet,
weil sie damals noch sehr wenige Begünstigungen genoßen, und erst seit
dem Jahre 1825 denselben viele Vortheile zugestanden wurden; da¬
her die Protectionen wenigstens noch nicht vorherrschend waren. Die
Erpropriis, Offiziers- und Beamtensöhne, Edelleute, genoßen damals
keinen anderen Vorzug oder eine Auszeichnung, als daß selbe mit
dem Worte "Sie" tractirt wurden, während jeder andere Artillerist
vom Korporale abwärts, der nicht in die obenerwähnten Kategorien
gehörte, mit dem Worte "Er" von seinen Vorgesetzten angeredet wurde,
-- mochte derselbe ein Civilist, Arzt, Student, Künstler oder was
immer gewesen sein, sobald derselbe vermöge seiner Geburt nicht auf
dieses in der civilisirten Welt gebräuchliche Wort "Sie" seine An¬
sprüche gründen, oder durch Erlegen des Monturgeldes sich diesen
Titel zu erkaufen im Stande war. Der Anblick meines ersten mili¬
tärischen Kleides, an dem noch die Blutflecken des nach Freiheit rin¬
genden und für dieses Verbrechen mit Ruthen gegeißelten Kameraden
sichtbar waren, erschütterte mein Gefühl, -- aber das Wort "Er",
dessen ich nun auch vor dem Ablegen des Eides theilhaftig wurde,
empörte mein Ehrgefühl. Ich bebte nicht vor grausamen Strafen,
ick erschrack nicht vor einer lebenslänglichen, selbst bei günstigsten Um-
j .uden nur mit falschen Farben übertünchten Sklaverei; ich war ent¬
schlossen, jedes Elend, alle Gefahren zutragen und zu dulden; allein,
hätte ich gewußt, daß ich mit dem Anzüge des sogenannten Ehren¬
kleides auf die in der civilisirten Welt bereits errungene Achtung


Grenzbotc" I84i. II. , 2

anknüpfte. Ich erwähne nur hier, daß mein anfänglicher Mitgefährte
nach einigen Wochen Urlaub erhielt und mit Hilfe seiner reichen
Anverwandten bald- seinen Abschied erlangte.

Mein Ziinmercommandant war unter den zwölf Compagnie-
Korporälen einer der solidesten und war in der ganzen Compagnie
sehr beliebt; daher ich vom Glücke sehr begünstigt war, als ich
seinem unmittelbaren Szepter untergeordnet wurde. Der erste Zim¬
mercommandant entscheidet gewöhnlich die zukünftige Carriere eines
Rekruten; denn er rapportirt über ihn, er verfaßt seine Conduite und
besonders in der ersten Zeit hängt es rein von seiner Schätzung und
von seiner Beurtheilung ab, ob der neue Mann in der Compagnie
wohlgelitten sei und das Wohlwollen aller übrigen Vorgesetzten erlange.
Zur Zeit meines Eintritts gab es keine Regimentskadetten, und die
wenigen Erpropriis und Offizierssöhne waren sehr dünn gesäet,
weil sie damals noch sehr wenige Begünstigungen genoßen, und erst seit
dem Jahre 1825 denselben viele Vortheile zugestanden wurden; da¬
her die Protectionen wenigstens noch nicht vorherrschend waren. Die
Erpropriis, Offiziers- und Beamtensöhne, Edelleute, genoßen damals
keinen anderen Vorzug oder eine Auszeichnung, als daß selbe mit
dem Worte „Sie" tractirt wurden, während jeder andere Artillerist
vom Korporale abwärts, der nicht in die obenerwähnten Kategorien
gehörte, mit dem Worte „Er" von seinen Vorgesetzten angeredet wurde,
— mochte derselbe ein Civilist, Arzt, Student, Künstler oder was
immer gewesen sein, sobald derselbe vermöge seiner Geburt nicht auf
dieses in der civilisirten Welt gebräuchliche Wort „Sie" seine An¬
sprüche gründen, oder durch Erlegen des Monturgeldes sich diesen
Titel zu erkaufen im Stande war. Der Anblick meines ersten mili¬
tärischen Kleides, an dem noch die Blutflecken des nach Freiheit rin¬
genden und für dieses Verbrechen mit Ruthen gegeißelten Kameraden
sichtbar waren, erschütterte mein Gefühl, — aber das Wort „Er",
dessen ich nun auch vor dem Ablegen des Eides theilhaftig wurde,
empörte mein Ehrgefühl. Ich bebte nicht vor grausamen Strafen,
ick erschrack nicht vor einer lebenslänglichen, selbst bei günstigsten Um-
j .uden nur mit falschen Farben übertünchten Sklaverei; ich war ent¬
schlossen, jedes Elend, alle Gefahren zutragen und zu dulden; allein,
hätte ich gewußt, daß ich mit dem Anzüge des sogenannten Ehren¬
kleides auf die in der civilisirten Welt bereits errungene Achtung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/17>, abgerufen am 22.12.2024.