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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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theilung der Finanzhofstelle anheimgestellt bleibt. Consequenterweise
untersteht auch das gesammte Kassenwesen der ganzen Monarchie
dieser wichtigen Centralbehörde, welche daher mit den vielverzweigten
Fäden ihrer geschäftlichen Obliegenheiten das Ganze des modernen
Staates wie mit einem Netze überzieht, und deren tiefeingreifende
Thätigkeit bis in die ärmste Hütte an der fernsten Reichsgrenze ver¬
spürt wird.

Bei der großen Rolle, die das Geldwesen gegenwärtig im Staats¬
leben spielt, darf es nicht verwundern, wenn die Hofkammer als die
wichtigste Hofstelle in Oesterreich betrachtet wird und diese auch ei¬
nen ungewöhnlichen Grad von Bewegung entfaltet, der mit der star¬
ren Ruhe der übrigen Verwaltungszweige in einem jedenfalls bemer¬
kenswerthen Contrast steht. Während der Hofkriegsrath die Reform
des Heeres bei einigen zweckmäßigen Abänderungen in der Bekleidung
und der dringend nothwendigen Aufbesserung der Gehalte der Sub¬
alternoffiziere sein Bewenden finden ließ und tiefere Griffe in das
organische Leben der Armee bisher sorgfältig vermied; während die
Polizeihofstelle, welche auch die Censurgeschäfte handhabt und das
Volksleben überwacht, in einem Geiste waltet, der den Zeiten der
ärgsten Aufregung und der Zügellosigkeit eines insnrgirten Landes
anpassend wäre; während die Hofkanzlei als politische Centralbehörde
die eigenen Ordnungen aufrecht erhält, welche den gesellschaftlichen
Zuständen längst vergangener Epochen entsprochen haben mögen, aber
jetzt, wo die Entfesselung des Bodens und die möglichste individuelle
Freiheit die ersten Bedürfnisse sind, nicht mehr genügen wollen; wäh¬
rend die oberste Justizstelle bis jetzt den Strom neuer Ideen, der die
römische Gerichtswege mit besoldeten, inquisitorischen Richtern durch
Oeffnung der Gerichtssäle und unabhängige Geschworne zu ger-
manisiren strebt, beharrlich gestaut hat, -- betrat die Hoskammer zum
nicht geringen Erstaunen der Menge in der jüngsten Zeit den Weg
rascher Reform, und unter ihrem Einflusse erschienet! eine Reihe neuer
Gesetze, denen man, wird auch ihre wohlthätige Wirkung von vielen
Seiten bestritten, doch immerhin das Verdienst entschiedenen Wollens
und jener Unruhe des Fortschrittes lassen um>ß, welche bei der Un-
beweglichkeit österreichischer Verwaltungsprinzipien schon als eine Wen¬
dung zum Bessern und als ein Zeichen beginnenden Lebens anzu¬
sehen wäre.


theilung der Finanzhofstelle anheimgestellt bleibt. Consequenterweise
untersteht auch das gesammte Kassenwesen der ganzen Monarchie
dieser wichtigen Centralbehörde, welche daher mit den vielverzweigten
Fäden ihrer geschäftlichen Obliegenheiten das Ganze des modernen
Staates wie mit einem Netze überzieht, und deren tiefeingreifende
Thätigkeit bis in die ärmste Hütte an der fernsten Reichsgrenze ver¬
spürt wird.

Bei der großen Rolle, die das Geldwesen gegenwärtig im Staats¬
leben spielt, darf es nicht verwundern, wenn die Hofkammer als die
wichtigste Hofstelle in Oesterreich betrachtet wird und diese auch ei¬
nen ungewöhnlichen Grad von Bewegung entfaltet, der mit der star¬
ren Ruhe der übrigen Verwaltungszweige in einem jedenfalls bemer¬
kenswerthen Contrast steht. Während der Hofkriegsrath die Reform
des Heeres bei einigen zweckmäßigen Abänderungen in der Bekleidung
und der dringend nothwendigen Aufbesserung der Gehalte der Sub¬
alternoffiziere sein Bewenden finden ließ und tiefere Griffe in das
organische Leben der Armee bisher sorgfältig vermied; während die
Polizeihofstelle, welche auch die Censurgeschäfte handhabt und das
Volksleben überwacht, in einem Geiste waltet, der den Zeiten der
ärgsten Aufregung und der Zügellosigkeit eines insnrgirten Landes
anpassend wäre; während die Hofkanzlei als politische Centralbehörde
die eigenen Ordnungen aufrecht erhält, welche den gesellschaftlichen
Zuständen längst vergangener Epochen entsprochen haben mögen, aber
jetzt, wo die Entfesselung des Bodens und die möglichste individuelle
Freiheit die ersten Bedürfnisse sind, nicht mehr genügen wollen; wäh¬
rend die oberste Justizstelle bis jetzt den Strom neuer Ideen, der die
römische Gerichtswege mit besoldeten, inquisitorischen Richtern durch
Oeffnung der Gerichtssäle und unabhängige Geschworne zu ger-
manisiren strebt, beharrlich gestaut hat, — betrat die Hoskammer zum
nicht geringen Erstaunen der Menge in der jüngsten Zeit den Weg
rascher Reform, und unter ihrem Einflusse erschienet! eine Reihe neuer
Gesetze, denen man, wird auch ihre wohlthätige Wirkung von vielen
Seiten bestritten, doch immerhin das Verdienst entschiedenen Wollens
und jener Unruhe des Fortschrittes lassen um>ß, welche bei der Un-
beweglichkeit österreichischer Verwaltungsprinzipien schon als eine Wen¬
dung zum Bessern und als ein Zeichen beginnenden Lebens anzu¬
sehen wäre.


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[0166] theilung der Finanzhofstelle anheimgestellt bleibt. Consequenterweise untersteht auch das gesammte Kassenwesen der ganzen Monarchie dieser wichtigen Centralbehörde, welche daher mit den vielverzweigten Fäden ihrer geschäftlichen Obliegenheiten das Ganze des modernen Staates wie mit einem Netze überzieht, und deren tiefeingreifende Thätigkeit bis in die ärmste Hütte an der fernsten Reichsgrenze ver¬ spürt wird. Bei der großen Rolle, die das Geldwesen gegenwärtig im Staats¬ leben spielt, darf es nicht verwundern, wenn die Hofkammer als die wichtigste Hofstelle in Oesterreich betrachtet wird und diese auch ei¬ nen ungewöhnlichen Grad von Bewegung entfaltet, der mit der star¬ ren Ruhe der übrigen Verwaltungszweige in einem jedenfalls bemer¬ kenswerthen Contrast steht. Während der Hofkriegsrath die Reform des Heeres bei einigen zweckmäßigen Abänderungen in der Bekleidung und der dringend nothwendigen Aufbesserung der Gehalte der Sub¬ alternoffiziere sein Bewenden finden ließ und tiefere Griffe in das organische Leben der Armee bisher sorgfältig vermied; während die Polizeihofstelle, welche auch die Censurgeschäfte handhabt und das Volksleben überwacht, in einem Geiste waltet, der den Zeiten der ärgsten Aufregung und der Zügellosigkeit eines insnrgirten Landes anpassend wäre; während die Hofkanzlei als politische Centralbehörde die eigenen Ordnungen aufrecht erhält, welche den gesellschaftlichen Zuständen längst vergangener Epochen entsprochen haben mögen, aber jetzt, wo die Entfesselung des Bodens und die möglichste individuelle Freiheit die ersten Bedürfnisse sind, nicht mehr genügen wollen; wäh¬ rend die oberste Justizstelle bis jetzt den Strom neuer Ideen, der die römische Gerichtswege mit besoldeten, inquisitorischen Richtern durch Oeffnung der Gerichtssäle und unabhängige Geschworne zu ger- manisiren strebt, beharrlich gestaut hat, — betrat die Hoskammer zum nicht geringen Erstaunen der Menge in der jüngsten Zeit den Weg rascher Reform, und unter ihrem Einflusse erschienet! eine Reihe neuer Gesetze, denen man, wird auch ihre wohlthätige Wirkung von vielen Seiten bestritten, doch immerhin das Verdienst entschiedenen Wollens und jener Unruhe des Fortschrittes lassen um>ß, welche bei der Un- beweglichkeit österreichischer Verwaltungsprinzipien schon als eine Wen¬ dung zum Bessern und als ein Zeichen beginnenden Lebens anzu¬ sehen wäre.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/166>, abgerufen am 23.07.2024.