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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Daß gerade die Hofkammer indem österreichischen Vcttvaltuilgs-
körper die Initiative der Reform ergriffen, kann eben so wenig be¬
fremden, alö wenn ein einzelnes Individuum die Umwandlung seiner
Lebensweise und socialen Verhältnisse mit der Reform der finanziel¬
len Seite beginnt, denn auch der Staat basirt heut zu Tage auf
dem goldenen Boden des Finanzwesens, und desto mehr, je weniger
ihm eine moralische Basis geboten scheint. Es ist sonach der Libe¬
ralismus der Spekulation, der Jnstinct des Egoismus, das Gebot
der Nothwendigkeit, welche aus die Reformbahn hinweisen, und es
gewinnt oft den Anschein, als geschehe das Gute hier nur, um mit
den goldenen Früchten desselben das Ueberlebte auf anderen Gebieten
künstlich zu stützen und zu conserviren. Doch davon werden wir noch
in der Folge reden, wenn die Art des Fortschreitens selbst näher be¬
zeichnet werden soll, und in jüngsten Regungen des Neformgeistes
den Charakter deö leitenden Prinzips selbst nachzuweisen suchen.

In der letzten Zeit hat sich der Umfang und möglicherweise
auch die Wichtigkeit der Hoflammer noch vermehrt, indem nach dem
Tode des Fürsten Lobkowitz, der den Posten eines Präsidenten
der montanistischen Hvfkammer seit 1834 bekleidete, dieser gesonderte
Amtskörper mit der allgemeinen Hosiammer vereinigt ward. Das
Bergwesen und die Münzung hatten schon vordem zum Ressort der
Hofkammer gehört und nur der Wunsch, den aus Galizien abberu¬
fenen Gouverneur, Fürsten Lobkowitz, angemessen zu placiren, bewog
damals die Negierung zur selbständigen Einrichtung einer Hofkam¬
mer im Münz- und Bergwesen. Fürst August von Lobkowitz stand
nämlich an der Spitze deö galizischen Guberniums zu Lemberg, als
im Jahre im Königreiche Polen der bekannte Aufstand aus¬
brach und zugleich die asiatische Cholera ihre traurigen Verheerungen
anrichtete, welche um so verderblicher waren, als um dieselbe Zeit
gerade die Einfühlung der Accise zu mancherlei Bedrückungen führte,
und die herrschende Krankheit durch einen drückenden Nothstand noch
gefährlicher wurde. Lobkowitz, der etwas vom Blute der alten Ari¬
stokratie in seinen Adern harte und sich nicht so leicht in die passive
Stellung eines puren Beamten zu finden vermochte, in welcher der
österreichische Adel noch allein Ansehen und Macht genießen kann,
hielt es unter diesen Umständen für gerathen, damit das Gefühl ma¬
terieller Noth die ohnehin nur leise schlummernden nationalen Spin-


Daß gerade die Hofkammer indem österreichischen Vcttvaltuilgs-
körper die Initiative der Reform ergriffen, kann eben so wenig be¬
fremden, alö wenn ein einzelnes Individuum die Umwandlung seiner
Lebensweise und socialen Verhältnisse mit der Reform der finanziel¬
len Seite beginnt, denn auch der Staat basirt heut zu Tage auf
dem goldenen Boden des Finanzwesens, und desto mehr, je weniger
ihm eine moralische Basis geboten scheint. Es ist sonach der Libe¬
ralismus der Spekulation, der Jnstinct des Egoismus, das Gebot
der Nothwendigkeit, welche aus die Reformbahn hinweisen, und es
gewinnt oft den Anschein, als geschehe das Gute hier nur, um mit
den goldenen Früchten desselben das Ueberlebte auf anderen Gebieten
künstlich zu stützen und zu conserviren. Doch davon werden wir noch
in der Folge reden, wenn die Art des Fortschreitens selbst näher be¬
zeichnet werden soll, und in jüngsten Regungen des Neformgeistes
den Charakter deö leitenden Prinzips selbst nachzuweisen suchen.

In der letzten Zeit hat sich der Umfang und möglicherweise
auch die Wichtigkeit der Hoflammer noch vermehrt, indem nach dem
Tode des Fürsten Lobkowitz, der den Posten eines Präsidenten
der montanistischen Hvfkammer seit 1834 bekleidete, dieser gesonderte
Amtskörper mit der allgemeinen Hosiammer vereinigt ward. Das
Bergwesen und die Münzung hatten schon vordem zum Ressort der
Hofkammer gehört und nur der Wunsch, den aus Galizien abberu¬
fenen Gouverneur, Fürsten Lobkowitz, angemessen zu placiren, bewog
damals die Negierung zur selbständigen Einrichtung einer Hofkam¬
mer im Münz- und Bergwesen. Fürst August von Lobkowitz stand
nämlich an der Spitze deö galizischen Guberniums zu Lemberg, als
im Jahre im Königreiche Polen der bekannte Aufstand aus¬
brach und zugleich die asiatische Cholera ihre traurigen Verheerungen
anrichtete, welche um so verderblicher waren, als um dieselbe Zeit
gerade die Einfühlung der Accise zu mancherlei Bedrückungen führte,
und die herrschende Krankheit durch einen drückenden Nothstand noch
gefährlicher wurde. Lobkowitz, der etwas vom Blute der alten Ari¬
stokratie in seinen Adern harte und sich nicht so leicht in die passive
Stellung eines puren Beamten zu finden vermochte, in welcher der
österreichische Adel noch allein Ansehen und Macht genießen kann,
hielt es unter diesen Umständen für gerathen, damit das Gefühl ma¬
terieller Noth die ohnehin nur leise schlummernden nationalen Spin-


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[0167] Daß gerade die Hofkammer indem österreichischen Vcttvaltuilgs- körper die Initiative der Reform ergriffen, kann eben so wenig be¬ fremden, alö wenn ein einzelnes Individuum die Umwandlung seiner Lebensweise und socialen Verhältnisse mit der Reform der finanziel¬ len Seite beginnt, denn auch der Staat basirt heut zu Tage auf dem goldenen Boden des Finanzwesens, und desto mehr, je weniger ihm eine moralische Basis geboten scheint. Es ist sonach der Libe¬ ralismus der Spekulation, der Jnstinct des Egoismus, das Gebot der Nothwendigkeit, welche aus die Reformbahn hinweisen, und es gewinnt oft den Anschein, als geschehe das Gute hier nur, um mit den goldenen Früchten desselben das Ueberlebte auf anderen Gebieten künstlich zu stützen und zu conserviren. Doch davon werden wir noch in der Folge reden, wenn die Art des Fortschreitens selbst näher be¬ zeichnet werden soll, und in jüngsten Regungen des Neformgeistes den Charakter deö leitenden Prinzips selbst nachzuweisen suchen. In der letzten Zeit hat sich der Umfang und möglicherweise auch die Wichtigkeit der Hoflammer noch vermehrt, indem nach dem Tode des Fürsten Lobkowitz, der den Posten eines Präsidenten der montanistischen Hvfkammer seit 1834 bekleidete, dieser gesonderte Amtskörper mit der allgemeinen Hosiammer vereinigt ward. Das Bergwesen und die Münzung hatten schon vordem zum Ressort der Hofkammer gehört und nur der Wunsch, den aus Galizien abberu¬ fenen Gouverneur, Fürsten Lobkowitz, angemessen zu placiren, bewog damals die Negierung zur selbständigen Einrichtung einer Hofkam¬ mer im Münz- und Bergwesen. Fürst August von Lobkowitz stand nämlich an der Spitze deö galizischen Guberniums zu Lemberg, als im Jahre im Königreiche Polen der bekannte Aufstand aus¬ brach und zugleich die asiatische Cholera ihre traurigen Verheerungen anrichtete, welche um so verderblicher waren, als um dieselbe Zeit gerade die Einfühlung der Accise zu mancherlei Bedrückungen führte, und die herrschende Krankheit durch einen drückenden Nothstand noch gefährlicher wurde. Lobkowitz, der etwas vom Blute der alten Ari¬ stokratie in seinen Adern harte und sich nicht so leicht in die passive Stellung eines puren Beamten zu finden vermochte, in welcher der österreichische Adel noch allein Ansehen und Macht genießen kann, hielt es unter diesen Umständen für gerathen, damit das Gefühl ma¬ terieller Noth die ohnehin nur leise schlummernden nationalen Spin-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/167>, abgerufen am 22.12.2024.