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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Eharakterlustspiele Goldoni'S und Alberto Nota's der deutschen Bühne
zu acclimatisiren. Durch seine "Mirandolina" machte er sich beson¬
ders um solche Schauspielerinnen verdient, die, wie Fräulein Char¬
lotte von Hagn, in einer Mischung von Koketterie und Schalkheit
ihre Starke zu finden wissen. Und für sie namentlich schrieb er auch
die Lustspiele: "Der Ball von Ellerbrunn", und die "Herrin von der
Else" und bearbeitete den widerwärtigen "Marquis von Letorrii>res".
Wundern Sie sich daher nicht, wenn Fraulein von Hagn besonders
betrübt über das Ableben Blum's scheint. ^ Sie hat ihm selbst einen
Kranz gewunden und mit einem eigenen Gedichte unter Thränen auf
den Sarg gelegt.


Justus.
III.
Ans Wie n.

Geldaristokratie. -- Wicsner und Tengoborfty. --- Witthauer.

Seit dem Decret über den Bau der Staatseisenbahnen ist kein
so wichtiger Schritt bei uns gemacht worden, als die Zollherabsetzun-
gen, welche der am 1. Juli publizirte neue Zolltarif enthalt. Poli¬
tisch ist dies als ein ungemein annähernder Schritt an den Zollverein,
d. h. an Deutschland überhaupt, für die Zukunft Oesterreichs sehr
bedeutsam. Der Kaiserstaat nähert sich dadurch seinem natürlichen
Alliirten wieder. Der Zollverein, den man bei seinem Entstehen hier
sehr geringschätzend betrachtet hatte, lockerte allmälig die Stellung Oe¬
sterreichs in der Mitte der deutschen Nation. Die neue Zeit mit ih¬
ren materiellen Tendenzen verlangt neue Formen und Bande; statt
der alten Reichsgrafen und Fürsten sitzen jetzt die Fabrikanten und
Kaufleute auf der Grafenbank. Hatte früher Oesterreich durch jene
sein Uebergewicht durchgesetzt, so hat Preußen es nun durch diese.
Der Adelsstolz hat dem Geldstolz Platz gemacht. Von-t Jo foci-vt du
monde. ...... Vom Gesichtspunkt der Staatsfinanzen wird dem neuen
Zolltarif großes Lob gespendet. Namentlich weil derselbe auf Vernich¬
tung des Schmuggels, des Krebsschadens Oesterreichs, zielt. Dagegen
schreien die Fabrikanten -- wie sich von selbst versteht, citiren ihre
immer bedrohlicher werdende Lage, weisen auf die Prager Arbciterun-
ruhen hin, kurz, spielen ganz die frühere Rolle des Adels, der den
Staat nach seinen Interessen geführt sehen wollte und nicht genug
Privilegien und Schutz für sich allein erhalten konnte. Indessen geht
doch ein großer Theil der öffentlichen Stimme dahin, daß ein Han¬
delsministerium eine unausweichliche Sache sei, indem Baron Kübeck,
ein so großer Finanzmann er ist, doch zu sehr den Staat und seine
Nöthen im Auge haben muß, indeß die Einzelinteressen nicht genug perdre-


Eharakterlustspiele Goldoni'S und Alberto Nota's der deutschen Bühne
zu acclimatisiren. Durch seine „Mirandolina" machte er sich beson¬
ders um solche Schauspielerinnen verdient, die, wie Fräulein Char¬
lotte von Hagn, in einer Mischung von Koketterie und Schalkheit
ihre Starke zu finden wissen. Und für sie namentlich schrieb er auch
die Lustspiele: „Der Ball von Ellerbrunn", und die „Herrin von der
Else" und bearbeitete den widerwärtigen „Marquis von Letorrii>res".
Wundern Sie sich daher nicht, wenn Fraulein von Hagn besonders
betrübt über das Ableben Blum's scheint. ^ Sie hat ihm selbst einen
Kranz gewunden und mit einem eigenen Gedichte unter Thränen auf
den Sarg gelegt.


Justus.
III.
Ans Wie n.

Geldaristokratie. — Wicsner und Tengoborfty. -— Witthauer.

Seit dem Decret über den Bau der Staatseisenbahnen ist kein
so wichtiger Schritt bei uns gemacht worden, als die Zollherabsetzun-
gen, welche der am 1. Juli publizirte neue Zolltarif enthalt. Poli¬
tisch ist dies als ein ungemein annähernder Schritt an den Zollverein,
d. h. an Deutschland überhaupt, für die Zukunft Oesterreichs sehr
bedeutsam. Der Kaiserstaat nähert sich dadurch seinem natürlichen
Alliirten wieder. Der Zollverein, den man bei seinem Entstehen hier
sehr geringschätzend betrachtet hatte, lockerte allmälig die Stellung Oe¬
sterreichs in der Mitte der deutschen Nation. Die neue Zeit mit ih¬
ren materiellen Tendenzen verlangt neue Formen und Bande; statt
der alten Reichsgrafen und Fürsten sitzen jetzt die Fabrikanten und
Kaufleute auf der Grafenbank. Hatte früher Oesterreich durch jene
sein Uebergewicht durchgesetzt, so hat Preußen es nun durch diese.
Der Adelsstolz hat dem Geldstolz Platz gemacht. Von-t Jo foci-vt du
monde. ...... Vom Gesichtspunkt der Staatsfinanzen wird dem neuen
Zolltarif großes Lob gespendet. Namentlich weil derselbe auf Vernich¬
tung des Schmuggels, des Krebsschadens Oesterreichs, zielt. Dagegen
schreien die Fabrikanten — wie sich von selbst versteht, citiren ihre
immer bedrohlicher werdende Lage, weisen auf die Prager Arbciterun-
ruhen hin, kurz, spielen ganz die frühere Rolle des Adels, der den
Staat nach seinen Interessen geführt sehen wollte und nicht genug
Privilegien und Schutz für sich allein erhalten konnte. Indessen geht
doch ein großer Theil der öffentlichen Stimme dahin, daß ein Han¬
delsministerium eine unausweichliche Sache sei, indem Baron Kübeck,
ein so großer Finanzmann er ist, doch zu sehr den Staat und seine
Nöthen im Auge haben muß, indeß die Einzelinteressen nicht genug perdre-


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[0143] Eharakterlustspiele Goldoni'S und Alberto Nota's der deutschen Bühne zu acclimatisiren. Durch seine „Mirandolina" machte er sich beson¬ ders um solche Schauspielerinnen verdient, die, wie Fräulein Char¬ lotte von Hagn, in einer Mischung von Koketterie und Schalkheit ihre Starke zu finden wissen. Und für sie namentlich schrieb er auch die Lustspiele: „Der Ball von Ellerbrunn", und die „Herrin von der Else" und bearbeitete den widerwärtigen „Marquis von Letorrii>res". Wundern Sie sich daher nicht, wenn Fraulein von Hagn besonders betrübt über das Ableben Blum's scheint. ^ Sie hat ihm selbst einen Kranz gewunden und mit einem eigenen Gedichte unter Thränen auf den Sarg gelegt. Justus. III. Ans Wie n. Geldaristokratie. — Wicsner und Tengoborfty. -— Witthauer. Seit dem Decret über den Bau der Staatseisenbahnen ist kein so wichtiger Schritt bei uns gemacht worden, als die Zollherabsetzun- gen, welche der am 1. Juli publizirte neue Zolltarif enthalt. Poli¬ tisch ist dies als ein ungemein annähernder Schritt an den Zollverein, d. h. an Deutschland überhaupt, für die Zukunft Oesterreichs sehr bedeutsam. Der Kaiserstaat nähert sich dadurch seinem natürlichen Alliirten wieder. Der Zollverein, den man bei seinem Entstehen hier sehr geringschätzend betrachtet hatte, lockerte allmälig die Stellung Oe¬ sterreichs in der Mitte der deutschen Nation. Die neue Zeit mit ih¬ ren materiellen Tendenzen verlangt neue Formen und Bande; statt der alten Reichsgrafen und Fürsten sitzen jetzt die Fabrikanten und Kaufleute auf der Grafenbank. Hatte früher Oesterreich durch jene sein Uebergewicht durchgesetzt, so hat Preußen es nun durch diese. Der Adelsstolz hat dem Geldstolz Platz gemacht. Von-t Jo foci-vt du monde. ...... Vom Gesichtspunkt der Staatsfinanzen wird dem neuen Zolltarif großes Lob gespendet. Namentlich weil derselbe auf Vernich¬ tung des Schmuggels, des Krebsschadens Oesterreichs, zielt. Dagegen schreien die Fabrikanten — wie sich von selbst versteht, citiren ihre immer bedrohlicher werdende Lage, weisen auf die Prager Arbciterun- ruhen hin, kurz, spielen ganz die frühere Rolle des Adels, der den Staat nach seinen Interessen geführt sehen wollte und nicht genug Privilegien und Schutz für sich allein erhalten konnte. Indessen geht doch ein großer Theil der öffentlichen Stimme dahin, daß ein Han¬ delsministerium eine unausweichliche Sache sei, indem Baron Kübeck, ein so großer Finanzmann er ist, doch zu sehr den Staat und seine Nöthen im Auge haben muß, indeß die Einzelinteressen nicht genug perdre-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/143>, abgerufen am 03.07.2024.