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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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ren und auch nicht genug verstanden sind. Es ist auch kein Grund
da, warum man diesem gerechten Wunsch der öffentlichen Meinung
nicht entgegen kommen sollte, und wenn es wahr ist, daß Baron
Kübeck in's Staatsministerium treten und der Vicepräsident, Ritter
von Breyer, an seine Stelle treten soll, so dürfte zugleich auch ein
Handelöpräsidium eingeführt werden. -- Vor wenigen Tagen langte
hier ein Buch an, welches das Interesse des Publicums nicht wenig
in Anspruch nimmt; es führt den Titel: "Russisch-politische Arith¬
metik", und ist gegen das vielbesprochene Buch von Tengoborsty ge¬
richtet, dessen falsche Berechnungen zwar bereits wiederholt nachgewie¬
sen worden sind, namentlich in der Kölnischen Zeitung (vom Verfasser
des Buches: Oesterreich und seine Zukunft -- wie es scheint) aber
doch nie so schlagend, wie in dem in Rede stehenden Werke, dessen
Verfasser ein sehr tüchtiger Rechtsgelehrter, Herr !),-. Wiesner, ist,
der auf dem Titel die sonderbare, aber sehr ehrenhafte und wohlmo-
tivirte Bezeichnung Deutsch-Böhme seinem Namen hinzufügte. Das
Werk weis t nämlich dem russischen Staatsrath von Tcngoborsky un-
widerleglich nach, daß dessen Buch nicht im österreichischen Interesse,
wie es hieß, sondern im russischen geschrieben ist und die Absicht hat,
im österreichischen Staate Drachcnzähne zu säen und die Negierung
zu neuen Steuerauflagen zu veranlassen, die den Unterthan drücken
und zum Mißvergnügen reizen müssen. Nicht etwa Irrthümer sind
es, die Wiesner dem Tengoborsky'schen Buche nachweist/ sondern Ab¬
sichten, offenbare Verdrehung, Auslassungen, falsche Additionen, fal¬
sche Citate österreichischer Statistiker, so daß Tengoborsty z. B. das¬
jenige als Bruttoeinnahme angibt, was Springer als Reinertrag
darstellt u. s. w. Es ist eine merkwürdige Polemik in diesem Buche,
die auch den interesstren muß, der sonst kein Behagen findet. Merk¬
würdig ist, daß Wiesner, der hier als publizistischer Schriftsteller so
gewappnet hervortrat, wie es bei einem österreichischen Schriftsteller
kaum vorauszusetzen ist, bisher seine Mußestunden mit Leidenschaft
der dramatischen Poesie zugewendet hat. Auf dem Burgtheater, so
wie auf dem Theater in Weimar hat namentlich eines seiner Dramen
ihm eine schöne Anerkennung erworben. Aber die Zeit der poetischen
Träumerei geht für Oesterreich zu Ende. Der Ernst bemächtigt sich
seines jungen Geistes, die politische Bühne verdrängt die Theaterhel¬
den und die Welthändel treten an die Stelle der Backhändel. Dies
ist charakteristisch für die Entwickelung in Oesterreich. Seit Lenau
und Grün genügt den österreichischen Poeten das Liebes- und Land¬
schaftsgeklingel nicht mehr. Selbst Halm hat in Sampiero dies be¬
wiesen und einen leichten politischen Anlauf genommen. Die Prosa
vollends hat der alten Baumgärtnerischen Aesthetik V-liet gesagt, und
man darf nur die Correspondenzen, die aus Oesterreich hie und da in
die Kölnische und die Augsburger Zeitung, in Biedermann's Monats-


ren und auch nicht genug verstanden sind. Es ist auch kein Grund
da, warum man diesem gerechten Wunsch der öffentlichen Meinung
nicht entgegen kommen sollte, und wenn es wahr ist, daß Baron
Kübeck in's Staatsministerium treten und der Vicepräsident, Ritter
von Breyer, an seine Stelle treten soll, so dürfte zugleich auch ein
Handelöpräsidium eingeführt werden. — Vor wenigen Tagen langte
hier ein Buch an, welches das Interesse des Publicums nicht wenig
in Anspruch nimmt; es führt den Titel: „Russisch-politische Arith¬
metik", und ist gegen das vielbesprochene Buch von Tengoborsty ge¬
richtet, dessen falsche Berechnungen zwar bereits wiederholt nachgewie¬
sen worden sind, namentlich in der Kölnischen Zeitung (vom Verfasser
des Buches: Oesterreich und seine Zukunft — wie es scheint) aber
doch nie so schlagend, wie in dem in Rede stehenden Werke, dessen
Verfasser ein sehr tüchtiger Rechtsgelehrter, Herr !),-. Wiesner, ist,
der auf dem Titel die sonderbare, aber sehr ehrenhafte und wohlmo-
tivirte Bezeichnung Deutsch-Böhme seinem Namen hinzufügte. Das
Werk weis t nämlich dem russischen Staatsrath von Tcngoborsky un-
widerleglich nach, daß dessen Buch nicht im österreichischen Interesse,
wie es hieß, sondern im russischen geschrieben ist und die Absicht hat,
im österreichischen Staate Drachcnzähne zu säen und die Negierung
zu neuen Steuerauflagen zu veranlassen, die den Unterthan drücken
und zum Mißvergnügen reizen müssen. Nicht etwa Irrthümer sind
es, die Wiesner dem Tengoborsky'schen Buche nachweist/ sondern Ab¬
sichten, offenbare Verdrehung, Auslassungen, falsche Additionen, fal¬
sche Citate österreichischer Statistiker, so daß Tengoborsty z. B. das¬
jenige als Bruttoeinnahme angibt, was Springer als Reinertrag
darstellt u. s. w. Es ist eine merkwürdige Polemik in diesem Buche,
die auch den interesstren muß, der sonst kein Behagen findet. Merk¬
würdig ist, daß Wiesner, der hier als publizistischer Schriftsteller so
gewappnet hervortrat, wie es bei einem österreichischen Schriftsteller
kaum vorauszusetzen ist, bisher seine Mußestunden mit Leidenschaft
der dramatischen Poesie zugewendet hat. Auf dem Burgtheater, so
wie auf dem Theater in Weimar hat namentlich eines seiner Dramen
ihm eine schöne Anerkennung erworben. Aber die Zeit der poetischen
Träumerei geht für Oesterreich zu Ende. Der Ernst bemächtigt sich
seines jungen Geistes, die politische Bühne verdrängt die Theaterhel¬
den und die Welthändel treten an die Stelle der Backhändel. Dies
ist charakteristisch für die Entwickelung in Oesterreich. Seit Lenau
und Grün genügt den österreichischen Poeten das Liebes- und Land¬
schaftsgeklingel nicht mehr. Selbst Halm hat in Sampiero dies be¬
wiesen und einen leichten politischen Anlauf genommen. Die Prosa
vollends hat der alten Baumgärtnerischen Aesthetik V-liet gesagt, und
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die Kölnische und die Augsburger Zeitung, in Biedermann's Monats-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/144>, abgerufen am 22.12.2024.