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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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gen, zarter Emaille vergleichbar; kohlschwarzes Haar und cyanenblaue
Angen -- das Alles vereinigte sich zu einem entzückenden Bilde.
Aber hin und wieder flog ein ängstliches Zucken um Maria's Mund,
wie die Mimosa zusammenfährt, wenn ein Insekt ihre Blätter be¬
rührt. Das Mädchen hatte gewiß schon viel Lust und Schmerz er¬
lebt, sie hatte vom Baum der Erkenntniß gekostet -- man konnte
es im tiefen traurigen Geheimniß ihrer Augen lesen. Nur mit kur¬
zen Worten antwortete sie auf meine vorsichtigen Fragen, sie war
sint wie ein gebrochnes Herz.

Bei Maria saß ein mercantilischer Jüngling aus Lübeck, der
sich noch möglichst vergnügen wollte, ehe er nach Finnland ging,
und an seiner Seite befand sich Monsieur Robineau, ein kleiner
flotter Franzos. Er reifte, um Aufträge auf bunte Papiere, Cham¬
pagner, Goldleisten und seidne Waaren zu sammeln, doch das Haupt¬
geschäft machte er mit ewig gutem Humor. Von seinem spaßhaft
häßlichen Gesicht war unter dem dichten Barte wenig zu sehen, er
trug ein rothes Mützchen und sah wie ein säbelbeiniger Gnome aus.
Keinen Augenblick konnte er still bleiben, fortwährend rückte er mit
dem Stuhl und schleuderte sprühende Witzraketen über die Tafel. --
Es kamen hierauf noch beinahe ein Dutzend Passagiere, von denen
sich durchaus Nichts weiter sagen läßt, als daß sie auch auf dem
Schiffe waren.

Man wolle es nicht übel deuten, wenn ich meine Reisegefähr¬
ten so umständlich beschrieb, als ob es eine Schlachtordnung ho¬
merischer Helden wäre. Was hat der Seefahrer wohl sonst für Ge¬
genstände, die seine Aufmerksamkeit fesseln, seine Leser interessiren
könnten? Einsam rauscht das Schiff durch die Wasseröde, und gibt
es ja grandiose Naturschauspiele, dann pflegt sich ein reisender Schrift¬
steller selten in der Lage zu befinden, um sie nachher mit treuen
Farben zu schildern. Diesmal verhielten sich Wind und Wogen
noch ziemlich ruhig, es flog nur ein frisches Lüftchen über den wal¬
lenden Spiegel hin, und während wir an der grünen, kornreichen
Küste von Schonen entlang unsre schäumende Furche zogen, stieg im
Süden Bornholm empor. Kaum hatten wir aber den letzten Land¬
streifen aus dem Gesicht, da wurde das Wetter wüst und wild.
Unser Dampfboot schaukelte so gewaltig, daß die kaum Genesenen


gen, zarter Emaille vergleichbar; kohlschwarzes Haar und cyanenblaue
Angen — das Alles vereinigte sich zu einem entzückenden Bilde.
Aber hin und wieder flog ein ängstliches Zucken um Maria's Mund,
wie die Mimosa zusammenfährt, wenn ein Insekt ihre Blätter be¬
rührt. Das Mädchen hatte gewiß schon viel Lust und Schmerz er¬
lebt, sie hatte vom Baum der Erkenntniß gekostet — man konnte
es im tiefen traurigen Geheimniß ihrer Augen lesen. Nur mit kur¬
zen Worten antwortete sie auf meine vorsichtigen Fragen, sie war
sint wie ein gebrochnes Herz.

Bei Maria saß ein mercantilischer Jüngling aus Lübeck, der
sich noch möglichst vergnügen wollte, ehe er nach Finnland ging,
und an seiner Seite befand sich Monsieur Robineau, ein kleiner
flotter Franzos. Er reifte, um Aufträge auf bunte Papiere, Cham¬
pagner, Goldleisten und seidne Waaren zu sammeln, doch das Haupt¬
geschäft machte er mit ewig gutem Humor. Von seinem spaßhaft
häßlichen Gesicht war unter dem dichten Barte wenig zu sehen, er
trug ein rothes Mützchen und sah wie ein säbelbeiniger Gnome aus.
Keinen Augenblick konnte er still bleiben, fortwährend rückte er mit
dem Stuhl und schleuderte sprühende Witzraketen über die Tafel. —
Es kamen hierauf noch beinahe ein Dutzend Passagiere, von denen
sich durchaus Nichts weiter sagen läßt, als daß sie auch auf dem
Schiffe waren.

Man wolle es nicht übel deuten, wenn ich meine Reisegefähr¬
ten so umständlich beschrieb, als ob es eine Schlachtordnung ho¬
merischer Helden wäre. Was hat der Seefahrer wohl sonst für Ge¬
genstände, die seine Aufmerksamkeit fesseln, seine Leser interessiren
könnten? Einsam rauscht das Schiff durch die Wasseröde, und gibt
es ja grandiose Naturschauspiele, dann pflegt sich ein reisender Schrift¬
steller selten in der Lage zu befinden, um sie nachher mit treuen
Farben zu schildern. Diesmal verhielten sich Wind und Wogen
noch ziemlich ruhig, es flog nur ein frisches Lüftchen über den wal¬
lenden Spiegel hin, und während wir an der grünen, kornreichen
Küste von Schonen entlang unsre schäumende Furche zogen, stieg im
Süden Bornholm empor. Kaum hatten wir aber den letzten Land¬
streifen aus dem Gesicht, da wurde das Wetter wüst und wild.
Unser Dampfboot schaukelte so gewaltig, daß die kaum Genesenen


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[0134] gen, zarter Emaille vergleichbar; kohlschwarzes Haar und cyanenblaue Angen — das Alles vereinigte sich zu einem entzückenden Bilde. Aber hin und wieder flog ein ängstliches Zucken um Maria's Mund, wie die Mimosa zusammenfährt, wenn ein Insekt ihre Blätter be¬ rührt. Das Mädchen hatte gewiß schon viel Lust und Schmerz er¬ lebt, sie hatte vom Baum der Erkenntniß gekostet — man konnte es im tiefen traurigen Geheimniß ihrer Augen lesen. Nur mit kur¬ zen Worten antwortete sie auf meine vorsichtigen Fragen, sie war sint wie ein gebrochnes Herz. Bei Maria saß ein mercantilischer Jüngling aus Lübeck, der sich noch möglichst vergnügen wollte, ehe er nach Finnland ging, und an seiner Seite befand sich Monsieur Robineau, ein kleiner flotter Franzos. Er reifte, um Aufträge auf bunte Papiere, Cham¬ pagner, Goldleisten und seidne Waaren zu sammeln, doch das Haupt¬ geschäft machte er mit ewig gutem Humor. Von seinem spaßhaft häßlichen Gesicht war unter dem dichten Barte wenig zu sehen, er trug ein rothes Mützchen und sah wie ein säbelbeiniger Gnome aus. Keinen Augenblick konnte er still bleiben, fortwährend rückte er mit dem Stuhl und schleuderte sprühende Witzraketen über die Tafel. — Es kamen hierauf noch beinahe ein Dutzend Passagiere, von denen sich durchaus Nichts weiter sagen läßt, als daß sie auch auf dem Schiffe waren. Man wolle es nicht übel deuten, wenn ich meine Reisegefähr¬ ten so umständlich beschrieb, als ob es eine Schlachtordnung ho¬ merischer Helden wäre. Was hat der Seefahrer wohl sonst für Ge¬ genstände, die seine Aufmerksamkeit fesseln, seine Leser interessiren könnten? Einsam rauscht das Schiff durch die Wasseröde, und gibt es ja grandiose Naturschauspiele, dann pflegt sich ein reisender Schrift¬ steller selten in der Lage zu befinden, um sie nachher mit treuen Farben zu schildern. Diesmal verhielten sich Wind und Wogen noch ziemlich ruhig, es flog nur ein frisches Lüftchen über den wal¬ lenden Spiegel hin, und während wir an der grünen, kornreichen Küste von Schonen entlang unsre schäumende Furche zogen, stieg im Süden Bornholm empor. Kaum hatten wir aber den letzten Land¬ streifen aus dem Gesicht, da wurde das Wetter wüst und wild. Unser Dampfboot schaukelte so gewaltig, daß die kaum Genesenen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/134>, abgerufen am 23.07.2024.