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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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sich von neuem krank fühlten, und der Sturm jagte die Wellen über
Deck, auch uns Gesunde vertreibend.

Einige Worte werden hinreichend sein, die Localität des Schif¬
fes anzudeuten. Vorn liegen die Cabinö der Damen, zu denen kein
Mannsbild hinunter darf, und im Hintertheil ist die große Cajüte.
Diese enthält den elegant eingerichteten Salon, von zwölf Herren-Cabi-
nen umgeben. In jeder Zelle befinden sich zwei Betten über einander,
und sie kann, nach dem Salon zu, entweder durch eme feste Maha-
gonythür, oder durch eine leichte Seidengardine geschlossen werden.
Dies bietet den Männern die ungemeine Behaglichkeit, sich, während
die Damen bei schlechter Witterung den Salon suchen müssen, in
ihre Häuslichkeit zurückziehen zu können. Hinter der blauen Gardine
kleidet man sich um, streckt sich auf dem Lager aus und hört drin¬
nen die Unterhaltung. Ja, man plaudert sogar mit den Damen,
und oft wissen diese kaum, aus wessen Zelle die Stimme tönt, die
sich in ihre Gespräche mischt. Das gibt dann zu Irrthum und La¬
chen Veranlassung.

Als oben auf dem Deck, der überströmenden Wellen wegen,
nicht mehr zu dauern war, hatten wir uns im sichern Raum des
Salons versammelt, und es wurde hier ein musikalischer Zirkel ar-
rangirt. Der kleine verschmitzte Tyroler trug jene possierlichen Stück¬
lein vor, die in Oesterreich so sehr beliebt sind. Auch Fräulein
Holmberg sang, und Nagel begleitete sie auf der Guitarre. Es
waren größtentheils schwedische Volkslieder, und aus diesen sehn^
süchtigen Weisen mit ihrer schmeichelnden Wehmuth blühte mir Schwe¬
dens Volkscharakter recht unmittelbar entgegen. Einer brachte die
Nachricht, des Wetters Ungestüm habe sich ein wenig gelegt, und
wir gingen, in Mäntel gehüllt, auf dem nassen Deck umher. Da
kam ein andres Dampfschiff -- der "Gaulhiod" -- an dem unsri-
gen vorbei, wir salutirten einander und begrüßten uns mit den
Passagieren drüben so vertraut, als ob es lauter Freunde und Be¬
kannte wären.

Nach dein Souper eröffneten wir von neuem den musikalischen
Salon, und Emilie, die junge Sängerin, bezauberte mich. Sie
war nicht groß, ihrem Gesicht fehlte es an Farbenfrische. Ein mat¬
ter Teint, dunkelblondes Haar und graublaue Augen lassen sich


sich von neuem krank fühlten, und der Sturm jagte die Wellen über
Deck, auch uns Gesunde vertreibend.

Einige Worte werden hinreichend sein, die Localität des Schif¬
fes anzudeuten. Vorn liegen die Cabinö der Damen, zu denen kein
Mannsbild hinunter darf, und im Hintertheil ist die große Cajüte.
Diese enthält den elegant eingerichteten Salon, von zwölf Herren-Cabi-
nen umgeben. In jeder Zelle befinden sich zwei Betten über einander,
und sie kann, nach dem Salon zu, entweder durch eme feste Maha-
gonythür, oder durch eine leichte Seidengardine geschlossen werden.
Dies bietet den Männern die ungemeine Behaglichkeit, sich, während
die Damen bei schlechter Witterung den Salon suchen müssen, in
ihre Häuslichkeit zurückziehen zu können. Hinter der blauen Gardine
kleidet man sich um, streckt sich auf dem Lager aus und hört drin¬
nen die Unterhaltung. Ja, man plaudert sogar mit den Damen,
und oft wissen diese kaum, aus wessen Zelle die Stimme tönt, die
sich in ihre Gespräche mischt. Das gibt dann zu Irrthum und La¬
chen Veranlassung.

Als oben auf dem Deck, der überströmenden Wellen wegen,
nicht mehr zu dauern war, hatten wir uns im sichern Raum des
Salons versammelt, und es wurde hier ein musikalischer Zirkel ar-
rangirt. Der kleine verschmitzte Tyroler trug jene possierlichen Stück¬
lein vor, die in Oesterreich so sehr beliebt sind. Auch Fräulein
Holmberg sang, und Nagel begleitete sie auf der Guitarre. Es
waren größtentheils schwedische Volkslieder, und aus diesen sehn^
süchtigen Weisen mit ihrer schmeichelnden Wehmuth blühte mir Schwe¬
dens Volkscharakter recht unmittelbar entgegen. Einer brachte die
Nachricht, des Wetters Ungestüm habe sich ein wenig gelegt, und
wir gingen, in Mäntel gehüllt, auf dem nassen Deck umher. Da
kam ein andres Dampfschiff — der „Gaulhiod" — an dem unsri-
gen vorbei, wir salutirten einander und begrüßten uns mit den
Passagieren drüben so vertraut, als ob es lauter Freunde und Be¬
kannte wären.

Nach dein Souper eröffneten wir von neuem den musikalischen
Salon, und Emilie, die junge Sängerin, bezauberte mich. Sie
war nicht groß, ihrem Gesicht fehlte es an Farbenfrische. Ein mat¬
ter Teint, dunkelblondes Haar und graublaue Augen lassen sich


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[0135] sich von neuem krank fühlten, und der Sturm jagte die Wellen über Deck, auch uns Gesunde vertreibend. Einige Worte werden hinreichend sein, die Localität des Schif¬ fes anzudeuten. Vorn liegen die Cabinö der Damen, zu denen kein Mannsbild hinunter darf, und im Hintertheil ist die große Cajüte. Diese enthält den elegant eingerichteten Salon, von zwölf Herren-Cabi- nen umgeben. In jeder Zelle befinden sich zwei Betten über einander, und sie kann, nach dem Salon zu, entweder durch eme feste Maha- gonythür, oder durch eine leichte Seidengardine geschlossen werden. Dies bietet den Männern die ungemeine Behaglichkeit, sich, während die Damen bei schlechter Witterung den Salon suchen müssen, in ihre Häuslichkeit zurückziehen zu können. Hinter der blauen Gardine kleidet man sich um, streckt sich auf dem Lager aus und hört drin¬ nen die Unterhaltung. Ja, man plaudert sogar mit den Damen, und oft wissen diese kaum, aus wessen Zelle die Stimme tönt, die sich in ihre Gespräche mischt. Das gibt dann zu Irrthum und La¬ chen Veranlassung. Als oben auf dem Deck, der überströmenden Wellen wegen, nicht mehr zu dauern war, hatten wir uns im sichern Raum des Salons versammelt, und es wurde hier ein musikalischer Zirkel ar- rangirt. Der kleine verschmitzte Tyroler trug jene possierlichen Stück¬ lein vor, die in Oesterreich so sehr beliebt sind. Auch Fräulein Holmberg sang, und Nagel begleitete sie auf der Guitarre. Es waren größtentheils schwedische Volkslieder, und aus diesen sehn^ süchtigen Weisen mit ihrer schmeichelnden Wehmuth blühte mir Schwe¬ dens Volkscharakter recht unmittelbar entgegen. Einer brachte die Nachricht, des Wetters Ungestüm habe sich ein wenig gelegt, und wir gingen, in Mäntel gehüllt, auf dem nassen Deck umher. Da kam ein andres Dampfschiff — der „Gaulhiod" — an dem unsri- gen vorbei, wir salutirten einander und begrüßten uns mit den Passagieren drüben so vertraut, als ob es lauter Freunde und Be¬ kannte wären. Nach dein Souper eröffneten wir von neuem den musikalischen Salon, und Emilie, die junge Sängerin, bezauberte mich. Sie war nicht groß, ihrem Gesicht fehlte es an Farbenfrische. Ein mat¬ ter Teint, dunkelblondes Haar und graublaue Augen lassen sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/135>, abgerufen am 23.12.2024.