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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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wen" er im Stande ist, mir eine Schüssel Märtirer zu verschaf¬
fen ---!

Der Leser weiß, daß zu jener Zeit ein weit freundlicherer Ver¬
kehr, als jetzt, ich möchte beinahe sagen, ein gewisses Familienverhält¬
niß zwischen den Menschen und dem Teufel stattfand. Man rief
ihn und er kam. Darum hatte Pater Martin seine Worte kaum
ausgesprochen, so rauschte es in den Büschen, und leibhaftig stand
der Gottseibeiuns vor ihm. Es war aber nicht der moderne Satan,
der sich längst seinen Klumpfuß hat operiren lassen und sich nun,
in Civil oder Uniform, wie andere Leute trägt. Auch nicht Mephisto
mit dem Mäntelchen von rother goldverbrämter Seide und der Hah¬
nenfeder auf dem Hut, denn damals waren noch keine Commentare
zu Goethe's Faust geschrieben. Der alte echte Teufel war es, mit
Horn und Schweif und Klaue -- jenes historische Costüm, das ei¬
gentlich so gut wie andere wieder hergestellt werden müßte.

Man möge nicht etwa glauben, Pater Martin sei sehr erschroc¬
ken gewesen -- das würde sich in seiner Stellung schlecht geziemt
haben. Zwar erwartete er nicht, daß ihn der Teufel sogleich beim
Wort halten würde, doch da es einmal geschah, so benahm sich Mar¬
tin, wie es sich für einen Mann von Welt und Erziehung schickt.
Er schloß mit dem Bösen einen Contract, worin folgende Paragra¬
phen vorkamen:

§. l. Signor Diavolo verspricht seiner Hochehrwürden, dem
Pater Martin zu Kloster Kolbatz in Pommern, bis mor¬
gen früh vor dem dritten Hahnenschrei ein Gericht fri¬
scher Maränen aus dem See von Apella in Italien her¬
beizuschaffen und an ihn abzuliefern.
§. 2. Der Herr Pater Martin verpflichtet sich dagegen, dem
Signor Diavolo sowohl seine eigene Seele, als die See¬
len von zwölf anderen Mönchen des Klosters erd- und
eigenthümlich für alle Ewigkeit zu überlassen.
§. 3. Beide Theile, völlig dispositionsfähig, haben die einzel¬
nen Punkte wohl erwogen, sie entsagen dem Einwände
der Uebervortheilung von mehr als die Hälfte, und wol¬
len, daß dieses Pactum sowohl von innen, als von ih¬
ren Erben und Nachkommen genau erfüllt werde.

wen» er im Stande ist, mir eine Schüssel Märtirer zu verschaf¬
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Der Leser weiß, daß zu jener Zeit ein weit freundlicherer Ver¬
kehr, als jetzt, ich möchte beinahe sagen, ein gewisses Familienverhält¬
niß zwischen den Menschen und dem Teufel stattfand. Man rief
ihn und er kam. Darum hatte Pater Martin seine Worte kaum
ausgesprochen, so rauschte es in den Büschen, und leibhaftig stand
der Gottseibeiuns vor ihm. Es war aber nicht der moderne Satan,
der sich längst seinen Klumpfuß hat operiren lassen und sich nun,
in Civil oder Uniform, wie andere Leute trägt. Auch nicht Mephisto
mit dem Mäntelchen von rother goldverbrämter Seide und der Hah¬
nenfeder auf dem Hut, denn damals waren noch keine Commentare
zu Goethe's Faust geschrieben. Der alte echte Teufel war es, mit
Horn und Schweif und Klaue — jenes historische Costüm, das ei¬
gentlich so gut wie andere wieder hergestellt werden müßte.

Man möge nicht etwa glauben, Pater Martin sei sehr erschroc¬
ken gewesen — das würde sich in seiner Stellung schlecht geziemt
haben. Zwar erwartete er nicht, daß ihn der Teufel sogleich beim
Wort halten würde, doch da es einmal geschah, so benahm sich Mar¬
tin, wie es sich für einen Mann von Welt und Erziehung schickt.
Er schloß mit dem Bösen einen Contract, worin folgende Paragra¬
phen vorkamen:

§. l. Signor Diavolo verspricht seiner Hochehrwürden, dem
Pater Martin zu Kloster Kolbatz in Pommern, bis mor¬
gen früh vor dem dritten Hahnenschrei ein Gericht fri¬
scher Maränen aus dem See von Apella in Italien her¬
beizuschaffen und an ihn abzuliefern.
§. 2. Der Herr Pater Martin verpflichtet sich dagegen, dem
Signor Diavolo sowohl seine eigene Seele, als die See¬
len von zwölf anderen Mönchen des Klosters erd- und
eigenthümlich für alle Ewigkeit zu überlassen.
§. 3. Beide Theile, völlig dispositionsfähig, haben die einzel¬
nen Punkte wohl erwogen, sie entsagen dem Einwände
der Uebervortheilung von mehr als die Hälfte, und wol¬
len, daß dieses Pactum sowohl von innen, als von ih¬
ren Erben und Nachkommen genau erfüllt werde.

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[0126] wen» er im Stande ist, mir eine Schüssel Märtirer zu verschaf¬ fen ---! Der Leser weiß, daß zu jener Zeit ein weit freundlicherer Ver¬ kehr, als jetzt, ich möchte beinahe sagen, ein gewisses Familienverhält¬ niß zwischen den Menschen und dem Teufel stattfand. Man rief ihn und er kam. Darum hatte Pater Martin seine Worte kaum ausgesprochen, so rauschte es in den Büschen, und leibhaftig stand der Gottseibeiuns vor ihm. Es war aber nicht der moderne Satan, der sich längst seinen Klumpfuß hat operiren lassen und sich nun, in Civil oder Uniform, wie andere Leute trägt. Auch nicht Mephisto mit dem Mäntelchen von rother goldverbrämter Seide und der Hah¬ nenfeder auf dem Hut, denn damals waren noch keine Commentare zu Goethe's Faust geschrieben. Der alte echte Teufel war es, mit Horn und Schweif und Klaue — jenes historische Costüm, das ei¬ gentlich so gut wie andere wieder hergestellt werden müßte. Man möge nicht etwa glauben, Pater Martin sei sehr erschroc¬ ken gewesen — das würde sich in seiner Stellung schlecht geziemt haben. Zwar erwartete er nicht, daß ihn der Teufel sogleich beim Wort halten würde, doch da es einmal geschah, so benahm sich Mar¬ tin, wie es sich für einen Mann von Welt und Erziehung schickt. Er schloß mit dem Bösen einen Contract, worin folgende Paragra¬ phen vorkamen: §. l. Signor Diavolo verspricht seiner Hochehrwürden, dem Pater Martin zu Kloster Kolbatz in Pommern, bis mor¬ gen früh vor dem dritten Hahnenschrei ein Gericht fri¬ scher Maränen aus dem See von Apella in Italien her¬ beizuschaffen und an ihn abzuliefern. §. 2. Der Herr Pater Martin verpflichtet sich dagegen, dem Signor Diavolo sowohl seine eigene Seele, als die See¬ len von zwölf anderen Mönchen des Klosters erd- und eigenthümlich für alle Ewigkeit zu überlassen. §. 3. Beide Theile, völlig dispositionsfähig, haben die einzel¬ nen Punkte wohl erwogen, sie entsagen dem Einwände der Uebervortheilung von mehr als die Hälfte, und wol¬ len, daß dieses Pactum sowohl von innen, als von ih¬ ren Erben und Nachkommen genau erfüllt werde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/126>, abgerufen am 25.08.2024.